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Umweltgeschichte:
Als der Plötzensee beinah erstickte

15. März 2023
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Der Plöt­zen­see ist für vie­le Men­schen im Wed­ding und Gesund­brun­nen ein Lieb­lings­ort und gleich­zei­tig ein Sor­gen­kind. Gibt heu­te der Zustand der Ufer Anlass zu Sor­gen, so war es vor 25 Jah­ren der Zustand des Was­sers. Am 9. Sep­tem­ber 1992 erklär­te das Ber­li­ner Fische­rei­amt in einer gro­ßen Zei­tung, dass Faul­schlamm zum Umkip­pen des Plöt­zen­sees geführt hat. Umkip­pen soll an die­ser Stel­le hei­ßen, dass der Sau­er­stoff­ge­halt extrem abge­sun­ken war.

„Auf­grund ungüns­ti­ger Umstän­de ist der Sau­er­stoff­ge­halt im Was­ser unter 2 mg pro Liter und somit unter den Bedarf der dort leben­den Fische gesun­ken‟, erklärt das Pres­se­team des Bezirks heu­te die dama­li­ge Situa­ti­on. Die ungüns­ti­gen Umstän­de bezie­hen sich auf einen Sturm, durch den Abla­ge­run­gen vom See­grund auf­ge­wir­belt wor­den waren. Dabei ver­teil­ten sich orga­ni­sche Stof­fe, bei deren natür­li­chem Abbau Sau­er­stoff ver­braucht wird.

Natur­kund­li­che Tafel

Die Lösung? Zunächst ging es mit klei­ne­ren Schrit­ten los: „Von cir­ca Janu­ar bis April 1993 erfolg­ten ver­schie­de­ne was­ser­bau­li­che und land­schafts­pfle­ge­ri­sche Sanie­rungs­ar­bei­ten in Teil­be­rei­chen des nord­öst­li­chen Ufers‟, heißt es vom Bezirks­amt. Die klei­nen Maß­nah­men reich­ten offen­kun­dig nicht aus, sodass offi­zi­ell eine „kri­ti­sche Situa­ti­on‟ fest­ge­stellt wur­de und der Ber­li­ner Senat eine Sau­er­stoff­an­rei­che­rung ver­an­lass­te. Das Tech­ni­sche Hilfs­werk und ein Unter­neh­men pump­ten mit Sau­er­stoff ver­setz­tes See­was­ser in den Plöt­zen­see. Das brach­te zwar eini­gen Erfolg, die O2-Sät­ti­gung stieg auf 4,6 mg pro Liter. Doch ein öko­lo­gisch akzep­ta­bler Zustand war noch immer nicht erreicht. 

Des­halb ent­schie­den sich die Behör­den zu Groß­maß­nah­me Ent­schlam­mung. „Von Mit­te 1997 (Pro­be­be­trieb) bis 1999 wur­de dann im Auf­trag der Senats­ver­wal­tung eine Ent­schlam­mung im Saug­spül­ver­fah­ren inklu­si­ve Auf­be­rei­tung des aus dem Schlamm ent­zo­ge­nen Was­sers (exter­ne Phos­ph­ateli­mi­nie­rung mit Eisen­chlo­rid) vor­ge­nom­men‟, berich­tet die Pres­se­stel­le des Bezirks heu­te. Die beauf­trag­ten Fir­men ent­fern­ten 60.000 Kubik­me­ter Schlamm, der in ein Kom­pos­tie­rungs­werk in Bran­den­burg abtrans­por­tiert wur­de. Als Hil­fe­stel­lung zur Vor­stel­lung: Ein Wür­fel mit einer Kan­ten­län­ge von 40 Metern ent­spricht 60.000 Kubik­me­tern. Eine Fol­ge der Ent­schlam­mung war, dass die Grö­ße des Sees leicht, aber mess­bar zurück­ging. Eine Stu­den­ten­ar­beit aus dem Jahr 2003 zieht eine nüch­ter­ne Bilanz: „Die Wir­kung blieb uner­war­tet gering‟. Die Stu­den­ten Ele­na Ditt­mann, Flo­ri­an König und Phil­ipp Voigt ver­mu­ten, dass ledig­lich „Zwi­schen­schich­ten‟ abge­saugt wur­den und nicht die „jüngs­ten Sedi­men­te, die in direk­tem Aus­tausch mit dem Tie­fen­was­ser ste­hen‟. Die Kos­ten sol­len umge­rech­net 1,8 Mil­lio­nen Euro betra­gen haben. Übri­gens war der Plöt­zen­see nicht der ein­zi­ge See, der ent­schlammt wur­de. In einem Zei­tungs­be­richt vom 14. August 2000 heißt es, dass Ber­lin auch den Klei­nen Müg­gel­see, den Liet­zen­see, den Wuh­le­see, den Gru­ne­wald­see und den Hun­de­keh­le­see ent­schlammt hat. 

