Mastodon

BVV-Sitzung:
Platzordnung: Ja oder nein?

21. Februar 2022

Bei der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung am 17. Febru­ar benö­tig­ten die Ver­ord­ne­ten Kon­zen­tra­ti­on bis zum Schluss. Als letz­ter Tages­ord­nungs­punkt kurz vor 23 Uhr kam ein Antrag der CDU auf den Tisch. Der for­dert, der Bezirk möge Platz­ord­nun­gen erar­bei­ten, “ähn­lich gestal­tet wie auf dem Wed­din­ger Rat­haus­vor­platz”. Und wie beim Ver­kehr, ist auch beim The­ma Ord­nung eine auf­ge­reg­te Dis­kus­si­on immer gewiss. Die Ver­ord­ne­ten ergrif­fen kurz vor Fei­er­abend noch ein­mal über fast alle Par­tei­en hin­weg das Wort. 

Der Weddingweiser berichtet aus der BVV
Der Wed­ding­wei­ser berich­tet aus der BVV

Begrif­fe wie “Angst­räu­me iden­ti­fi­zie­ren”, “Alko­hol­miss­brauch” und “Dro­gen­kon­sum” ließ die Ver­ord­ne­ten nicht kalt. Als ers­tes mel­de­te sich Rüdi­ger Löt­zer von den Lin­ken zu Wort. Und griff statt der CDU erst ein­mal den Bür­ger­meis­ter an: “Der CDU-Antrag zeigt die fata­len Fol­gen von Ste­phan von Das­sels Schild auf dem Rat­haus­platz”. Nun sehe man, wohin das füh­ren kann, so der Lin­ke. Er spricht von Ver­ach­tung mar­gi­na­li­sier­ter Grup­pen und dass man­che neben einer Platz­ord­nung die Poli­zei an jeder Ecke gleich mit dabei haben wollten.

Auch Lucie Schrö­der von Grü­nen ist empört: “Es han­delt sich um einen popu­lis­ti­schen Antrag, um Grup­pen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len.” Sie sagt, kri­mi­na­li­sie­ren­de Bil­der wür­den ver­schärft und Pro­blem ver­scho­ben. Platz­ord­nun­gen ver­bö­ten sich von selbst, da öffent­li­che Plät­ze von jedem zu nut­zen sein müssten.

Der von Rüdi­ger Löt­zer ange­grif­fe­ne Bezirks­bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel wies dar­auf hin, dass die von der CDU als Vor­bild ange­spro­che­ne Platz­ord­nung des Rat­haus­plat­zes auf ein weit­räu­mi­ges Kon­zept zurück­ge­he. Er spricht von einem Gesamt­kon­zept mit Leo­pold­platz und Zep­pe­lin­platz. Die Platz­ord­nung sei unter Mit­ar­beit vie­ler Akteu­re ent­stan­den und fol­ge aus dem Gesamtkonzept.

Für die CDU ver­tei­dig­te Ben­ja­min Fritz den Antrag genüß­lich: “Die von Ihnen, Herr Löt­zer, ange­spro­che­nen Plät­ze Leo­pold­platz, Alex­an­der­platz und Mag­de­bur­ger Platz strah­len nicht nur pure Sicher­heit aus”. Er wol­le, dass Anwoh­ner, Kin­der und Tou­ris­ten sich sicher bewe­gen könn­ten. “Die Räu­me sol­len für die Bevöl­ke­rung wie­der zugäng­lich gemacht werden.”

Auch die FDP, mit vier Ver­ord­ne­ten eine klei­ne Frak­ti­on, klink­te sich in die Debat­te ein. Bas­ti­an Roet sag­te: “Wir leben alle das libe­ra­le Lebens­ge­fühl, dass es in Ber­lin ein biss­chen rot­zi­ger ist, damit kön­nen wir gut leben. Aber wann ist die, ich sage mal Rau­heit, über­schrit­ten?” Der Bezirk sol­le eine Wen­de ein­lei­ten, man müs­se dem Abstieg man­cher Plät­ze nicht taten­los zuse­hen. “Ich wün­sche mir nicht an jeder Stel­le eine Poli­zei­sta­ti­on, son­dern Maß­nah­men, die Poli­zei unnö­tig machen.” Die eigent­li­che Dis­kus­si­on sei, wie man ver­hin­de­re, Din­ge zu lan­ge lau­fen zu las­sen wie zum Bei­spiel beim James Simon Park.

Erik Haa­se von der SPD setz­te dann noch mal einen Nadel­stich: “Herr Fritz, ich habe den Ein­druck, Ste­glitz-Zehlen­dorf wäre der bes­se­re Bezirk für Sie, wir leben aber in Mit­te.” Der Leo­pold­platz ohne Platz­ord­nung sei ein gutes Bei­spiel, wie es ohne Hun­dert­schaft der Poli­zei gehe. “Ich bin gegen ein Schild, das ist in Ber­lin Quatsch.”

Der Antrag der CDU wur­de mit der Mehr­heit von Grü­ne, SPD und Lin­ke abge­lehnt. CDU und FDP stimm­ten dafür, aber unter­la­gen mit 37 zu 11 (eine Enthaltung).

Begrün­det hat die CDU ihren Antrag 0181/VI mit Hin­weis auf das Job­Cen­ter: “Das posi­ti­ve Bei­spiel der sicht­ba­ren Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on des Rat­haus­vor­plat­zes, zuletzt bestä­tigt durch das Schrei­ben des Geschäfts­füh­rers des Job­cen­ters Mit­te, belegt die Not­wen­dig­keit der kla­ren For­mu­lie­rung und Durch­set­zung von Regeln.”

Über die Platzordnung

Platzordnung
Hin­wei­schild mit Platz­ord­nung für den Rat­haus­platz. Foto: And­rei Schnell

Die Platz­ord­nung für den Rat­haus­platz setz­te der Bezirk am 2. April 2019 ein. Pik­to­gram­me und Tex­te ver­bie­ten es, Ziga­ret­ten weg­zu­wer­fen, Alko­hol zu trin­ken, zu bet­teln, Nachts zu schla­fen, Stra­ßen­han­del zu betrei­ben, mit dem Fahr­rad zu fah­ren, Hun­de frei lau­fen zu las­sen, zu gril­len und zu demons­trie­ren. Eben­falls ver­bo­ten ist es, „Betäu­bungs­mit­tel mit sich zu füh­ren bzw. mit die­sen zu han­deln oder die­se zu konsumieren“.

Und sonst noch in der BVV?

Unge­wöhn­lich an der BVV-Sit­zung am 17. Febru­ar war eine Aus­zeit mit Anru­fung des Ältes­ten­ra­tes. Bean­tragt von den Lin­ken, die sich von der Vor­ste­he­rin (eine Art Ver­samm­lungs­lei­te­rin) unfair behan­delt fühl­ten. Aus “uns rei­chen 10 Minu­ten” wur­den mehr als 20 Minuten.

Fünf Stun­den Sit­zung, ohne Emo­tio­nen zu zei­gen, das schaf­fen ver­mut­lich nur Vul­ka­ni­er und Ange­la Mer­kel. Am 17. Febru­ar sorg­te die Debat­te um den neu­en Moa­bi­ter Rad­weg an der Spree für Gefühlsbewegungen.

Außer­dem gab es für den Zuhö­rer man­che amü­san­te Sti­che­leie a la “Ich freue mich, dass Ihnen mein Antrag gefällt, dann wird Ihnen auch gefal­len, was jetzt kommt”.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?