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Ort der Erinnerung

9. November 2015

Die Stadt­teil­ver­tre­tung mensch.müller setzt sich für eine Benen­nung des bis­her namen­lo­sen Rat­haus­plat­zes in der Mül­lerstra­ße nach Eli­se und Otto Ham­pel ein. Damit soll – nur weni­ge Quer­stra­ßen ent­fernt vom ehe­ma­li­gen Wohn­haus des Ehe­paa­res in der Ams­ter­da­mer Stra­ße – ein Ort der Erin­ne­rung geschaf­fen wer­den. Noch gibt es Wider­stand sei­tens der Ber­li­ner Arbeits­agen­tur Mit­te, deren neu­er Sitz im Rat­haus­hoch­haus ist und die auf ihre Adres­se Mül­lerstra­ße nicht ver­zich­ten möchte.

Jetzt laden Stadt­teil­ver­tre­tung mensch.müller und die Schil­ler-Biblio­thek zu einer Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung über Eli­se und Otto Ham­pel in der Schil­ler-Biblio­thek am Rat­haus Wed­ding (Mül­lerstra­ße 149) ein. Am 10. Novem­ber, 19 Uhr, wird der His­to­ri­ker Hans-Rai­ner Sand­voß, ehe­mals stell­ver­tre­ten­der Lei­ter der Gedenk­stät­te Deut­scher Wider­stand, über das Leben und Wir­ken des Ehe­paars Eli­se und Otto Ham­pel berich­ten. Ihre Bedeu­tung für die Gegen­wart ergrün­det der Sozi­al­päd­ago­ge und Künst­ler Chris­ti­an Win­ter­stein in 16 Foto­gra­fien zu ihren Post­kar­ten und Flug­blät­tern, die bis zum 16. Janu­ar 2016 im obe­ren Gale­rie­be­reich der Schil­ler-Biblio­thek zu sehen sein werden.

Nach dem Ers­ten Welt­krieg arbei­te­te Otto Ham­pel im Ber­li­ner Kabel­werk von Sie­mens-Schu­ckert. Von 1928 bis 1933 war er Mit­glied des NS-Stahl­helms. Eli­se Ham­pel arbei­te­te nach dem Besuch der Volks­schu­le als Haus­halts­hil­fe. Ab 1936 wirk­te sie aktiv als Zel­len­lei­te­rin in der NS-Frau­en­schaft mit. Als ihr Bru­der wäh­rend des West­feld­zugs gegen Frank­reich gefal­len war, wur­den die Ehe­leu­te zu Geg­nern des Regimes. Zwi­schen 1940 und 1942 rie­fen Otto und Eli­se Ham­pel mit Post­kar­ten und Flug­schrif­ten zum Sturz des Nazi­re­gimes und zur Been­di­gung des Krie­ges auf. Die Kar­ten leg­ten sie in Trep­pen­häu­sern ihres Wohn­um­fel­des ab: Mül­lerstra­ße, Turi­ner Stra­ße, Brüs­se­ler Stra­ße, See­stra­ße und ande­re. Die Ham­pels waren über­zeugt, ihre Mit­men­schen bewe­gen zu kön­nen, sich für eine neue Gesell­schaft ein­zu­set­zen. Eine Welt brach für sie zusam­men, als sie bei der Ver­neh­mung durch die Gesta­po erfuh­ren, dass so gut wie alle Kar­ten bei der Poli­zei abge­ge­ben wor­den waren. Otto und Eli­se Ham­pel wur­den 1943 zum Tode ver­ur­teilt und in Ber­lin-Plöt­zen­see hingerichtet.

Beim Zusam­men­bruch ihrer Hoff­nung auf eine bes­se­re Welt möch­te es der Sozi­al­päd­ago­ge Chris­ti­an Win­ter­stein nicht belas­sen. Im Mit­tel­punkt sei­ner Aus­stel­lung ste­hen 16 Foto­gra­fien von aus­ge­wähl­ten Post­kar­ten und Flug­schrif­ten, die im Bun­des­ar­chiv über­lie­fert sind. Die Aus­stel­lung erin­nert an den Wider­stand der Ham­pels. Sie hat­ten kein ideo­lo­gi­sches Pro­gramm und kei­nen reli­giö­sen Hin­ter­grund. Allei­ne und auf sich gestellt fan­den sie den Mut, Nein zu sagen. Auf dem Höhe­punkt des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes hat­ten sie, trotz extre­mer Anpas­sungs­zwän­ge und bar­ba­ri­scher Herr­schaft, das Emp­fin­den für Gerech­tig­keit nicht ver­lo­ren. Die Aus­stel­lung zeigt auch Quer­ver­wei­se zur lite­ra­ri­schen Ver­ar­bei­tung des Schick­sals der Ham­pels im Roman von Hans Fal­la­da, „Jeder stirbt für sich allein“. Besitzt das Han­deln von Otto und Eli­se Ham­pel für uns heu­te noch eine Rele­vanz? Und wenn ja, wel­che? Die Besu­cher haben die Mög­lich­keit, auf die­se Fra­ge selbst ihre Ant­wor­ten zu fin­den und auf Post­kar­ten aufzuschreiben.

 

Autor: Man­fred Wolf

Die­ser Arti­kel wur­de eben­falls im Ber­li­ner Abend­blatt, Aus­ga­be Wed­ding veröffentlicht.

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