Unsere Serie: Im Afrikanischen, im Englischen oder im Brüsseler Viertel, aber auch im Brunnenviertel oder im Soldiner Kiez sind viele Straßen nach Ländern, Orten oder mit Bezug auf Kriegsschauplätze benannt. Da kann man schon eine kleine Weltreise machen. So mancher Straßenname im Wedding und Gesundbrunnen klingt merkwürdig. Nicht wenige sind nach Personen benannt – mit teilweise sehr fragwürdigen Biographien. Wer dahinter steckt, dürfte allerdings kaum jemand wissen. Wir erklären euch kurz, mit wem wir es da zu tun haben.
Straßenname auf Anwohnerwunsch
Bellermannstraße: Der Vater des 1793 geborenen Christian Friedrich Bellermann war ab 1804 Gymnasialdirektor in Berlin. Nach dem Schulbesuch kämpfte er als Freiwilliger gegen die napoleonische Besatzung und studierte ab 1814 Theologie. Von April 1818 bis Herbst 1825 war Bellermann Prediger in Lissabon, ab 1827 in Neapel. Ab 1835 wirkte Bellermann als Pfarrer an der neu errichteten St.-Pauls-Kirche am Gesundbrunnen. Seine in Südeuropa durchgeführten Forschungen veröffentlichte er 1839. Kurz nach seinem Tod 1863 beantragten Anwohner, der Straße den Namen Bellermannstraße zu verleihen, den sie dann auch erhielt.
Buttmannstraße: 1891 wurde eine weitere Straße nach einem Prediger an der St. Pauls-Kirche benannt, nämlich nach Philipp Buttmann (1809 – 1901). Dieser stammte aus einer seit 1789 in Berlin wohnenden Hugenottenfamilie. Er war zweiter Pastor an der St.-Pauls-Kirche in der Badstraße 50⁄51. Buttmann wohnte in der Pankstraße 30. Bei der Straße gibt es eine Besonderheit: Sie wurde noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.
Alchemisten
Am Ende des 19. Jahrhunderts waren neue Straßen rund um die Bad- und die Brunnenstraße sowie an der Panke entstanden. Diese wurden vor allem nach Alchemisten benannt, die vom 16. – 19. Jahrhundert in Berlin gewirkt haben.
Thurneysserstraße seit 1891
Leonhard Thurneysser, gen. zum Thurn (1531 – 1596) war Alchemist und Mediziner. Der gebürtige Baseler hatte Medizin studiert und wurde 1571 Leibarzt des brandenburgischen Kurfürsten. Thurneysser war Anhänger der modernen Theorien von Paracelsus und lebte im leerstehenden Franziskanerkloster zu den Grauen Brüdern, wo er ein Laboratorium und eine Buchdruckerei einrichtete. Er floh 1584 wegen Kritik an seinen medizinischen Praktiken und starb verarmt.
Kunkelstraße seit 1895:
Der 1631 geborene Johann Kunckel von Löwenstern war Experte für Glasherstellung, Alchemist und Erfinder. Außerdem wirkte er als Kammerdiener des Großen Kurfürsten. Er starb 1703 in Stockholm, vom schwedischen König geadelt.
Böttgerstraße seit 1905
Johann Friedrich Böttger, 1682 ‑1719, hatte eine Apothekerlehre absolviert. Er floh, weil er vermeintlich Gold produziert hatte, aus Berlin nach Sachsen. Dort wurde er nicht, wie gefordert, nach Preußen ausgeliefert, sondern man machte sich seine Kenntnisse zunutze: 1709 gelang ihm die Herstellung von Hartporzellan – die Geburt der Porzellanmanufaktur Meißen, die er bis zu seinem Tod leitete.
Unternehmer
Manche Unternehmer und Politiker hatten einen direkten Bezug zum Wedding, manche Namensgeber nicht. Von Ernst Schering und Heinrich Behm kann man jedenfalls sagen, dass sie den Wedding nachhaltig beeinflusst haben.
Scheringstraße seit 1894
Ernst Christian Friedrich Schering, 1824 – 1889, war Apotheker und Pharmazeut. 1851 erwarb er die spätere Grüne Apotheke in der Chausseestraße. Auf der Pariser Weltausstellung 1855 erhielt er eine Silbermedaille für seine Erzeugnisse. Das Apothekenlabor wurde peu à peu zu einer chemischen Produktionsstätte umgewandelt und 1864 in die Müllerstraße verlegt. Hatte Schering sich zunächst auf Foto-Hilfsmittel spezialisiert, setzte die Firma später auf Arzneimittel. 1882 schied Schering aus dem Betrieb aus. Nach diesem für den Wedding so wichtigen Fabrikanten (heute Standort der BAYER AG) sind eine Schule in der Lütticher Straße und eine (heute) relativ unbedeutende Straße im Brunnenviertel benannt.
Behmstraße seit 1894
Heinrich Wilhelm Behm, 1708 – 1780, erbaute das Bad und den Trinkbrunnen auf seinem Land an der Panke, wo 1701 eine Heilquelle entdeckt worden war. Einer Legende zufolge hatte der König Friedrich I. an dieser Stelle nach Wasser verlangt. Die Müllerin reichte ihm dieses und es schmeckte ihm gut. Diese Legende verbreitete der Arzt und Hofapotheker Behm und nannte das Bad Friedrichs-Gesundbrunnen. 1809 wurde das Bad nach der Königin Luise von Preußen „Luisenbad“ genannt – der noch im Namen der Bibliothek fortlebt. Letztlich sind so auch die Namen Bad- und Brunnenstraße entstanden.
Ravenéstraße seit 1895
Louis Ravené, 1793 – 1861, war Nachkomme hugenottischer Einwanderer und Eisenwarenhändler. Ravené übergab die Eisengroßhandlung an seinen Sohn Pierre Louis R. Ravené, der später wegen seiner öffentlich zugänglichen Gemäldesammlung bekannt wurde. Er hat keinen direkten Bezug zum Wedding.
Liesenstraße seit 1833
Carl Adolf Friedrich Liesen, 1785 – 1854, hatte eine Gaststätte in der Chausseestraße. Nachdem 1826 eine Straße durch sein Gelände angelegt wurde, erhielt diese 1833 seinen Namen. Der Name hat also nichts mit dem Frauennamen “Liese” zu tun.
Wollankstraße seit 1882
Friedrich Adolph Wollank, 1833 – 1877, gehörte zu einer bekannten Gutsbesitzerfamilie – berühmt für ihren Weinberg am heutigen Weinbergsweg. Er war Amtsvorsteher in Pankow und Anlieger der nach ihm benannten Straße. Erst seit 1938 gehört der Abschnitt zwischen Prinzenallee und S‑Bahnhof Wollankstraße zum Wedding.
Mehr Infos zu allen Berliner Straßen findet ihr bei Kauperts. Straßenführer durch Berlin. Jeder Straßenname wird erklärt.
In Teil 2 geht es um Schriftsteller, Architekten und Militärs.