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Neue Müllerhalle: Für Nostalgie ist bei diesem Kompromiss kein Platz

24. Februar 2013
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Eröffnung noch im Jahr 2013... (Foto: P.Arndt)
Eröff­nung noch im Jahr 2013… (Foto: P.Arndt)

Darf man die neue Mül­ler­hal­le noch so nen­nen? Vie­le Anwoh­ner frem­deln mit dem archi­tek­to­nisch hoch­wer­ti­gen Ent­wurf, der die obe­re Mül­lerstra­ße wie kaum ein ande­res Gebäu­de prä­gen wird. Bei einer von der SPD-Frak­ti­on Ber­lin-Mit­te orga­ni­sier­ten Ver­an­stal­tung am 23. Febru­ar stan­den Kom­mu­nal­po­li­ti­ker und Abge­ord­ne­te sowie eine Ver­tre­te­rin des Bau­herrn Rede und Ant­wort. Anders als beim städ­te­bau­lich miss­glück­ten Lidl gegen­über der Ein­mün­dung der Kame­ru­ner Stra­ße sol­len hier die Bür­ger „mit­ge­nom­men“ werden.

Ein Kameramann des RBB filmtDas ist auch drin­gend nötig, ange­sichts der Emo­tio­nen, die die­ser Neu­bau eines Ein­kaufs­zen­trums hoch­ko­chen lässt. Sogar der RBB hat ein Kame­ra­team geschickt, um in der Abend­schau über die Dis­kus­si­ons­run­de zu berich­ten. Alle Red­ner ver­bin­den schö­ne (Kindheits-)Erinnerungen mit der Markt­hal­le, die seit 1950 einen Kiez­treff­punkt dar­stell­te, zuletzt aber einen bei­spiel­lo­sen Nie­der­gang erleb­te. Nicht nur älte­re Wed­din­ger bekom­men glän­zen­de Augen, wenn sie von den drei Flei­schern, dem Knöp­feladen und dem Schus­ter in der alten Mül­ler­hal­le erzäh­len. Die Nach­barn traf man natür­lich auch beim Ein­kau­fen und hielt ein Schwätz­chen zwi­schen Fisch­stand und Currywurstimbiss.

Aus und vor­bei. Die Hal­le ist seit 2012 abge­ris­sen, ein neu­es Ein­zel­han­dels­zen­trum mit Kauf­land als Anker­mie­ter ist seit ein paar Tagen im Bau, nach­dem nun die Fun­da­ment­boh­run­gen begon­nen haben. Die Viel­falt der Markt­stän­de wird es im auto­ge­rech­ten Neu­bau nicht mehr geben. „Das Kauf­ver­hal­ten hat sich geän­dert“, sagt SPD-Mann Lars Neu­haus. Ver­glei­che mit den weni­gen noch erfolg­rei­chen Ber­li­ner Markt­hal­len sei­en nicht statt­haft, fin­det er: „Wir haben gese­hen, dass das alte Kon­zept in die­sem Kiez am Ende nicht funk­tio­niert hat.“

