Manche Nachrichten lösen Reflexe aus wie bei einer Tierdressur. Ein Beispiel ist die Meldung: “Neubau neben dem Humboldthain Club angekündigt”. Sofort schnappt der Reflex zu und formt den Gedanken: Klagefreudige Neu-Weddinger verdrängen Clubkultur. Beobachten lässt sich das am Erfolg einer Petition des Betreibers des Humboldthain Clubs. Über 6000 Unterschriften in kurzer Zeit. Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) sagt: “Ich gebe Entwarnung, da kann nichts Anbrennen.” Was ist los in der Hochstraße 46?
Clubbetreiber Ludwig Eben sagt, er sei überrascht worden. Plötzlich rückten Bauarbeiter an, um mit Abrissarbeiten zu beginnen und Bäume zurückzuschneiden. Umgehend hat er auf change.org eine Petition mit dem Titel “Stoppen Sie das genehmigte Bauvorhaben Hochstr. 46 am Humboldthain Club” gestartet. Innerhalb weniger Tage kamen tausende Unterschriften zusammen. Aktuell (Dienstag, 14.2.) sind es über 6000. Offenbar fürchtet nicht nur er Gerichtsklagen wegen Ruhezeiten. Der Baustadtrat hält die Aufregung für übertrieben und sagt: “Da besteht keine Gefahr für den Club”.
Ludwig Eben will wissen, ob wirklich keine einzige Wohnung vorgesehen ist und wie die Fenster angeordnet sind. “Auch wenn bloß eine einzige Hausmeisterwohnung vorgesehen ist, kann die für den Club zu einem Problem werden.” Baustadtrat Ephraim Gothe verweist auf die viel lautere S‑Bahn-Trasse. “Da muss niemand etwas befürchten, denn wir haben ein Bürohaus genehmigt”, erklärt der SPD-Politiker. Auch eine Hausmeisterwohnung werde nicht kommen. Deshalb seien Klagen ausgeschlossen. Zudem lägen zwischen Club und dem Neubau 30 bis 40 Meter Luftlinie. Und ein öffentlicher Spielplatz trennt Club und Neubau. Außerdem zeigt die vom Stadtrat angefertigte Grafik, dass in Richtung des Clubs begrünte, fensterlose Brandwände vorgesehen sind.
Baustadtrat Ephraim Gothe vermutet, die “Unruhe” ist durch die Darstellung der Lage bei Googlemaps entstanden. Der Club befände sich eben nicht auf der 46, sondern eher neben der 46. Zudem gehe es um ein Bürohaus, “einer am wenigstens empfindlichen Nutzung”.
Weil Ludwig Eben nicht weiß, woran er ist, habe er “über unseren Anwalt einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt”. Er fühle sich jedoch vom Stadtplanungsamt abgeschreckt, die Behörde würde Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz behindern. Die offizielle Reaktion bestünde aus Gebührenverlangen und Verweisen auf die Rechte des Eigentümers. Baustadtrat Ephraim Gothe widerspricht: “Das stimmt nicht”. Herr Eben könne jederzeit die Akten einsehen, im Moment könne dies wegen vieler Anfragen dieser Art drei Wochen dauern, aber “natürlich hat er das Recht, Einsicht zu nehmen”.
Was ist mit dem Spielplatz?
Und dann ist da noch der Spielplatz in der Hochstraße 46. Eine Anfrage der Bezirksverordneten Daniela Fritz (CDU) brachte Ende Januar ans Licht, dass der Bezirk bereits im Juni 2021 einen Flächentausch vorgenommen habe. Es fand “ein Grundstückstausch einer 191 m² großen Teilfläche statt, sodass die Grünfläche (Flurstück 573) mit rund 1358 m² nahezu unverändert hinsichtlich der Größe bleibt”, heißt es in der Antwort des Bezirksamts an Daniela Fritz. Mit dem Bauherrn sei vereinbart worden, dass der Spielplatz auf der vom Investor übernommenen Fläche abgerissen wird. Als Ersatz wird er neu aufgebaut auf der von ihm abgegebenen Fläche. Stadtrat Ephraim Gothe sagt: “Es wird weiterhin einen Spielplatz geben und der wird auch öffentlich zugänglich sein”. Alles wie bisher, nur leicht versetzt.
Für Daniela Fritz bleiben dennoch viele Fragen offen. “Die Menschen vor Ort können nicht über Jahre auf einen Spielplatz in diesem Kiez verzichten”, sagt sie. Und: Die “Unsicherheit muss sofort enden. Der Frühling steht vor der Tür.” Die CDU fordere den Bezirk auf, dieser solle “endlich transparent handeln!“
Bauherr Project-Immobilien
Den Neubau des Bürohauses übernimmt die Project PG Hochstraße 46 Berlin GmbH & Co. KG. Das Unternehmen gehört zu Project Immobilien mit Hauptsitz in Nürnberg. In Prospekten für Anleger beziffert Project die Investition auf 32,5 Millionen Euro. Das Bezirksamt erteilte die Baugenehmigung am 16. Dezember 2022. Dem Amt liegt für ein altes Gebäude eine Abbruchanzeige durch den Eigentümer vor.
