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Humboldthain Club:
Friedliche Koexistenz von Club und Neubau möglich

15. Februar 2023
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Man­che Nach­rich­ten lösen Refle­xe aus wie bei einer Tier­dres­sur. Ein Bei­spiel ist die Mel­dung: “Neu­bau neben dem Hum­boldt­hain Club ange­kün­digt”. Sofort schnappt der Reflex zu und formt den Gedan­ken: Kla­ge­freu­di­ge Neu-Wed­din­ger ver­drän­gen Club­kul­tur. Beob­ach­ten lässt sich das am Erfolg einer Peti­ti­on des Betrei­bers des Hum­boldt­hain Clubs. Über 6000 Unter­schrif­ten in kur­zer Zeit. Bau­stadt­rat Ephra­im Gothe (SPD) sagt: “Ich gebe Ent­war­nung, da kann nichts Anbren­nen.” Was ist los in der Hoch­stra­ße 46?

Club­be­trei­ber Lud­wig Eben sagt, er sei über­rascht wor­den. Plötz­lich rück­ten Bau­ar­bei­ter an, um mit Abriss­ar­bei­ten zu begin­nen und Bäu­me zurück­zu­schnei­den. Umge­hend hat er auf change.org eine Peti­ti­on mit dem Titel “Stop­pen Sie das geneh­mig­te Bau­vor­ha­ben Hoch­str. 46 am Hum­boldt­hain Club” gestar­tet. Inner­halb weni­ger Tage kamen tau­sen­de Unter­schrif­ten zusam­men. Aktu­ell (Diens­tag, 14.2.) sind es über 6000. Offen­bar fürch­tet nicht nur er Gerichts­kla­gen wegen Ruhe­zei­ten. Der Bau­stadt­rat hält die Auf­re­gung für über­trie­ben und sagt: “Da besteht kei­ne Gefahr für den Club”.

Lud­wig Eben will wis­sen, ob wirk­lich kei­ne ein­zi­ge Woh­nung vor­ge­se­hen ist und wie die Fens­ter ange­ord­net sind. “Auch wenn bloß eine ein­zi­ge Haus­meis­ter­woh­nung vor­ge­se­hen ist, kann die für den Club zu einem Pro­blem wer­den.” Bau­stadt­rat Ephra­im Gothe ver­weist auf die viel lau­te­re S‑Bahn-Tras­se. “Da muss nie­mand etwas befürch­ten, denn wir haben ein Büro­haus geneh­migt”, erklärt der SPD-Poli­ti­ker. Auch eine Haus­meis­ter­woh­nung wer­de nicht kom­men. Des­halb sei­en Kla­gen aus­ge­schlos­sen. Zudem lägen zwi­schen Club und dem Neu­bau 30 bis 40 Meter Luft­li­nie. Und ein öffent­li­cher Spiel­platz trennt Club und Neu­bau. Außer­dem zeigt die vom Stadt­rat ange­fer­tig­te Gra­fik, dass in Rich­tung des Clubs begrün­te, fens­ter­lo­se Brand­wän­de vor­ge­se­hen sind.

Bau­stadt­rat Ephra­im Gothe ver­mu­tet, die “Unru­he” ist durch die Dar­stel­lung der Lage bei Goo­gle­maps ent­stan­den. Der Club befän­de sich eben nicht auf der 46, son­dern eher neben der 46. Zudem gehe es um ein Büro­haus, “einer am wenigs­tens emp­find­li­chen Nutzung”. 

Weil Lud­wig Eben nicht weiß, wor­an er ist, habe er “über unse­ren Anwalt einen Antrag auf Akten­ein­sicht gestellt”. Er füh­le sich jedoch vom Stadt­pla­nungs­amt abge­schreckt, die Behör­de wür­de Aus­künf­te nach dem Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz behin­dern. Die offi­zi­el­le Reak­ti­on bestün­de aus Gebüh­ren­ver­lan­gen und Ver­wei­sen auf die Rech­te des Eigen­tü­mers. Bau­stadt­rat Ephra­im Gothe wider­spricht: “Das stimmt nicht”. Herr Eben kön­ne jeder­zeit die Akten ein­se­hen, im Moment kön­ne dies wegen vie­ler Anfra­gen die­ser Art drei Wochen dau­ern, aber “natür­lich hat er das Recht, Ein­sicht zu nehmen”.

