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Gemeinschaftsgarten im Soldiner Kiez:
Prinzengarten auf sicherem Boden – für zwei Jahre

17. Juni 2022

Im Prin­zen­gar­ten im Sol­di­ner Kiez waren die Redner:innen am Frei­tag (10.6.) auf einen ver­ba­len Schlag­ab­tausch vor­be­rei­tet. Sie woll­ten für den Erhalt ihres von Bebau­ung bedroh­ten Gemein­schafts­gar­tens kämp­fen. Vie­le Argu­men­te wur­den ener­gisch vor den bei­den gela­de­nen Stadträt:innen vor­ge­tra­gen. Am Ende der Ver­an­stal­tung hing aber nicht Kon­fron­ta­ti­on, son­dern Erleich­te­rung über den Hoch­bee­ten: Schul­stadt­rä­tin Ste­fa­nie Rem­lin­ger zog die Bebau­ungs­plä­ne des Bezirks­amts zurück. Der Prin­zen­gar­ten ist vor­erst gerettet.

Ein Hochbeet im Prinzengarten. Foto: Andrei Schnell
Ein Hoch­beet im Prin­zen­gar­ten. Foto: And­rei Schnell

Das Pro­blem des Prin­zen­gar­tens sind die knap­per wer­den­den Platz­re­ser­ven in der Innen­stadt. Der Bezirk benö­tigt die Flä­che für die Char­lot­te-Pfef­fer-Schu­le, um einen modu­la­ren Erwei­te­rungs­bau (MEB) zu errich­ten. Die Bil­dungs­ein­rich­tung beschult Kin­der mit dem För­der­schwer­punkt geis­ti­ge Ent­wick­lung. Nach Plä­nen von Ste­fa­nie Rem­lin­gers Amts­vor­gän­ger Cars­ten Spal­lek soll­te die­ser modu­la­re Erwei­te­rungs­bau auf der bezirks­ei­ge­nen Flä­che neben der Wil­helm-Hauff-Grund­schu­le ent­ste­hen – wo auf 1500 Qua­drat­me­tern seit elf Jah­ren Bewohner:innen der Genos­sen­schaft PA58 und die Nach­bar­schaft in Hoch­bee­ten gärt­nern. Die Kün­di­gung für den Gar­ten erhielt der Prin­zen­gar­ten im Früh­jahr 2021, noch vor der Wahl im ver­gan­ge­nen Jahr und vor dem Amts­an­tritt der heu­te zustän­di­gen Stadt­rä­tin, die die Schul­pla­nung ihres Vor­gän­gers bereits mehr­fach scharf kri­ti­siert hat.

Michael Gröll vom Prinzengarten verlas Forderungen des Gemeinschaftsgartens. Foto: Andrei Schnell
Micha­el Gröll vom Prin­zen­gar­ten ver­las For­de­run­gen des Gemein­schafts­gar­tens. Foto: And­rei Schnell

Prinzengarten: Ein Ort für den Soldiner Kiez

Micha­el Gröll vom Prin­zen­gar­ten wies bei der öffent­li­chen Dis­kus­si­on mit Stadt­rä­tin Ste­fa­nie Rem­lin­ger (Schu­le) und Stadt­rat Ephra­im Gothe (Stadt­ent­wick­lung) zunächst auf die Bedeu­tung des Prin­zen­gar­tens hin. „Hier ist Frei­raum – für Kin­der, für älte­re Men­schen, der Gar­ten ist immer für alle zugäng­lich. Und es wird nicht nur gegärt­nert. Es gibt vie­le Ver­an­stal­tun­gen, Work­shops, auch Schul­klas­sen nut­zen den Gar­ten“, sag­te Micha­el Gröll. Einen Ort ohne Kon­kur­renz­ge­dan­ken, eine Art Frei­luft-Stadt­teil­zen­trum beschrieb er in sei­nen Worten. 

„Wir sind hier auch kos­ten­lo­se Street­wor­ker für die Stadt“, erklär­te er und unter­strich die beson­ders schwie­ri­ge Situa­ti­on im Sol­di­ner Kiez mit vie­len ein­kom­mens­schwa­chen Men­schen. Dar­über hin­aus sei das Kli­ma nicht zu ver­ges­sen. Der Prin­zen­gar­ten sei eine Kli­ma­b­rü­cke zwi­schen Pan­ke und Prin­zen­al­lee, er habe eine küh­len­de Wir­kung für den Kiez. „Unse­re Haupt­for­de­rung ist, den Gar­ten zu erhal­ten. Es muss ein alter­na­ti­ver Stand­ort für den Schul­erwei­te­r­un­s­bau gefun­den wer­den. Wir brau­chen eine muti­ge Poli­tik. Vor allem: Hän­de weg vom Prin­zen­gar­ten!“, ende­te er sei­ne enga­gier­te Rede.