Kleine Nebeninfo: Project-Immobilien startet gerade ein zweites Bauprojekt in der Wiesenstraße. Dort hat sie ein Wohnhaus abgerissen, das manchmal als “letztes” Einfamilienhaus in der Innenstadt bezeichnet wurde. Auf dem Grundstück mit der Hausnummer 11 soll “Studio Living” entstehen.
Über den Humboldthain Club
2023 ist für den Humboldthain Club eigentlich ein Feierjahr, denn es steht das zehnjährige Jubiläum an. Gegründet wurde der Club im März 2013. Über das Konzept des Clubs sagt Ludwig Eben: “Wir machen nicht nur Party”. Der Club sei auch ein Kulturstandort, so der frühere Mitbegründer des berühmten Tacheles und Betreiber des ehemaligen Cafés Zapata in der Oranienstraße. Die Location am S‑Bahnhof Humboldthain beschreibt Ludwig Eben als Kunst-Club-Projekt “Wann immer möglich, haben künstlerische Inhalte Vorfahrt vor Umsatz und Gewinn und es hat sich gezeigt, dass diese Einstellung langfristig die bessere Variante darstellt.” Auf seiner privaten Webseite stellt sich Ludwig Eben als Künstler und Maler vor. Der Mietvertrag für den Humboldthain Club laufe bis 2028.
Grafik: Stadtrat Ephraim Gothe
Weiß jemand, was das Gebäude, wo jetzt der Humoldthain Club drin ist, früher war? Also welche Nutzung es hatte?
Warum erzählte dann der Abrissleiter der Baustelle uns Anwohnern, dass der ganze Spielplatz für ein Hotelneubau abgerissen wird!?
Zudem entstehen im Moment Bürogebäude en masse im Wedding ( z.b. S‑Bahnhof Wedding oder ehemaliges Gebiet der LBB am Humboldthain)…ein städtebauliches Bedürfniss unserer Stadt???
2018 gab es einen Bauantrag für einen “Beherbergungsbetrieb”. Aktenzeichen 1100–2018-4139-Stadt(11)2 504. Doch im April 2022 gab es einen neuen Bauantrag für Hausnummer 46. Aktenzeichen 1140–2022-1390-Stadt(11)2 407. Dieser kommt nun zum Tragen. Stadtrat Ephraim Gothe spricht ausdrücklich von Bürohaus.
Es soll nicht der gesamte Spielplatz abgerissen werden. Vor Ort ist zu sehen, dass derzeit eine Tischtennisplatte hinterm Bauzaun verschwunden ist, das Klettergerüst steht nach wie vor. Das Bezirksamt schreibt: “Der Spielplatz wird auf der vom Investor zur Bebauung übernommenen Fläche abgebaut und dafür gleichzeitig Spielgeräte auf der vom Investor abgegebenen Fläche aufgebaut. Die beiden Flächen grenzen direkt aneinander.” Es geht um 191 Quadratmeter, wobei der gesamte Spielplatz brutto 1335 qm² (netto 683 qm²) groß ist.
Überraschend, wie schnell Sie an detaillierte Informationen vom Bezirksamt kommen und auf nachfragende Bürger nicht reagiert wird…
Ein Testfall für das Büro für Bürgerbeteiligung. Das hat der Bezirk eingerichtet, damit Bürger Informationen dieser Art erhalten können.
Plötzlich steht ein Bauzaun auf dem Spielplatz, Bäume werden gefällt und Anfragen der Anwohner an das Bezirksamt bleiben wochenlang (bis heute!) unbeantwortet. Der genannte Grundstückstausch erfolgt zu Lasten alter Bäume und der Spielplatz erhält im Gegenzug altes Garagengelände (vermutlich ölverseucht).
Dafür entstehen bald weitere leere Büroflächen, statt Wohnraum.
Klasse Entscheidung! Darum:
https://chng.it/Sx2RPpY7
Toll wäre es, wenn Herr Ludwig Eben nicht nur besorgt um seinen Club sondern auch seine Umgebung wäre. Wie der Platz vor dem Club nach einem Wochenende aussieht ist eine Katastrophe. Wie wäre es, wenn nicht nur die Tanzfläche, sondern auch mal vor der Tür gefegt würde? Sind wohl nicht die Anwohner, die da eine Flasche nach der andern leeren und stehen lassen.