Was ist mit dem Spielplatz?

Und dann ist da noch der Spiel­platz in der Hoch­stra­ße 46. Eine Anfra­ge der Bezirks­ver­ord­ne­ten Danie­la Fritz (CDU) brach­te Ende Janu­ar ans Licht, dass der Bezirk bereits im Juni 2021 einen Flä­chen­tausch vor­ge­nom­men habe. Es fand “ein Grund­stücks­tausch einer 191 m² gro­ßen Teil­flä­che statt, sodass die Grün­flä­che (Flur­stück 573) mit rund 1358 m² nahe­zu unver­än­dert hin­sicht­lich der Grö­ße bleibt”, heißt es in der Ant­wort des Bezirks­amts an Danie­la Fritz. Mit dem Bau­herrn sei ver­ein­bart wor­den, dass der Spiel­platz auf der vom Inves­tor über­nom­me­nen Flä­che abge­ris­sen wird. Als Ersatz wird er neu auf­ge­baut auf der von ihm abge­ge­be­nen Flä­che. Stadt­rat Ephra­im Gothe sagt: “Es wird wei­ter­hin einen Spiel­platz geben und der wird auch öffent­lich zugäng­lich sein”. Alles wie bis­her, nur leicht versetzt.

Für Danie­la Fritz blei­ben den­noch vie­le Fra­gen offen. “Die Men­schen vor Ort kön­nen nicht über Jah­re auf einen Spiel­platz in die­sem Kiez ver­zich­ten”, sagt sie. Und: Die “Unsi­cher­heit muss sofort enden. Der Früh­ling steht vor der Tür.” Die CDU for­de­re den Bezirk auf, die­ser sol­le “end­lich trans­pa­rent handeln!“

Bauherr Project-Immobilien

Den Neu­bau des Büro­hau­ses über­nimmt die Pro­ject PG Hoch­stra­ße 46 Ber­lin GmbH & Co. KG. Das Unter­neh­men gehört zu Pro­ject Immo­bi­li­en mit Haupt­sitz in Nürn­berg. In Pro­spek­ten für Anle­ger bezif­fert Pro­ject die Inves­ti­ti­on auf 32,5 Mil­lio­nen Euro. Das Bezirks­amt erteil­te die Bau­ge­neh­mi­gung am 16. Dezem­ber 2022. Dem Amt liegt für ein altes Gebäu­de eine Abbruch­an­zei­ge durch den Eigen­tü­mer vor.

Klei­ne Neben­in­fo: Pro­ject-Immo­bi­li­en star­tet gera­de ein zwei­tes Bau­pro­jekt in der Wie­sen­stra­ße. Dort hat sie ein Wohn­haus abge­ris­sen, das manch­mal als “letz­tes” Ein­fa­mi­li­en­haus in der Innen­stadt bezeich­net wur­de. Auf dem Grund­stück mit der Haus­num­mer 11 soll “Stu­dio Living” entstehen.

Über den Humboldthain Club

2023 ist für den Hum­boldt­hain Club eigent­lich ein Fei­er­jahr, denn es steht das zehn­jäh­ri­ge Jubi­lä­um an. Gegrün­det wur­de der Club im März 2013. Über das Kon­zept des Clubs sagt Lud­wig Eben: “Wir machen nicht nur Par­ty”. Der Club sei auch ein Kul­tur­stand­ort, so der frü­he­re Mit­be­grün­der des berühm­ten Tache­les und Betrei­ber des ehe­ma­li­gen Cafés Zapa­ta in der Ora­ni­en­stra­ße. Die Loca­ti­on am S‑Bahnhof Hum­boldt­hain beschreibt Lud­wig Eben als Kunst-Club-Pro­jekt “Wann immer mög­lich, haben künst­le­ri­sche Inhal­te Vor­fahrt vor Umsatz und Gewinn und es hat sich gezeigt, dass die­se Ein­stel­lung lang­fris­tig die bes­se­re Vari­an­te dar­stellt.” Auf sei­ner pri­va­ten Web­sei­te stellt sich Lud­wig Eben als Künst­ler und Maler vor. Der Miet­ver­trag für den Hum­boldt­hain Club lau­fe bis 2028. 

