Bei der Bezirksverordnetenversammlung am 17. Februar benötigten die Verordneten Konzentration bis zum Schluss. Als letzter Tagesordnungspunkt kurz vor 23 Uhr kam ein Antrag der CDU auf den Tisch. Der fordert, der Bezirk möge Platzordnungen erarbeiten, “ähnlich gestaltet wie auf dem Weddinger Rathausvorplatz”. Und wie beim Verkehr, ist auch beim Thema Ordnung eine aufgeregte Diskussion immer gewiss. Die Verordneten ergriffen kurz vor Feierabend noch einmal über fast alle Parteien hinweg das Wort.
Begriffe wie “Angsträume identifizieren”, “Alkoholmissbrauch” und “Drogenkonsum” ließ die Verordneten nicht kalt. Als erstes meldete sich Rüdiger Lötzer von den Linken zu Wort. Und griff statt der CDU erst einmal den Bürgermeister an: “Der CDU-Antrag zeigt die fatalen Folgen von Stephan von Dassels Schild auf dem Rathausplatz”. Nun sehe man, wohin das führen kann, so der Linke. Er spricht von Verachtung marginalisierter Gruppen und dass manche neben einer Platzordnung die Polizei an jeder Ecke gleich mit dabei haben wollten.
Auch Lucie Schröder von Grünen ist empört: “Es handelt sich um einen populistischen Antrag, um Gruppen gegeneinander auszuspielen.” Sie sagt, kriminalisierende Bilder würden verschärft und Problem verschoben. Platzordnungen verböten sich von selbst, da öffentliche Plätze von jedem zu nutzen sein müssten.
Der von Rüdiger Lötzer angegriffene Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel wies darauf hin, dass die von der CDU als Vorbild angesprochene Platzordnung des Rathausplatzes auf ein weiträumiges Konzept zurückgehe. Er spricht von einem Gesamtkonzept mit Leopoldplatz und Zeppelinplatz. Die Platzordnung sei unter Mitarbeit vieler Akteure entstanden und folge aus dem Gesamtkonzept.
Für die CDU verteidigte Benjamin Fritz den Antrag genüßlich: “Die von Ihnen, Herr Lötzer, angesprochenen Plätze Leopoldplatz, Alexanderplatz und Magdeburger Platz strahlen nicht nur pure Sicherheit aus”. Er wolle, dass Anwohner, Kinder und Touristen sich sicher bewegen könnten. “Die Räume sollen für die Bevölkerung wieder zugänglich gemacht werden.”
Auch die FDP, mit vier Verordneten eine kleine Fraktion, klinkte sich in die Debatte ein. Bastian Roet sagte: “Wir leben alle das liberale Lebensgefühl, dass es in Berlin ein bisschen rotziger ist, damit können wir gut leben. Aber wann ist die, ich sage mal Rauheit, überschritten?” Der Bezirk solle eine Wende einleiten, man müsse dem Abstieg mancher Plätze nicht tatenlos zusehen. “Ich wünsche mir nicht an jeder Stelle eine Polizeistation, sondern Maßnahmen, die Polizei unnötig machen.” Die eigentliche Diskussion sei, wie man verhindere, Dinge zu lange laufen zu lassen wie zum Beispiel beim James Simon Park.
Erik Haase von der SPD setzte dann noch mal einen Nadelstich: “Herr Fritz, ich habe den Eindruck, Steglitz-Zehlendorf wäre der bessere Bezirk für Sie, wir leben aber in Mitte.” Der Leopoldplatz ohne Platzordnung sei ein gutes Beispiel, wie es ohne Hundertschaft der Polizei gehe. “Ich bin gegen ein Schild, das ist in Berlin Quatsch.”
Der Antrag der CDU wurde mit der Mehrheit von Grüne, SPD und Linke abgelehnt. CDU und FDP stimmten dafür, aber unterlagen mit 37 zu 11 (eine Enthaltung).
Begründet hat die CDU ihren Antrag 0181/VI mit Hinweis auf das JobCenter: “Das positive Beispiel der sichtbaren Verbesserung der Situation des Rathausvorplatzes, zuletzt bestätigt durch das Schreiben des Geschäftsführers des Jobcenters Mitte, belegt die Notwendigkeit der klaren Formulierung und Durchsetzung von Regeln.”
Über die Platzordnung
Die Platzordnung für den Rathausplatz setzte der Bezirk am 2. April 2019 ein. Piktogramme und Texte verbieten es, Zigaretten wegzuwerfen, Alkohol zu trinken, zu betteln, Nachts zu schlafen, Straßenhandel zu betreiben, mit dem Fahrrad zu fahren, Hunde frei laufen zu lassen, zu grillen und zu demonstrieren. Ebenfalls verboten ist es, „Betäubungsmittel mit sich zu führen bzw. mit diesen zu handeln oder diese zu konsumieren“.
Und sonst noch in der BVV?
Ungewöhnlich an der BVV-Sitzung am 17. Februar war eine Auszeit mit Anrufung des Ältestenrates. Beantragt von den Linken, die sich von der Vorsteherin (eine Art Versammlungsleiterin) unfair behandelt fühlten. Aus “uns reichen 10 Minuten” wurden mehr als 20 Minuten.
Fünf Stunden Sitzung, ohne Emotionen zu zeigen, das schaffen vermutlich nur Vulkanier und Angela Merkel. Am 17. Februar sorgte die Debatte um den neuen Moabiter Radweg an der Spree für Gefühlsbewegungen.
Außerdem gab es für den Zuhörer manche amüsante Sticheleie a la “Ich freue mich, dass Ihnen mein Antrag gefällt, dann wird Ihnen auch gefallen, was jetzt kommt”.
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