Im Prinzengarten im Soldiner Kiez waren die Redner:innen am Freitag (10.6.) auf einen verbalen Schlagabtausch vorbereitet. Sie wollten für den Erhalt ihres von Bebauung bedrohten Gemeinschaftsgartens kämpfen. Viele Argumente wurden energisch vor den beiden geladenen Stadträt:innen vorgetragen. Am Ende der Veranstaltung hing aber nicht Konfrontation, sondern Erleichterung über den Hochbeeten: Schulstadträtin Stefanie Remlinger zog die Bebauungspläne des Bezirksamts zurück. Der Prinzengarten ist vorerst gerettet.
Das Problem des Prinzengartens sind die knapper werdenden Platzreserven in der Innenstadt. Der Bezirk benötigt die Fläche für die Charlotte-Pfeffer-Schule, um einen modularen Erweiterungsbau (MEB) zu errichten. Die Bildungseinrichtung beschult Kinder mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Nach Plänen von Stefanie Remlingers Amtsvorgänger Carsten Spallek sollte dieser modulare Erweiterungsbau auf der bezirkseigenen Fläche neben der Wilhelm-Hauff-Grundschule entstehen – wo auf 1500 Quadratmetern seit elf Jahren Bewohner:innen der Genossenschaft PA58 und die Nachbarschaft in Hochbeeten gärtnern. Die Kündigung für den Garten erhielt der Prinzengarten im Frühjahr 2021, noch vor der Wahl im vergangenen Jahr und vor dem Amtsantritt der heute zuständigen Stadträtin, die die Schulplanung ihres Vorgängers bereits mehrfach scharf kritisiert hat.
Prinzengarten: Ein Ort für den Soldiner Kiez
Michael Gröll vom Prinzengarten wies bei der öffentlichen Diskussion mit Stadträtin Stefanie Remlinger (Schule) und Stadtrat Ephraim Gothe (Stadtentwicklung) zunächst auf die Bedeutung des Prinzengartens hin. „Hier ist Freiraum – für Kinder, für ältere Menschen, der Garten ist immer für alle zugänglich. Und es wird nicht nur gegärtnert. Es gibt viele Veranstaltungen, Workshops, auch Schulklassen nutzen den Garten“, sagte Michael Gröll. Einen Ort ohne Konkurrenzgedanken, eine Art Freiluft-Stadtteilzentrum beschrieb er in seinen Worten.
„Wir sind hier auch kostenlose Streetworker für die Stadt“, erklärte er und unterstrich die besonders schwierige Situation im Soldiner Kiez mit vielen einkommensschwachen Menschen. Darüber hinaus sei das Klima nicht zu vergessen. Der Prinzengarten sei eine Klimabrücke zwischen Panke und Prinzenallee, er habe eine kühlende Wirkung für den Kiez. „Unsere Hauptforderung ist, den Garten zu erhalten. Es muss ein alternativer Standort für den Schulerweiterunsbau gefunden werden. Wir brauchen eine mutige Politik. Vor allem: Hände weg vom Prinzengarten!“, endete er seine engagierte Rede.
Schulerweiterungsbau wird nicht gebaut
In der Sache hatten die Prinzengärtner:innen unmittelbar nach dem Beitrag vom Michael Gröll bereits ihr Ziel erreicht. Denn Stefanie Remlinger war mit einer für die Gärtner:innen guten Nachricht in den Soldiner Kiez gekommen: „Ich habe das Projekt von Anfang an kritisch gesehen und ich kann ihnen sagen: wir werden dieses MEB nicht bauen“. Stattdessen verfolge sie das Ziel, die alte Schule in der Gotenburger Straße 7–9, in der heute Geflüchtete und Obdachlose untergebracht werden, zurückzugewinnen und als Schule zu reaktivieren. „Allerdings erst, wenn die Geflüchteten versorgt sind, wir werden sie nicht auf die Straße setzen“, sagte die Stadträtin. Sie wies aber auch auf die schwierige Lage des Bezirks hin, der dringend neue Schulplätze schaffen müsse, auch für die Geflüchteten aus der Ukraine.
Mit dem für die Prinzengärtner:innen überraschenden Entgegenkommen des Bezirks ist der Garten aber nicht für immer gerettet. „Dieses und nächstes Jahr kann hier weitergegärtnert werden. Die Fläche bleibt aber Vorhaltefläche für Schulneubau. Ich hoffe, dass wir die Fläche nie brauchen werden, aber versprechen kann ich es heute nicht“, sagte Stefanie Remlinger. Sollten künftig weitere Flächen am Schulstandort nebenan benötigt werden, etwa für eine Erweiterung der Mensa, könne der Prinzengarten wieder als Vorhaltefläche ins Gespräch kommen. Für zumindest zwei Jahre bleibe aber alles wie es ist.
Kein einziger gesicherter Gemeinschaftsgarten
Das Problem des Prinzengartens ist kein Einzelfall. Überall in Berlin entstehen seit ein paar Jahren vermehrt Flächennutzungskonflikte. So musste das Himmelbeet in der Ruheplatzstraße einem Fußball-Bildungszentrum weichen, im Prenzlauer Berg muss zum Ende dieser Saison der Permakulturgarten „Peace of Land“ einer Schulsporthalle Platz machen, die Liste ließe sich fortsetzen. „Es gibt keinen einzigen dauerhaft gesicherten Gemeinschaftsgarten in Berlin, keinen einzigen“, brachte Kerstin Stelmacher vom Forum Stadtgärtnern Berlin das grundsätzliche Problem am Freitag auf den Punkt. „Wir müssen die Flächen verteidigen und wir wollen gemeinsam neu denken“, sagte die Gartenaktivistin. „Wir kämpfen heute nicht mehr gegen fiese Investoren, die die Gärten platt machen. Wir stehen plötzlich gegen soziale Projekte. Wir dürfen nicht gegeneinander antreten!“, sagte Kerstin Stelmacher und lud das Bezirksamt ein, gemeinsam zu überlegen und Lösungen für soziale und grüne Projekte zu finden.
Bei Bezirksstadträtin Stefanie Remlinger stieß diese Aufforderung zu einer kooperativen Herangehensweise offenbar auf offene Ohren. „Ich kann jede Hilfe gebrauchen! Lassen Sie uns gemeinsam überlegen“, sagte sie. Die (Platz-) Probleme der Schulen müsse man ernst nehmen, aber beispielsweise Schulgärten in Zukunft für die Nachbarschaft zum Gärtnern zu öffnen, das könne sie sich gut vorstellen.