Gra­fik: Stadt­rat Ephra­im Gothe

Foto Hum­boldt­hain Club

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

6 Comments

  1. War­um erzähl­te dann der Abriss­lei­ter der Bau­stel­le uns Anwoh­nern, dass der gan­ze Spiel­platz für ein Hotel­neu­bau abge­ris­sen wird!?
    Zudem ent­ste­hen im Moment Büro­ge­bäu­de en mas­se im Wed­ding ( z.b. S‑Bahnhof Wed­ding oder ehe­ma­li­ges Gebiet der LBB am Humboldthain)…ein städ­te­bau­li­ches Bedürf­niss unse­rer Stadt???

    • 2018 gab es einen Bau­an­trag für einen “Beher­ber­gungs­be­trieb”. Akten­zei­chen 1100–2018-4139-Stadt(11)2 504. Doch im April 2022 gab es einen neu­en Bau­an­trag für Haus­num­mer 46. Akten­zei­chen 1140–2022-1390-Stadt(11)2 407. Die­ser kommt nun zum Tra­gen. Stadt­rat Ephra­im Gothe spricht aus­drück­lich von Bürohaus.
      Es soll nicht der gesam­te Spiel­platz abge­ris­sen wer­den. Vor Ort ist zu sehen, dass der­zeit eine Tisch­ten­nis­plat­te hin­term Bau­zaun ver­schwun­den ist, das Klet­ter­ge­rüst steht nach wie vor. Das Bezirks­amt schreibt: “Der Spiel­platz wird auf der vom Inves­tor zur Bebau­ung über­nom­me­nen Flä­che abge­baut und dafür gleich­zei­tig Spiel­ge­rä­te auf der vom Inves­tor abge­ge­be­nen Flä­che auf­ge­baut. Die bei­den Flä­chen gren­zen direkt anein­an­der.” Es geht um 191 Qua­drat­me­ter, wobei der gesam­te Spiel­platz brut­to 1335 qm² (net­to 683 qm²) groß ist.

      • Über­ra­schend, wie schnell Sie an detail­lier­te Infor­ma­tio­nen vom Bezirks­amt kom­men und auf nach­fra­gen­de Bür­ger nicht reagiert wird…

        • Ein Test­fall für das Büro für Bür­ger­be­tei­li­gung. Das hat der Bezirk ein­ge­rich­tet, damit Bür­ger Infor­ma­tio­nen die­ser Art erhal­ten können.

  2. Plötz­lich steht ein Bau­zaun auf dem Spiel­platz, Bäu­me wer­den gefällt und Anfra­gen der Anwoh­ner an das Bezirks­amt blei­ben wochen­lang (bis heu­te!) unbe­ant­wor­tet. Der genann­te Grund­stücks­tausch erfolgt zu Las­ten alter Bäu­me und der Spiel­platz erhält im Gegen­zug altes Gara­gen­ge­län­de (ver­mut­lich ölverseucht).
    Dafür ent­ste­hen bald wei­te­re lee­re Büro­flä­chen, statt Wohnraum.
    Klas­se Ent­schei­dung! Darum:
    https://chng.it/Sx2RPpY7

  3. Toll wäre es, wenn Herr Lud­wig Eben nicht nur besorgt um sei­nen Club son­dern auch sei­ne Umge­bung wäre. Wie der Platz vor dem Club nach einem Wochen­en­de aus­sieht ist eine Kata­stro­phe. Wie wäre es, wenn nicht nur die Tanz­flä­che, son­dern auch mal vor der Tür gefegt wür­de? Sind wohl nicht die Anwoh­ner, die da eine Fla­sche nach der andern lee­ren und ste­hen lassen.

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