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Beste Weddinger Wasserlage:
Nordhafen: Geschichte, die man nicht mehr sehen kann

23. August 2025
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Ein Weg windet sich durch einen modernen Park

An einem sonnigen Nachmittag sitzen ein paar Spaziergänger auf den flachen Steinen an der Uferpromenade. Kinder balancieren über die kleinen Betonmauern, Jogger ziehen ihre Runden, und auf einer Bank blinzelt ein älterer Herr in die Sonne. Es ist friedlich hier im Nordhafenpark – und die meisten ahnen nicht, dass sie sich an einem Ort mit bewegter Vergangenheit befinden. Zwischen Kieler Brücke, Sellerstraße und Fennbrücke liegt ein Hafenbecken, das heute kaum mehr als solches erkennbar ist, das aber einst zu den wichtigsten logistischen Punkten der Stadt gehörte.

Wo heute Enten schwimmen, lagen einst Frachtschiffe

DerHistorische Ansichtskarte

Der Satz "Berlin ist aus dem Kahn gebaut" ist allgemein bekannt und verweist auf die Gründung der Stadt an einer Furt der Spree. Doch er ist auch wörtlich zu verstehen, denn Häfen versorgten die boomende Stadt im 19. Jahrhundert mit Ziegeln.

Der Nordhafen entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Teil des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals, um die Spree vom wachsenden Güterverkehr zu entlasten. 1858 ging der Hafen in Betrieb. Wo heute Spazierwege sind, wurden früher Kohle, Baumaterialien und Industriegüter entladen. Bis zu 38 Schiffe konnten hier gleichzeitig anlegen. Doch die hohen Ufermauern und fehlenden technischen Einrichtungen machten das Löschen der Fracht mühsam, und bald wurde der modernere Humboldthafen bevorzugt. Direkt unter der 1970 gebauten Nordhafenbrücke erkennt man am Uferweg noch eine Plattform, wo sich ein Hubkran befand.

Hier stand einst ein Kran

Vom Industriehafen zum „Weddinger Alsterblick“

Mit dem Niedergang der Hafenwirtschaft änderte sich auch das Gesicht des Nordhafens. Nachdem der Betrieb schrittweise bis 1966 eingestellt wurde, verwandelte das Bezirksamt Wedding das Gelände ab 1953 in eine Grünanlage. Die Weddinger Seite des Hafens wurde zu einem kleinen Park umgestaltet – inklusive Fontäne, Pergola und Spazierwegen. Damals legten hier sogar Ausflugsschiffe an, und die Gegend wurde gern mit einem Augenzwinkern als „Weddinger Alster“ bezeichnet.

Geteilte Stadt – geteiltes Wasser

Die Berliner Mauer führte direkt südlich des Hafens entlang. Die Kieler Brücke, die Moabit mit Mitte verband, wurde in den 1960er Jahren abgebaut. Plötzlich lag der Hafen in einer Randlage – nicht nur geografisch, sondern auch im Bewusstsein der Stadt. Das Gebiet war allenfalls durch den benachbarten Großbetrieb, die Pharma-Firma Schering (heute BAYER) bekannt, die dort ihren Sitz und ihre Produktionsstätten hatte.

Der lange Weg zur Wiederentdeckung

Erst in den 1980er Jahren entstand die Idee, einen Rundweg um das Hafenbecken anzulegen. Ein symbolträchtiger Schritt: 1988 kaufte der West-Berliner Senat dem DDR-Staat ein Teilstück des östlichen Ufers ab – noch vor dem Mauerfall. Der Wiederaufbau der Kieler Brücke erfolgte dann 1994, fast 30 Jahre nach ihrem Abriss.

Der Nordhafen wurde nach der Jahrtausendwende städtebaulich wiederentdeckt. Auch Bayer, heute Eigentümer der Firma Schering und Käufer der inzwischen verschwundenen Straße Am Nordhafen, investierte in die Aufwertung des Geländes. Bis 2016 wurde der Nordhafenpark umfassend neugestaltet – mit Respekt für die historischen Strukturen.

Ein Ort mit doppeltem Boden

Kieler Brücke mit Blick Richtung Europacity

Wer heute auf der Kieler Brücke steht, ahnt kaum, dass sie jahrzehntelang fehlte, dass sich unter den friedlichen Wasserflächen Stadtgeschichte versteckt. Und dass direkt unter der Sellerbrücke, an der Mündung der Panke, ein Stück Wedding endet.

Der Nordhafen – das ist kein Ort für Spektakel. Aber einer, der leise davon erzählt, wie sich Berlin immer wieder neu erfindet – manchmal mit ganz stillen Mitteln.

Und das tut es wieder – ganz in der Nähe

Gleich jenseits des Kanals entstehen derzeit neue Stadtquartiere, die den Nordhafen in den kommenden Jahren verändern werden: die Europacity und das Quartier Heidestraße wachsen heran – mit Wohnungen, Büros, Hotels. Sichtbarster Neubau ist derzeit das Projekt Upbeat Berlin, ein Hochhaus-Ensemble direkt am Nordhafenbecken (Höhe Perleberger Straße), das künftig als Landmarke wirken wird. Wo früher Zäune und Brache waren, zieht neues Leben ein. Das Hafenbecken hat also neue Nachbarn und dürfte als Mittelpunkt einer Grünanlage in Zukunft viel mehr Menschen anziehen.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

2 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Es ist sehr angenehm am Schifffahrtskanal, weil er eine gewisse Weite bietet und etliche Sehenswürdigkeiten. Was wirklich Spass macht, sind die etlichen Bruecken und Stege, auf denen man zwischen EuropaCity und Mauerweg kreuzen kann zwischen HBF und Fennstrasse.

  2. Eine richtig tolle Wasserlage und schöne Grünanlage.
    Aber:
    Hoffentlich wird dort konsequenter gegen das Gegrille. Wirklich schlimm was dort an warmen Tagen abgeht an Rauch und Müll. Das darf nicht sein! Dadurch verschwindet jegliche Aufenthaltsqualität!

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