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prime time: Wie es wurde, was es ist

28. Januar 2019
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Oli­ver Tau­to­rat hat sich nach einer Vor­stel­lung eigens die Zeit für ein Gespräch mit dem Wed­ding­wei­ser genom­men. Es ist jetzt genau 15 Jah­re her, dass das Prime­Time-Thea­ter gestar­tet ist. Dass es vor allem mit der Thea­ter-Soap „Gutes Wed­ding Schlech­tes Wed­ding“ (GWSW) so erfolg­reich wer­den wür­de, konn­te kei­ner ahnen, als maxi­mal 30 Zuschau­er in einem Laden­lo­kal im Sol­di­ner Kiez bei der ers­ten Fol­ge dabei waren. Auf der Büh­ne: Con­stan­ze Beh­rends als Ayse und Nico­le, Oli­ver Tau­to­rat als Murat und Mah­mud. Die Mit­grün­de­rin und lang­jäh­ri­ge Autorin der Fol­gen ist inzwi­schen nicht mehr dabei, und so erin­nert sich der heu­ti­ge Thea­ter­chef Tau­to­rat für uns, wie alles ange­fan­gen hat.

Es fing ganz klein an 

„Ich bin aus Mün­chen gleich in den Wed­ding gezo­gen und habe in Ber­lin nir­gend­wo anders gewohnt“, sagt der 45-Jäh­ri­ge. Die­ser Stadt­teíl ist für den gebür­ti­gen Würz­bur­ger, der als Kind unend­lich oft umge­zo­gen war, der Ort, nach dem er sich gesehnt hat: „Rau, rot­zig, aber vor allem, wo es alles zu essen gibt, was ich ger­ne mag“, meint er schmun­zelnd. Und doch ist die Idee für das Thea­ter in Pan­kow ent­stan­den, wo die bei­den Schau­spie­ler Beh­rends und Tau­to­rat einen „Kurz­film­abend zur Prime-Time“ ver­an­stal­tet haben. Auch der Spiel­ort in der Frei­en­wal­der Stra­ße war eigent­lich als Pro­be­büh­ne für ein ande­res Thea­ter­pro­jekt gedacht. Die ers­te Fol­ge dau­er­te nur eine hal­be Stun­de, und stän­dig muss­te man sich umzie­hen. Zum Glück war Sau­re­gur­ken­zeit, als „GWSW“ im Janu­ar 2004 star­te­te, und die Pres­se sprang begeis­tert dar­auf an. Es kamen also vie­le Din­ge zusam­men, die die­se Wed­din­ger Geschich­te mit inzwi­schen 120 Epi­so­den einen Erfolg wer­den ließen.

“Die, die sonst nie ins Theater gehen”

Der Spiel­ort wan­der­te zur Oslo­er Stra­ße, spä­ter an die Mül­lerstra­ße und zuletzt in die Burg­s­dorf­stra­ße. Trotz aller Ver­än­de­run­gen sind ein paar Din­ge gleich geblie­ben. „Ich habe schon immer die Abend­kas­se und das Warm-up gemacht, am liebs­ten in den Rol­len des Mah­mud oder des Post­bo­ten Kal­le“, erzählt Tau­to­rat. „Ich muss ein­fach den Kon­takt zum Publi­kum haben und die Betriebs­tem­pe­ra­tur des Abends mes­sen“. Denn sich auf die Gäs­te des jewei­li­gen Abends ein­zu­stel­len, ent­spre­chend zu impro­vi­sie­ren und die Leu­te da abzu­ho­len, wo sie sind, ist für Tau­to­rat das Wich­tigs­te, um die Men­schen spä­ter zum Lachen zu brin­gen. Die vie­len Stamm­gäs­te – einer kommt jede Woche – und die neu­en Besu­cher wis­sen, dass die Schau­spie­ler, die Atmo­sphä­re und die Geschich­ten nie­mals völ­lig neben dem Nerv der Stadt lie­gen. Im Lau­fe der Zeit wur­den Ein­spiel­fil­me immer wich­ti­ger, gan­ze Hand­lungs­strän­ge wer­den so ein­ge­baut. Nur Live-Musik gab es, bis auf die aktu­el­le Ham­let-Insze­nie­rung, noch nie. Das alles funk­tio­niert noch immer wie ein gro­ßer Kin­der­ge­burts­tag, bei dem alle Alters­grup­pen glei­cher­ma­ßen Spaß haben. „Wir lot­sen vie­le Men­schen zu uns, die sonst nie ins Thea­ter gehen wür­den“, ist sich der Thea­ter­chef sicher. Ihm macht es Spaß, den quietsch­bun­ten Spiel­ort mit sei­nen knap­pen Res­sour­cen zu mana­gen und allein schon des­halb die Publi­kums­bin­dung immer wie­der neu zu erobern.

Bei der staat­li­chen Schau­spiel­prü­fung sag­te man Tau­to­rat, er sei „ein sel­te­nes Exem­plar von Pro­le­ta­ri­at auf der Büh­ne“. Das emp­fin­det er als Rit­ter­schlag. Dafür schlüpft er in alte und neue Rol­len: „Mah­mud spricht wie vie­le süd­län­di­sche Freun­de aus mei­ner Schul­zeit, den Slang habe ich damals per­ma­nent um mich her­um gehabt“, sagt Tau­to­rat. Er spielt das so über­zeu­gend, dass vie­le Tür­ken ihn für einen Lands­mann hal­ten – dabei ist er Deutsch-Grie­che. Doch Kal­le, der schnodd­rig-char­man­te, ber­li­nern­de Post­bo­te mit Vokuh­i­la-Fri­sur, ist Tau­to­rats wich­tigs­te Rol­le. „Wenn ich so dar­über nach­den­ke, ist er fast so etwas wie mein Alter ego“,findet er. Das Thea­ter-Aus­hän­ge­schild Kal­le habe Sei­ten, die er bei sich gar nicht mehr auslebe.

15 Jahre nah am Publikum

Das ein­zig­ar­ti­ge For­mat der Thea­ter-Soap, bei der bis heu­te gut 30 Schau­spie­ler in unzäh­li­ge Rol­len geschlüpft sind, wird ab 2019 wie­der nur von einem Autoren geschrie­ben, die Regie bleibt eben­falls in einer Hand. Wer es im prime time Thea­ter zum Schau­spie­ler gebracht hat, muss­te sich ganz klas­sisch bewer­ben, ein Video mit bestimm­ten Vor­ga­ben ein­schi­cken und bei einem Live-Cas­ting über­zeu­gen. „Die Aus­bil­dung ist nicht so wich­tig, für mich zäh­len viel­mehr Erfah­rung, komi­sches Talent und Ensem­ble­geist“, so beschreibt Tau­to­rat die hohen Anfor­de­run­gen. Nach wie vor gilt es, ein mög­lichst brei­tes Publi­kum an sich zu bin­den, denn das Thea­ter braucht eine sehr hohe Aus­las­tung, um über­le­ben zu kön­nen. Denn so leicht­fü­ßig wie das Spiel mit den Kli­schees erscheint, ist es im har­ten Pflas­ter Wed­ding dann eben doch nicht.

seit 10. Janu­ar läuft die Jubi­lä­ums­fol­ge “15 Jah­re GWSW”

prime time Thea­ter, Mül­lerstr. 163 Ecke Burgsdorfstr. 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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