Meinung Per Livestream kann die ganze Welt zuschauen, wie Forscher Alexander Gerst in die ewige Nacht des Weltraums aufbricht. Nicht ganz so viele Zuschauer wird der Aufbruch von hunderttausend Berlinern zur Langen Nacht der Wissenschaften am Sonnabend haben. Sie werden die Entdeckung machen, dass der Wedding für Forscher nicht mehr hinterm Mond liegt. Das führt zu der Frage: Und wann kommt die Wedding-Uni?
Schaut man auf das Programmheft der laut Eigenwerbung “klügsten” Nacht des Jahres, so ist zu sehen, dass Forscher sich ihre Labore nicht gleichmäßig über die Stadt verteilt erbaut haben. Es drängt sich dicht in Adlershof, in Dahlem und am Ernst-Reuter-Platz. Auf dem Lageplan für das Zentrum häuft es sich rund um die Charité in der Luisenstraße (die Geisteswissenschaftler der Humboldt-Uni glauben offenbar, dass sich nur sehr wenige für ihre Bücher interessieren). Aber die Karte für das Zentrum zeigt noch etwas: Zahlreiche Großfabriken der Wissenschaft stehen mittlerweile im Wedding.
Forschung im Wedding
Spitzenforschung leistet das Deutsche Herzzentrum Berlin am Augustenburger Platz. Ebenfalls ganz oben – wenn nicht in der Weltrangliste, dann in der Berlinrangliste – steht das Universitätsklinikum Virchow in der Seestraße. Zu diesem gehören auch die akademischen Lehrkrankenhäuser Jüdisches Krankenhaus (Heinz-Gallinski-Straße) und DRK-Krankenhaus (Drontheimer Straße). Und fast 13.000 Studenten schauen sich an der Beuth-Hochschule bei ihren Professoren ab, wie man an der “Stadt der Zukunft” forscht. Die Technische Uni erkundet technisches Neuland im Brunnenviertel. Das Fraunhofer-Institut betreibt dort angewandte Forschung. Selbst das Robert-Koch-Institut, bekannt für seine Impfempfehlungen, ist Forschungsstätte. Auch private Hochschulen sind im Wedding zu finden: die IB-Hochschule in der Gerichtstraße widmet sich Gesundheitsthemen. Die Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft bildet Medienexperten aus. Darüber hat der Weddingweiser kürzlich im Artikel “Wedding forscht! Wissenschaft vor der Haustür” berichtet.
Neue Forschung kommt hinzu
Allein die Länge dieser Liste zeigt, wie weit die Unternehmung “Reise in die Tiefen von Fragen, die nie ein Mensch zuvor gestellt hat” im Wedding schon vorangekommen ist. Und die Reise ist längst noch nicht zu Ende weiter. Einer Science-Fiction-Serie entsprungen zu sein scheint das Vorhaben der “simulierte Mensch”. Der Bau des Labors auf dem Gelände des Virchowklinikums ist beschlossene Sache. Das Deutsche Herzzentrum und die Charité sollen enger zusammen arbeiten – das bedeutet neue Investitionen. Für die Beuth-Hochschule soll das Parkhaus in der Luxemburger Straße abgerissen werden – Labore sollen dort errichtet werden. Und wer weiß, welche privaten Hochschulen sich im Wedding noch ansiedeln werden.
Eine Beuth-Uni?
Es ist eine Entdeckung, dass der Wedding sich zu einer Siedlung von Spitzenforschung entwickelt hat. Benachbarte Ortsteile schauen da dumm aus der Wäsche. Selbst der Senat hat die Entwicklung noch nicht vollkommen mitbekommen, listet er doch die Beuth-Hochschule (seit 9 Jahren ohne “Fach” im Namen) weiterhin als Fachhochschule auf. Also liebe Bildungsverwaltung, warum so zaghaft? Warum nicht die Beuth-Hochschule zu einer Uni machen? Spätestens wenn Tegel schließt und Teile der Beuth dorthin ziehen werden, wäre dieser Schritt möglich. (Und dann können auch gleich die frei schwebenden Institute der Humboldt-Uni in Adlershof zu einer eigenen Uni gemacht werden).
Wer sich selbst überzeugen will, ob die Forscher im Wedding das Zeug zu einer richtigen Uni haben, der kann sich am 9. Juni bei der Langen Nacht der Wissenschaften mit eigenen Augen überzeugen (lassen). – Und dabei auch der Frage nachgehen, wie es Wissenschaftlern gelingen konnte, für eine PR-Veranstaltung in eigener Sache Eintritt zu kassieren.
Bonbon
Wer uns heute eine E‑Mail schreibt, kann zwei Tickets für die Lange Nacht der Wissenschaft (für alle teilnehmenden Einrichtungen inkl. Fahrschein für die öffentlichen Verkehrsmittel im Berliner Tarifbereich ABC) gewinnen. Bitte schreibt bis Mittwoch 24.00 Uhr an [email protected] und nennt uns die Gründe, warum ihr den Weddingweiser lest und ob ihr einen Bezug zur Wissenschaft habt. Die Gewinner werden von uns rechtzeitig per Mail benachrichtigt.
Liste: Forschen und Studieren im Wedding:
Universitätsmedizin Charité im Virchow bietet Studiengänge zum Arzt oder Zahnarzt an.
Im Brunnenviertel im und neben dem ehemaligen AEG-Gelände lehrt die TU-Berlin Biotechnologie, Bioanalytik, Lebensmitteltechnologie, Straßenplanung, Statistik, Verfahrenstechnik. Weitere Standorte in der Seestraße.
IB-Hochschule Berlin (Studiengänge in Gesundheits- und Sozialwissenschaften – Studienkosten dieser privaten Hochschule nicht transparent)
Deutsches Herzzentrum (in Kooperation mit der privaten Steinbeis-Hoschule werden ein “berufliches Studium” angeboten – Studienkosten dieses privaten Studium nicht transparent)
Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (lehrt in der Ackerstraße Design, Journalismus, Psychologie und Wirtschaft – Studienkosten dieses privaten Studium nicht transparent)
Beuth-Hochschule für Technik
Keine Studienangebote finden sich am Forschungsinstitut Fraunhofer IZM für Zuverlässigkeit und Mikrointegration auf dem ehemaligen AEG-Gelände.