Darauf hatten die Berliner Verkehrsinitiativen lange gewartet: Kurz vor der Wahl beschloss der Senat einen Planungsentwurf für das künftige Berliner Radverkehrsnetz und veröffentlichte ihn in Form einer großen Karte. Beim Wedding hat er dabei im Großen und Ganzen recht ordentlich gearbeitet. Allerdings muss das Netz auch noch umgesetzt werden.
Das Radverkehrsnetz besteht aus einem Vorrangnetz (auf der Karte in roter Farbe) und einem Ergänzungsnetz (gelb). Die Radverkehrsanlagen im Vorrangnetz sind breiter (2,50 Meter) als im Ergänzungsnetz (2 Meter) und sollen zudem vorrangig ausgebaut werden. 2,50 Meter – ohne Begrenzungsmarkierungen – reichen, um andere Räder, auch Lastenräder, überholen zu können. Das nutzt auch den Autofahrern: Wenn die Ampel auf Grün springt, startet auf einem breiten Radstreifen der Pulk der Radfahrer in Doppelreihe. Zu Stoßzeiten macht das eine Menge aus: Man hat dann als motorisierter Rechtsabbieger noch eine Chance, über die Kreuzung zu kommen.
Den Wedding durchziehen im neuen Plan zwei große Vorrangachsen von Nordwest nach Südost: Die Togo- bzw. Müllerstraße sowie die Residenz‑, Bad- und Brunnenstraße. Drei weitere Achsen kreuzen im 90-Grad-Winkel: über die See- und die Ungarnstraße, über Luxemburger‑, Schul‑, Bad- und Grüntaler Straße sowie eine weitere im Süden über Seller- und Grenzstraße am Humboldthain vorbei in die Behmstraße. Auf der Karte ergibt sich ein hübsches Raster, in der Realität jedoch wartet ein Haufen Arbeit: Noch vor der Wahl hätte eigentlich der Bau an einem zentralen Teilstück der Radverkehrsanlage Müllerstraße beginnen sollen. Angekündigt war es, man wartete aber vergeblich. Und auch die Togostraße hätte eigentlich längst schon zur Fahrradstraße ausgeschildert werden sollen. Es dauert eben alles ein bisschen länger in Berlin und keiner erfährt so richtig, woran das eigentlich liegt.
Wenigstens sind in Teilen der Müllerstraße seit einiger Zeit schon Radstreifen auf die Fahrbahn gepinselt, zwar nicht mit der Breite von 2,50 Meter, aber immerhin. In der Brunnen- und Badstraße sucht man jegliche Radverkehrsanlagen vergeblich. In der Luxemburger und Schulstraße fallen sie ultraschmal aus, auch in der Seestraße sind sie unterdimensioniert und auf dem Bürgersteig verbannt, so wie das früher so üblich war. Aufwändig umbauen kann man diese Straßen in den kommenden Jahren wohl kaum.
Dazu fehlt nicht nur das Geld, sondern vor allem die Planungskapazität. Zumal das alles zwischen Senat und Bezirk sorgsam abgestimmt werden muss, bei Hauptverkehrsstraßen ist der Senat für die Fahrbahn zuständig, der Bezirk aber für den Bürgersteig. Am einfachsten ist es, großflächig Parkplätze abzubauen und/oder aus doppelspurigen Richtungsfahrbahnen einspurige zu machen. Aber selbst dann bleiben noch reichlich Probleme, die geklärt werden müssen: Wie umgehen mit Bushaltestellen? Was ist mit den Ladezonen und wo können Behinderte parken? Und was wird aus den gelb markierten Straßen im sogenannten Ergänzungsnetz? Vermutlich wird sich bei ihnen erstmals gar nichts groß ändern. Nur wenn sich in bestimmten Gebieten zusätzliche Mittel aus Städtebauförderprogrammen auftreiben lassen, könnten dort größere Umbaumaßnahmen finanziert werden. Ansonsten haben die roten Vorrangrouten Priorität. Nur wenn Maßnahmen einfach und ohne großen Aufwand umgesetzt werden können, haben die gelben eine Chance. Dazu könnte beispielsweise die Einrichtung von Fahrradstraßen gehören. Bislang setzt das Bundesrecht dafür aber hohe Hürden. Der Radverkehr muss auf diesen Straßen schon vor der Einrichtung der Fahrradstraßen “die vorherrschende Verkehrsart” sein oder es muss zu erwarten sein, dass er das wird. Das zu beweisen, ist bürokratisch aufwändig. Ein neues Bundesverkehrsministerium könnte da einiges vereinfachen und damit die Verkehrswende in unseren Städten beschleunigen.
Autor: Christof Schaffelder
Entwurf des Berliner Radverkehrsplanes
Dieser Text erschien in leicht veränderter Form zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe Nov. 2021
An ihren Taten soll man sie messen…
Das klingt doch vielversprechend.
Mal gucken wie die Umsetzung läuft.