Eigentlich herrscht Immobilienflaute in Deutschland. Besonders im Bereich der Büroimmobilien tut sich wenig: Nach Corona ist die Nachfrage völlig zusammengebrochen. Bei geringem Wirtschaftswachstum werden kaum zusätzliche Büroflächen benötigt, dieses konjunkturelle Auf und Ab ist aber normal. Derzeit kommt jedoch ein anderer Faktor hinzu: Immer mehr Menschen arbeiten inzwischen im Home-Office – entsprechend weniger Flächen müssen die Unternehmen anmieten. Die Nachfrage nach Büroflächen stagniert deshalb nicht nur, sie sinkt. Die Vermarktung von neuen Büroimmobilien wird immer schwerer.
Meldungen über den Baubeginn von Bürohäusern sind deshalb derzeit sehr rar, selbst in Berlin, wo die wirtschaftliche Flaute milder verläuft als im restlichen Bundesgebiet. Auf der Website „entwicklungsstadt.de“, die ausführlich über aktuelle Bauprojekte in der Stadt informiert, finden sich jedenfalls kaum aktuelle Bürohausprojekte. Und wenn doch, dann geht es wie beim Karstadt-Grundstück am Leopoldplatz meist um eher abstrakte Zukunftsplanungen oder um konkrete Projekte für Bundesbehörden oder Verbände. Deshalb sticht eine Nachricht wie die vom Beginn der Bauarbeiten auf dem Eckgrundstück Müller- / Lynarstraße derzeit heraus. Dort soll entlang der Müllerstraße ein sechsge-schossiges Bürohaus entstehen und an der Lynarstraße ein siebengeschossiges Wohngebäude. Die Baugenehmigung ist erteilt und auch sanierungsrechtlich hat der Bezirk bereits zugestimmt. Die Tankstelle der sonst vor allem im Hamburg aktiven Marke „HEM“ wurde oberirdisch schon im vergangenen Jahr abgerissen. Mit dem komplizierten Rückbau der unterirdischen Tankanlagen wurde jetzt begonnen. Die Bauvorbereitung läuft also auf vollen Touren.
Bauherr ist die „Müllerstraße 168 GmbH“ mit Sitz in Berlin. Dahinter steht der Projektentwickler Equilis, der im französischsprachigen Teil Belgiens ansässig ist. Im Herbst, so kündigt er in einer Presseerklärung an, sollen die genauen Planungen für das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dann wird auch der Baubeginn und der Zeitpunkt der geplanten Fertigstellung verkündet. Equilis wurde 2006 von Carl Mestdagh gegründet, der als Unternehmer auch noch in der Pharmaziebranche aktiv ist. In seiner Firma KitoZyme stellt er vegane Nahrungsergänzungsmittel aus Pilzen her. Seine andere Firma Equilis entwickelt und realisiert Immobilienprojekte in einem breiten Spektrum: von Gewerbe- und Wohnimmobilien über Büros, Senioren- oder Studentenwohnungen und Freizeitanlagen bis hin zu Entwicklung von kulturellen und öffentlichen Räumen. Bis heute hat das Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als 300.000 qm Fläche und gut 1.500 Wohneinheiten fertig gestellt. Entwickelt werden derzeit weitere 210.000 qm und 7.700 Wohneinheiten in ganz Europa, vor allem in Belgien und in den Niederlanden, aber auch in Frankreich, Spanien, Portugal, Polen und seit 2019 auch in Deutschland. In der Regel veräußert ein Projektentwickler seine Immo- bilen nach der Fertigstellung – und hat dabei natürlich die Absicht, einen Gewinn zu erzielen.
Wenn Equilis trotz der gegenwärtigen Marktflaute seine Bauvorbereitungen an der Ecke Lynarstraße nicht unterbricht, dann scheint die Firma für die Vermarktung des Objekts keine Probleme zu erwarten. Denn die Lage des Grundstücks ist selten gut: Es liegt einerseits in der Nähe großer Leuchttürme im Medizin- und Pharmaziebereich wie Bayer HealthCare, der Charité und dem Robert-Koch-Institut. Und mit internationalen Unternehmen aus der Pharmaziebranche ist der Firmengründer von Equilis ja gut vernetzt. Dazu kommt die Lage unmittelbar neben dem U – und S‑Bahnhof Wedding – also nicht nur an der U6 und am S‑Bahn-Ring, sondern ab Ende dieses Jahres auch noch an der neuen Strecke S21. Die verläuft zwar zunächst nur bis zum Hauptbahnhof, soll später aber als zweite Nord-Süd-S-Bahn weiter zum Potsdamer Platz und zum Südkreuz führen. Eine bessere Lage für Pharmazie-Unternehmen wird es dann in Berlin kaum geben.
Text: Christof Schaffelder
Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift “Ecke Müllerstraße”
Anmerkung der Redaktion: Laut den Entwicklern soll das Haus außerdem eine Solarfassade erhalten und teilweise in Holzbausweise entstehen. Die Preise für Büros werden aktuell mit mindestens 30€/m², die Apartments mit 20–25€/m² anvisiert.
Spannend – schön zu lesen, dass dort nach der Insolvenz des vorigen Bauträgers keine deprimierende Brache entsteht. Wobei, eine Pissfläche wäre schon schön – ggf. könnten sich die Obdachlosen dann dazu animieren lassen, nicht genau dort hinzupissen wo täglich tausende Menschen in die Bahn steigen wollen…