Schulerweiterungsbau wird nicht gebaut

In der Sache hat­ten die Prinzengärtner:innen unmit­tel­bar nach dem Bei­trag vom Micha­el Gröll bereits ihr Ziel erreicht. Denn Ste­fa­nie Rem­lin­ger war mit einer für die Gärtner:innen guten Nach­richt in den Sol­di­ner Kiez gekom­men: „Ich habe das Pro­jekt von Anfang an kri­tisch gese­hen und ich kann ihnen sagen: wir wer­den die­ses MEB nicht bau­en“. Statt­des­sen ver­fol­ge sie das Ziel, die alte Schu­le in der Goten­bur­ger Stra­ße 7–9, in der heu­te Geflüch­te­te und Obdach­lo­se unter­ge­bracht wer­den, zurück­zu­ge­win­nen und als Schu­le zu reak­ti­vie­ren. „Aller­dings erst, wenn die Geflüch­te­ten ver­sorgt sind, wir wer­den sie nicht auf die Stra­ße set­zen“, sag­te die Stadt­rä­tin. Sie wies aber auch auf die schwie­ri­ge Lage des Bezirks hin, der drin­gend neue Schul­plät­ze schaf­fen müs­se, auch für die Geflüch­te­ten aus der Ukraine.

Mit dem für die Prinzengärtner:innen über­ra­schen­den Ent­ge­gen­kom­men des Bezirks ist der Gar­ten aber nicht für immer geret­tet. „Die­ses und nächs­tes Jahr kann hier wei­ter­ge­gärt­nert wer­den. Die Flä­che bleibt aber Vor­hal­te­flä­che für Schul­neu­bau. Ich hof­fe, dass wir die Flä­che nie brau­chen wer­den, aber ver­spre­chen kann ich es heu­te nicht“, sag­te Ste­fa­nie Rem­lin­ger. Soll­ten künf­tig wei­te­re Flä­chen am Schul­stand­ort neben­an benö­tigt wer­den, etwa für eine Erwei­te­rung der Men­sa, kön­ne der Prin­zen­gar­ten wie­der als Vor­hal­te­flä­che ins Gespräch kom­men. Für zumin­dest zwei Jah­re blei­be aber alles wie es ist.

Kein einziger gesicherter Gemeinschaftsgarten

Aufsteller an der Prinzenallee. Foto: Andrei Schnell

Das Pro­blem des Prin­zen­gar­tens ist kein Ein­zel­fall. Über­all in Ber­lin ent­ste­hen seit ein paar Jah­ren ver­mehrt Flä­chen­nut­zungs­kon­flik­te. So muss­te das Him­mel­beet in der Ruhe­platz­stra­ße einem Fuß­ball-Bil­dungs­zen­trum wei­chen, im Prenz­lau­er Berg muss zum Ende die­ser Sai­son der Per­ma­kul­tur­gar­ten „Peace of Land“ einer Schul­sport­hal­le Platz machen, die Lis­te lie­ße sich fort­set­zen. „Es gibt kei­nen ein­zi­gen dau­er­haft gesi­cher­ten Gemein­schafts­gar­ten in Ber­lin, kei­nen ein­zi­gen“, brach­te Kers­tin Stel­ma­cher vom Forum Stadt­gärt­nern Ber­lin das grund­sätz­li­che Pro­blem am Frei­tag auf den Punkt. „Wir müs­sen die Flä­chen ver­tei­di­gen und wir wol­len gemein­sam neu den­ken“, sag­te die Gar­ten­ak­ti­vis­tin. „Wir kämp­fen heu­te nicht mehr gegen fie­se Inves­to­ren, die die Gär­ten platt machen. Wir ste­hen plötz­lich gegen sozia­le Pro­jek­te. Wir dür­fen nicht gegen­ein­an­der antre­ten!“, sag­te Kers­tin Stel­ma­cher und lud das Bezirks­amt ein, gemein­sam zu über­le­gen und Lösun­gen für sozia­le und grü­ne Pro­jek­te zu finden.

Bei Bezirks­stadt­rä­tin Ste­fa­nie Rem­lin­ger stieß die­se Auf­for­de­rung zu einer koope­ra­ti­ven Her­an­ge­hens­wei­se offen­bar auf offe­ne Ohren. „Ich kann jede Hil­fe gebrau­chen! Las­sen Sie uns gemein­sam über­le­gen“, sag­te sie. Die (Platz-) Pro­ble­me der Schu­len müs­se man ernst neh­men, aber bei­spiels­wei­se Schul­gär­ten in Zukunft für die Nach­bar­schaft zum Gärt­nern zu öff­nen, das kön­ne sie sich gut vorstellen.

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

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