Das ist kein Glückstag für die Spielhallenbetreiber im Wedding gewesen. Eben noch klingelte es lustig in der Kasse, als es plötzlich an der Tür klingelte und Spielverderber in Uniform und in Zivil den Casinoinhabern etwas genauer auf die Finger schauen wollten. Zwischen Donnerstag, dem 2. November, 14 Uhr und Freitag, dem 3. November, 23 Uhr wurden 14 so genannte “Betriebsstätten” in Mitte durchsucht. Die meisten davon im Wedding. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) zeigte sich zufrieden mit der Aktion. In diesem Beitrag steht, was genau geschah und unten folgt der Kommentar.
“Herzlichen Dank an alle Einsatzkräfte für die gute und wichtige Zusammenarbeit und den wertvollen Beitrag zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung”, sagte von Dassel nach dem Einsatz. An dem waren die Berliner Polizei, das Landeskriminalamt, das Ordnungsamt, die Berliner Feuerwehr und sogar das Finanzamt beteiligt. Bei dem “Verbundeinsatz” seien 60 gewerberechtliche Verstöße notiert worden. Zudem konnten mehrere Strafverfahren wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Urkundenfälschung eingeleitet werden, wie der Bürgermeister mitteilte. Mit anderen Worten: Der Jackpot ging dieses Mal an die Bußgeldstelle des Bezirks. Und immerhin: Ein Lokal sei aufgrund eines Drogenfundes sofort geschlossen worden.
Bei dem Lokal handelte es sich offenbar nicht um eine Spielhalle. Die Polizei antwortete auf Anfrage des Weddingweisers, dass nicht genügend Beweise gefunden worden seien, um eine Spielhalle schließen zu können. “Bei den durchgeführten Kontrollen konnten keine ‘Erfolge’ im Sinne von ‘Auffinden von Beweismitteln’ erzielt werden. Zu Schließungen einzelner Spielhallen im Wedding aufgrund der durchgeführten Kontrollen kam es demnach nicht.”
Bei dem Großeinsatz wurden 14 Casinos, aber auch Spielcafés, Wettbüros und Shisha-Bars im gesamten Bezirk Mitte durchsucht. Zum Vergleich: Im Wedding wurden im ganzen Jahr 2017 elf Spielhallen durch das Landeskriminalamt Direktion 33 sucht.
Zuvor gab es in anderen Bezirken bereits ähnliche gemeinsame Einsätze mehrerer Behörden und Ämter. Schon am 26. Oktober teilte die Polizei mit, dass “in einer gemeinsamen Aktion des Landeskriminalamtes Berlin zusammen mit Finanzbehörden und Ordnungsämtern” mehrere Spielhallen in Mitte, Spandau, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf kontrolliert wurden. Bei dieser Aktion wurden 28 Gaststätten, Spielhallen, Wettbüros sowie Café-Casinos durchsucht. Im Ergebnis wurden unter anderem 100.000 Euro Bußgeld verhängt und eine hohe Summe an Vergnügungssteuern nachgefordert.
Seit Jahren bemüht sich Berlin, die Zahl der Casinos zu senken. Zum 31. Dezember 2015 gab es in Mitte 138 Spielstätten mit 1069 Automaten. Aktuell ist die Zahl etwas gesunken. 123 Casinos nehmen derzeit an einer “Auslosung” teil. Denn per Losentscheid wird festgelegt, welche Spielhallen zukünftig legal weiterbetrieben werden können. Wieviele von ihnen dieses “große Los” ziehen werden und ihre Kunden legal nach dem Spielhallengesetz abzocken dürfen, das ist bislang noch ungewiss.
Kommentar: Neues Spiel – Schließung per Durchsuchung
Betreiber von Glückspiel-Etablissements und der Bezirk liegen seit Jahren im Clinch. Theoretisch gelten seit August 2016 die Vorschriften eines zuvor verschärften Spielhallengesetzes. Das klare Ziel: Die Schwemme der Spielhöllen einzudämmen. Der Trick: Das Gesetz verlangt, dass zwischen zwei Casinos ein Absand von 500 Metern eingehalten werden muss. Auch dürfen sich in ihrer Nähe keine Jugendeinrichtungen befinden. Im Wedding ist die Dichte an Spielsalons allerdings so hoch, dass in manchen Straßen zwei oder mehr Spielläden direkt nebeneinander stehen. Das ist klar ungesetzlich und müsste zur Schließung von Spielstätten führen. Doch die Betreiber ziehen alle rechtlichen Register und Mittel.
Einen lachenden Dritten gibt es bei diesem Streit nicht. Die Dritten, das sind die Spieler, die allzu oft ihren letzten Cent zur Zockerbude tragen. Die Abteilung Gewerbe- und Gaststättenangelegenheiten des Ordnungsamtes kommt gegen die Spielhallenszene nur mühsam voran. Gerade einmal 18 Schließungen wurden bisher angeordnet. Doch nur fünf davon mussten wirklich dicht machen. Gegen die Bescheide des Amtes legen die Spielhallenbetreiber prompt rechtlichen Widerspruch ein; denn jeder Tag zählt und macht reich.
