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Neujahr: Durch den Wedding spazieren

1. Januar 2023

Der ers­te Tag des Jah­res ist der Tag des Aus­schla­fens, aber auch der des Neu­jahrs­spa­zier­gangs. Frei nach dem Mot­to: Wohin mit dem Kater? An die fri­sche Luft! Eini­ge unse­rer Autor:innen ver­ra­ten, wo sie heu­te spa­zie­ren gehen werden. 

Neujahrsspaziergang 1: Durch die ruhigen, grünen Gassen

Manch einer braucht am ers­ten Tag des Jah­res neben fri­scher Luft vor allem Stil­le. Die­sen Men­schen sei ein Gang durch beschau­li­che Gas­sen emp­foh­len. Start ist auf der Gleim-Oase in der Gleim­stra­ße direkt an der Gren­ze zu Pan­kow. Von hier führt der ers­te Weg des Jah­res über die schweig­sa­me Swi­ne­mün­der Fuß­gän­ger­pro­me­na­de zum Vin­eta­platz. Von dort geht es rechts die park­ähn­li­che Stral­sun­der hin­un­ter. Kurz die Ohren zuhal­ten beim Über­que­ren der Brun­nen­stra­ße und schon ist man wie­der ganz für sich. Am Ende der Stral­sun­der Stra­ße war­tet ein grü­nes Gäss­chen namens Theo­dor-Heuss-Weg auf den Ruhe­su­chen­den. Über ein paar Trep­pen­stu­fen (und eine par­al­le­le Roll­stuhl­ram­pe) geht es zu einer ver­schla­fe­nen Ein­bahn­stra­ße. Ende des Spa­zier­gangs ist im Park auf dem Nord­bahn­hof – auch hier dröhnt nur der eige­ne Kopf. And­rei Schnell

Neujahrsspaziergang 2: Die Seenkette

Dass die Ber­li­ner Land­schaft eis­zeit­lich geprägt ist, hat sicher jeder schon ein­mal gehört. Sicht­bar wird das aber nur an weni­gen Stel­len. Kein ech­ter Geheim­tipp, aber immer einen Aus­flug wert: die drei Gewäs­ser am Rand des Volks­parks Reh­ber­ge. Beginn der Wan­de­rung ist am Park­ein­gang an der Afri­ka­ni­schen Stra­ße (Höhe Ota­wi­st­ra­ße). Nimmt man gleich den ers­ten Weg rechts, gelangt man an die Süd­spit­ze des Möwen­sees. Die­se eis­zeit­li­che Rin­ne war immer zu feucht, um bebaut zu wer­den und wur­de dann bei der Anla­ge des Parks 1929 zu einem lang­ge­zo­ge­nen See umge­stal­tet. Zu jeder Jah­res­zeit ist die­ser uri­ge See einen Besuch wert, und wenn er zuge­fro­ren ist, sowie­so. Das Betre­ten ist aber streng ver­bo­ten, der See ist ein­ge­zäunt und gehört allein den Graureihern. 

An sei­ner West­sei­te führt eine Pro­me­na­de hoch zum Haupt­weg vor dem Frei­luft­ki­no Reh­ber­ge. Rechts davon zweigt der nächs­te Weg hin­ab zum Enten­pfuhl, einem über­sicht­li­chen Teich, der kom­plett umrun­det wer­den kann. Eine pit­to­res­ke Bogen­brü­cke über­spannt den Zufluss an der tiefs­ten Stel­le. Etwas höher und nicht min­der ver­wun­schen der kleins­te der drei Seen, der Sper­ling­see. Sei­ne Ufer sind tief in die Dünen­ber­ge ein­ge­schnit­ten. Er bie­tet ein uner­war­te­tes, natur­na­hes Bild, das man im Wed­ding so nicht ver­mu­ten wür­de. Erklimmt man den Hügel, den Leut­nants­berg, hat man eine tol­le Seen- und Berg­wan­de­rung hin­ter sich, ide­al, um nach einer durch­fei­er­ten Sil­ves­ter­nacht ein­mal kurz aus der Pus­te zu kom­men. Joa­chim Faust