Mehr Lebensmitteleinzelhandel ist nicht mehr zu verkraften

IMG_20130223_120309Mit der jetzt gefun­de­nen Lösung sind die anwe­sen­den Poli­ti­ker Bruni Wil­den­hain-Lau­ter­bach (MdA), Ste­fan Drae­ger, Jani­na Kör­per und Mar­ti­na Mati­schok zufrie­den – das Wort Kom­pro­miss wird noch oft an die­sem Tag fal­len. Es sei gera­de noch zu ver­kraf­ten, so viel Lebens­mit­tel-Ein­zel­han­del an einem Stra­ßen­ab­schnitt (Real, Rei­chelt, Aldi, Lidl und eben Kauf­land) – mehr wer­de hier nicht geneh­migt. Klein­tei­li­gen Han­del im Wind­schat­ten von Kauf­land (davon als Rück­keh­rer der alten Mül­ler­hal­le Mc Paper, ein Lot­to Toto-Laden, das Reform­haus und der Zei­tungs­la­den) wird es an der Stra­ßen­front auch geben und zur Bele­bung der Mül­lerstra­ße bei­tra­gen. Über­haupt, die Mül­lerstra­ße: „Die neue Mül­ler­hal­le soll nicht zum Ver­kehrs­chaos füh­ren“, erklärt Jani­na Kör­per, Ver­kehrs­exper­tin in der BVV. Nur 188 Park­plät­ze für Autos, kein rie­si­ges lee­res Park­haus mehr wie im nahen Schil­ler­park­cen­ter, sowie 54 Fahr­rad­stell­plät­ze kämen moder­nen Mobi­li­täts­be­dürf­nis­sen näher. Park­haus und klei­ne Läden neh­men das Erd­ge­schoss ein, wäh­rend Kauf­land die ers­te Eta­ge belegt, die die Kun­den mit Roll­stei­gen errei­chen. Und schließ­lich kön­ne man in der neu­en Mül­ler­hal­le kos­ten­los par­ken, erklärt die Kauf­land-Ver­tre­te­rin Mel­tem Cömert­bay – natür­lich nur, wenn man dort auch etwas kauft. Sie betont, dass Kauf­land als Eigen­tü­mer und Haupt­nut­zer zukünf­tig auch eine Ver­ant­wor­tung für den Stand­ort und somit ein lang­fris­ti­ges Inter­es­se an einer posi­ti­ven Ent­wick­lung der gan­zen Mül­lerstra­ße hat. Eine Betei­li­gung an Akti­vi­tä­ten der Stand­ort­Ge­mein­schaft sei ange­dacht. Aber am Nie­der­gang der alten Mül­ler­hal­le habe das Unter­neh­men Kauf­land kei­ne Schuld; eine Markt­hal­le mit dem ent­spre­chen­den Flair lebe eben von den klei­nen Kauf­leu­ten, die es mit ihrem Enga­ge­ment selbst in der Hand haben, ob die­ses Kon­zept heu­te noch funk­tio­niert. Die Dis­ku­tan­ten bli­cken nach vorn: „Schön, dass genau die­ser Stand­ort wie­der eine Chan­ce erhält!“, bringt es die Kauf­land-Ver­tre­te­rin auf den Punkt. Sie hat an der Beuth-Hoch­schu­le stu­diert und kennt den Wed­ding und sei­ne Beson­der­hei­ten gut.

Kaufland sieht sich nicht als Einzelkämpfer

IMG_20130223_120042Ein sol­ches Zen­trum erzeugt zwangs­läu­fig Müll, Lärm und Ver­kehr. Die Anlie­fe­rung erfolgt getrennt für Kauf­land in der Lüde­ritz­stra­ße, für die ande­ren Händ­ler in der Kon­go­stra­ße. „Bei­de Stra­ßen haben Kopf­stein­pflas­ter“, gibt Peter Arndt von der Stadt­teil­ver­tre­tung zu beden­ken, „das wird ganz schön laut für die Anwoh­ner!“ In der Lüde­ritz­stra­ße erfolgt heu­te schon die Anlie­fe­rung für Rei­chelt, dort kennt man die Lkws, die beim Rück­wärts­fah­ren pie­pen. Auf der Posi­tiv­sei­te für die obe­re Mül­lerstra­ße blei­ben aber die ca. 120–150 Arbeits­plät­ze zu nen­nen, die durch Kauf­land und die klei­ne­ren Ein­zel­händ­ler ent­ste­hen oder wie­der zurück­keh­ren wer­den. Die Kauf­land-Reprä­sen­tan­tin sieht auch kei­ne Kon­kur­renz für das sehr hoch­wer­ti­ge Ange­bot wie die Frisch­fleisch-Bedien­the­ke bei Rei­chelt, da Kauf­land mit abge­pack­ten Pro­duk­ten ein ande­res Geschäfts­mo­dell ver­fol­ge. Das Unter­neh­men habe das Umfeld genau unter­sucht und will sich dort lang­fris­tig enga­gie­ren: „Wir kön­nen mit der rela­tiv klei­nen Ver­kaufs­flä­che von knapp 4500 qm gut umge­hen“, sagt Mel­tem Cömert­bay und ist sich sicher: „Wir pas­sen gut in die­sen Kiez!“ Wenn alles klappt, könn­te noch vor Weih­nach­ten 2013 die Eröff­nung gefei­ert werden.

Nicht alle Anwoh­ner gewöh­nen sich dar­an, dass für die­ses moder­ne, grau ver­klin­ker­te Ein­kaufs­zen­trum der Begriff „Neue Mül­ler­hal­le“ ver­wen­det wird. Nost­al­gi­sche Gefüh­le und der immer noch prä­sen­te Ver­lust eines Ortes der Kom­mu­ni­ka­ti­on im Kiez ste­hen für vie­le im Vor­der­grund. Da kommt man­ches Gerücht gera­de recht, das die Bezirks­po­li­ti­ker aber umge­hend aus­räu­men: eine Moschee in Nach­bar­schaft des Ein­kaufs­zen­trums ist defi­ni­tiv nicht geplant.

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Müllerhalle Kaufland
Quel­le: Kaufland

http://weddingweiser.wordpress.com/2012/04/12/die-mullerhalle-ende-eines-trauerspiels-beginn-des-kommerzes/

http://weddingweiser.wordpress.com/2012/07/11/abschied-von-der-mullerhalle/

 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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