Als vor­läu­fig letz­ten Schritt nennt der Bezirk rück­bli­ckend eine „see­inter­ne Sedi­ment­be­hand­lung mit Eisen­oxid­hy­drat sowie Nitrat‟ im Herbst 2000. Und im Jahr 2001 wur­de die „fische­rei­li­che Bewirt­schaf­tung‟ beschränkt.

Bleibt zu hof­fen, dass alle Men­schen künf­tig mit dem Plöt­zen­see sorg­sam umge­hen, damit sol­cher Auf­wand nicht mehr nötig wird.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

5 Comments

  1. Ich kann mich noch erin­nern, dass auch der Liet­zen­see in den 1980ern fast erstick­te und es
    mei­len­weit nach fau­lem Fisch ge“rochen” hat. -
    Vie­le Seen, nicht nur Plöt­zen­see und Liet­zen­see wur­den wie­der hergestellt.

  2. „…. das alle Men­schen künf­tig mit dem Plöt­zen­see sorg­sam umgehen….“
    Ange­sichts der aktu­el­len Besu­cher-/Schwim­mer­struk­tur ist kei­nes­falls davon aus­zu­ge­hen, dass sich die­ser „from­me Wunsch“ erfüllt!

    • Für den See macht es kei­nen Unter­schied von wel­cher Sei­te die Leu­te rein­ge­hen oder ob sie Ein­tritt bezahlen.
      Die­se Dis­kus­si­on ist heuchlerisch.
      Statt irgend­wel­cher Ver­bots- Image­kam­pa­gnen soll­te die Stadt lie­ber in 4 – 6 neue Zugän­ge zum Was­ser und an den Zäu­nen vor­bei inves­tie­ren, die klei­ner als der Stein­gar­ten sind, so dass Park­be­su­cher über die gan­ze Stre­cke ein­fach zum Was­ser kön­nen, ohne jedes­mal über Zäu­ne zu klet­tern. Wenn man jedes mal über den Zaun zum Was­ser muss legen sich die Leu­te doch viel eher zwi­schen die Büsche, was auch Schmutz­fin­ke anzieht. Obwohl der Ufer­be­reich eigent­lich auch von Vie­len sau­ber gehal­ten wird. Platz ist da aber man kann die Wie­sen attrak­ti­ver machen!
      Wenn man wirk­lich prak­ti­ka­bel an die Sache her­an­ge­hen will ist die Erreich­bar­keit von Toi­let­ten über die Stre­cke hin­weg auch nicht zu ver­nach­läs­si­gen ‑Harn­säu­re neben Hot­ze führt zu Cya­no­bak­te­ri­en, die den See gegen Ende des Som­mers lei­der oft zum gesund­heits­ri­si­ko machen.
      Es ist ein­fach die Sum­me und die­se Klas­si­zis­ti­sche Betrach­tung; nur wer zahlt soll in den see pin­keln dür­fen! geht doch total an den rea­len Pro­ble­men vor­bei, die man prak­tisch­lö­sen könnte.

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