Neujahrsspaziergang 3: Auf der Grenze

Der Plan ist: In die­sem Jahr dre­he ich Neu­jahr eine Run­de um mei­nen Kiez, das Brun­nen­vier­tel. Genau auf der Gren­ze will ich gehen und sehen, was sich dort so alles getan hat. Ich star­te am Bahn­hof Gesund­brun­nen, gehe über die Swi­ne­mün­der Brü­cke, dann scharf links an der Bahn­li­nie ent­lang in den das neue Wohn­ge­biet im nörd­li­chen Mau­er­park. Ob sich das noch immer anfühlt wie ein exter­ri­to­ria­ler Ort, so wie frü­her der Pots­da­mer Platz (bevor doch ein wenig Leben ein­ge­zo­gen ist)? Ich lau­fe durch den Mau­er­park, zwi­schen Bir­ken­wäld­chen und Mau­er­gar­ten. Wie­vie­le Hoch­bee­te gibt es da inzwi­schen eigent­lich? Ich wer­de sie zäh­len. Ich gehe wei­ter durch den Park, der sowas wie ein Zen­trum des bun­ten Ber­li­ner Lebens, aber an Neu­jahr ver­mut­lich eher still ist. 

War das eine Sil­ves­ter­par­ty im Super­so­ni­co? Foto: Hensel

An der Ber­nau­er Stra­ße wechs­le ich die Stra­ßen­sei­te und fol­ge dem Pos­ten­weg ent­lang der ehe­ma­li­gen Mau­er. Tourist:innen wer­de ich an die­sem Tag wahr­schein­lich nur wenig tref­fen, aber wer weiß? Ob es eine Sil­ves­ter­par­ty im Super­so­ni­co gab? Ich wer­de schau­en, ob ich Anzei­chen dafür ent­de­cke. Ich lau­fe wei­ter ent­lang der Metall­stä­be, die den Mau­er­ver­lauf mar­kie­ren und die ich irgend­wie mag. Ich schaue mir die Glo­cken der Ver­söh­nungs­kir­che an und wer­fe einen Blick über den Zaun in den Gemein­schafts­gar­ten Nie­mands­land. Was ist da im gera­de abge­lau­fe­nen Jahr gewachsen? 

Ich gehe wei­ter bis zum Nord­bahn­hof und stau­ne mal wie­der. Eine tote Bra­che war das hier vor gar nicht so lan­ger Zeit. Jetzt ist hier das Leben ein­ge­zo­gen, das mich auch regel­mä­ßig anzieht. Ich bie­ge nach rechts in den Park am Nord­bahn­hof. Ich lau­fe durch den Park, den ich erst selt­sam fand, aber heu­te als bes­te grü­ne Que­rung zwi­schen den so gegen­sätz­li­chen Kiezen für mich ent­deckt habe. Ich bin gespannt, wel­che aktu­el­len The­men die Spray­er­sze­ne an die ein­zi­ge lega­le Spray­er­wand in Mit­te gesprüht hat. An der North Side Gal­lery mache ich bestimmt ein paar Fotos (für Wed­ding­wei­ser-Insta­gram?), dann gehe ich bis zur Lie­sen­brü­cke, die lei­der noch immer vor sich hin ros­tet und wei­ter­hin kei­ne grü­ne Fuß- und Rad­ver­bin­dung zwi­schen Nord­bahn­hof­park und Hum­boldt­hain ist. Ich notie­re mir, dass ich die Ver­kehrs­stadt­rä­tin dem­nächst danach fra­ge, ob sie hier aktiv zu wer­den plant. 

Ich fol­ge der Gar­ten­stra­ße, gehe unter den Lie­sen­brü­cken hin­durch und mache wie immer vie­le Fotos von die­sem impo­san­ten Bau­werk. Ich schaue, ob der Fried­hofs­zaun schon fer­tig ist und gehe noch hin­über zum Him­mel­beet. Wie schön wäre es, wenn es dort an der Feu­er­scha­le einen Neu­jahrs­punsch gäbe oder das Gar­ten­ca­fé etwas War­mes anbie­ten wür­de. Dann könn­te ich den noch neu­en Gar­ten­stand­ort genau­er anschau­en, auch wenn er jetzt schläft. Das wäre doch ein schö­ner Abschluss für mei­nen Neu­jahrs­spa­zier­gang! Domi­ni­que Hensel

Neujahrsspaziergang 4: Bei Schiller im Schillerpark

Es gibt im nörd­li­chen Wed­ding nichts Schö­ne­res als am frü­hen Neu­jahrs­tag in den Schil­ler­park zu gehen, fin­de ich. Das fri­sche Grün der gro­ßen Wie­se zu Füßen von Fried­rich Schil­ler auf sei­nem hohen Sockel ist eine Augen­wei­de. Es sei denn, es ist ver­schneit. Auch eine gro­ße Flä­che rei­nes Weiß sind vor allem am ver­ko­kel­ten Neu­jahr eine Augenweide.