Nun greift das Bezirksamt in dem verbissenen Streit offenbar zu härteren Bandagen. Die Polizei soll nun durchsuchen und dabei Dinge finden, die zu Bußgeldern führen. Ob dieses neue Spiel dem Bezirksamt Glück bringt, muss sich zeigen. Das neue Spiel heißt: Schließung per Durchsuchung. Werden sich massenhaft Casinos zurückziehen, weil ihnen Bußgelder wegen Verstoß gegen die “Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (SpielV)” und wegen Verstoß gegen die Gewerbeordnung drohen? Lässt sich so der rollende Rubel in diesem nicht sehr menschenfreundlichen Gewerbe ausbremsen? Im Interesse der Spielsüchtigen wäre es zu hoffen, dass das Armdrücken mit allen Finessen zwischen den Betreibern und dem Amt zugunsten des Bezirkes ausgeht.
Text: Andrei Schnell, Foto oben: Fl, Fotos: Andrei Schnell
“Immerhin war es Ziel des Landes Berlin die Spielhallen zu reduzieren und nicht mit Ordnungswidrigkeiten zu nerven.”
Soll man also den festgestellten Ordnungswidrigkeiten gegenüber einfach die Augen verschließen, weil die Casinos ja eh alle bald geschlossen werden? Da wäre ganz schnell der Aufschrei da, dass der Staat seinen Pflichten nciht nachkommt. Und ich persönöich bin von Durchsuchungen in Spielhallen nicht genervt – Sie etwa? Bestehen evtl. doch Connections zwischen Ihnen und der Spielhallenindustrie?
Danke für eure spannenden Artikel! Meine Verbundenheit zum Wedding wächst Monat für Monat.
Obwohl ich hier nur für ein Paar Jahre leben wollte.
Thx.
Das mit dem “nur ein paar Jahre” geht hier wohl fast jedem so… 🙂
Guter Kommentar von der Falko, dem ich zustimme, dennoch ein sehr guter Artikel. Danke für eure Berichterstattung!
Der Kommentar hinterlässt bei mir einen fragwürdigen Eindruck. Offenbar sieht der Kommentator den Einsatz als reine Ersatzmaßnahme, mit dem der Bezirk “renitente” Casinobeteiber “schinkanieren” wolle, um so die Schließung der Spielstätten durchzusetzen. Der Einsatz also als reines Mittel zum Zweck, während der Bezirk eigentlich eine ganz “hidden agenda” verfolgt? Das halte ich ehrlich gesagt für unlautere Meinungsmache. Immerhin sind “gewerberechtliche Verstöße, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Urkundenfälschung” festgestellt worden – das allein wäre Grund genug für das Vorgehen gegen die Spielhallenbetreiber, oder nicht? Zumal auch die geplanten Schließungen kein Selbstzweck sind, sondern ebenfalls o.g. Verstöße eindämmen sollen. In meinen Augen sind also Schließungen einerseits und Durchsuchungen andererseits nru zwei unterschiedliche Methoden, die demselben Zweck dienen sollen…
Die Argumentation ist ähnlich wie die eines Autofahrers, der wegen Überfahrens einer roten Ampel angehalten und kontrolliert wird und bei dem dann auch noch Alkohol am Steuer festgestellt wird. Der würde sich auch darüber aufregen, dass die Kontrolle reine Schikane war – dass er die selber mit seinem Fehlverhalten verursacht hat, nimmt er nicht zur Kenntnis.
Immerhin ist die Meinungsmache vom Zahlenteil getrennt. Und das Wort Kommentar weist daraufhin, dass bloß Meinung verbreitet wird – Beim Autofahrer würde ich mir wünschen, dass er wegen Rot UND wegen Alkohol mit Bußgeld belegt wird. Nicht so prima wäre es, wenn er ausschließlich wegen des Alkohols belangt würde, weil es zu schwierig war, das Bußgeld wegen der roten Ampel durchzusetzen. Immerhin war es Ziel des Landes Berlin die Spielhallen zu reduzieren und nicht mit Ordnungswidrigkeiten zu nerven.
Dass das Ganze ein Kommentar ist, habe ich schon verstanden, danke. Ich finde halt den Schluss, der in dem Kommentarteil gezogen wird, fragwürdig. Wieso muss hier eine Verbindung zwischen der Schließungsabsicht und der Durchsuchung konstruiert werden? Damit werden zwei staatliche Aktionen vermengt, die nichts miteinander zu tun haben müssen. Der Bezirk will die Casinodichte senken – das ist eine wirtschaftspolitische Absicht, gegen die nicht einzuwenden ist (siehe die Formulierung im Kommentar vom “nicht sehr menschenfreundlichen Gewerbe”). Hingegen setzen Polizei und Ordnungsamt einfach Rcht und Gesetz um – auch etwas, wogegen der Normalbürger nichts einzuwenden haben sollte. Wieso wird dann hier eine fiktive Verbindung hergestellt, die staatliches Handeln diskreditieren soll? Ich halte die Staatsfeindlichkeit, die hier zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommt, für unangebracht – dem Thema nicht angemessen und auch grundsätzlich bedenklich.
Der Bezirk hat sich viel vorgenommen. Offenbar ist die Durchsetzung der ambitionierten Regelungen aber schwieriger als erhofft. So sind die Razzien zwar sinnvoll und richtig, aber eben auch ein etwas hilfloser Versuch, dem Problem doch irgendwie Herr zu werden. Darauf kann man ruhig schon mal hinweisen, finde ich.