Schließ­lich begibt man sich per pedes dort­hin ent­lang der Stra­ßen vol­ler Sil­ves­ter­res­te, Böl­ler in China­rot oder Häuf­lein mit Rake­ten­fet­zen: man wird ent­schä­digt für das Grum­me­li­ge des Neu­jahr und das noch ver­hal­len­de Gebal­ler. Auch im Park ste­hen hier und da Fla­schen­rei­hen um Brand­stel­len her­um und man hat fast noch Jubel­ru­fe und das Zischen der auf­stei­gen­den Feu­er­blu­men im Ohr, aber die grü­ne Wie­se ist groß.

Ein Rund­gang durch den Schil­ler­park ist über­schau­bar, aber erhol­sam. Man kann den Fern­blick und die auf­rech­te ent­schie­de­ne Hal­tung mit Schil­ler tei­len, wäh­rend sei­ne Musen eher in sich ver­sun­ken sin­nie­ren. So man­ches Attri­but oder Graf­fi­ti steht dort am Sockel und gibt Anlass zu asso­zia­ti­ven Gedan­ken über das Zusam­men­spiel von Alt und Neu.

Auch ein Hai­ku kommt mir in den Sinn.

Neu­jahr!

Schiller‘s Blick in die Ferne

Rei­ner Mut!

Schaut man von der Bas­ti­on aus über Schiller‘s Schul­ter hin­weg nach Süden, so hat man eine Wei­te vor Augen, die dem jähr­li­chen Neu­be­ginn und guten Vor­sät­zen viel Raum gibt. Rena­te Straetling

Neujahrsspaziergang 5: Einmal rund um den Plötzensee

Still ruht der See. Still der Sand am Strand­bad Plöt­zens­se, still der Anle­ger der Fischer­pin­te, deren Pad­del- und Ruder­boo­te kiel­oben an Land lie­gen. Aber wer am Neu­jahrs­tag um die lang­ge­zo­ge­ne Eis­zeit­rin­ne neben dem Reh­ber­ge­park läuft, wird nicht ganz allei­ne sein. Vie­le Fami­li­en nut­zen den gut aus­ge­bau­ten Rund­weg, um nach den auf­re­gen­den Fei­er­ta­gen die lebens­lus­ti­ge Kin­der­schar „aus­zu­lüf­ten“. Aber das fröh­li­che Kin­der­ge­schrei ist nichts, ver­gli­chen mit dem Tru­bel, der im Som­mer herrscht, wenn am für den Bade­be­trieb gesperr­ten und durch immer neue Zäu­ne abge­sperr­ten Ost­ufer täg­lich hun­der­te Son­nen­hung­ri­ge den geschütz­ten Vogel­ar­ten den Platz strei­tig machen. Deut­lich sind die Spu­ren der Über­nut­zung des öst­li­chen See­ufers inzwi­schen mit dem blo­ßen Auge zu erken­nen. Soll­te der See am Neu­jahrs­tag zuge­fro­ren sein (was meist erst im Febru­ar geschieht), lässt sich der glei­che Tru­bel dann auf der zuge­fro­re­nen Eis­de­cke beob­ach­ten, nur sind es dann die Eis­ba­den­den, die in der Nähe des Ufers Löcher in die Eis­schicht hacken, um ins Was­ser zu kommen.

Eine hal­be Stun­de dau­ert ein gemüt­li­cher Spa­zier­gang um den gera­de mal 750 Meter lan­gen See. Am idyl­lischs­ten ist der Blick auf die Natur vom Rast­platz an der Nord­spit­ze aus, an dem für­sorg­lich Den­ken­de sogar einen höl­zer­nen Wickel­tisch für die jüngs­ten Aus­flüg­ler gezim­mert haben. Mit etwas Glück lässt sich auch ein Fisch­rei­her bli­cken, der sich in die­ser ruhi­gen Ecke ein­ge­nis­tet hat. Wer den Spa­zier­gang am ers­ten Tag im Jahr besinn­lich fort­füh­ren möch­te, kann von dort in Rich­tung Nor­den wei­ter­ge­hen zum öffent­lich zugäng­li­chen Fried­hof am Plöt­zen­see, auf dem etwa 5000 Kriegs­op­fer aus den letz­ten Tagen des Zwei­ten Welt­kriegs begra­ben lie­gen. Rolf Fischer

Gehört der Neu­jahrs­spa­zier­gang auch zu Euren Ritua­len? Wo (im Wed­ding) ver­läuft Eure Strecke?

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