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Milieuschutz: “Ein löchriger Schirm, der seinen Namen kaum verdient”

9. Dezember 2020

Protest trotz MilieuschutzDer Anfang vom Ende hat am 20. Novem­ber begon­nen. An die­sem Tag hat der neue Haus-Groß­grund­be­sit­zer Heim­sta­den mit Ver­tre­tern der Ber­li­ner Bezir­ke eine soge­nann­te Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung aus­ge­han­delt und unter­schrie­ben. Der Weg ist frei zum Kauf von sie­ben Spren­gel­kiez­häu­sern, trotz Milieu­schutz. Der genaue Wort­laut ist noch nicht bekannt. In einer Pres­se­mit­tei­lung heißt es: “In der Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung mit den Bezir­ken ver­pflich­tet sich Heim­sta­den u.a., auf die Umwand­lung der Miets­häu­ser in Eigen­tums­woh­nun­gen für die Dau­er von 20 Jah­ren zu ver­zich­ten.” Ein Mei­nungs­bei­trag aus dem Sprengelkiez.

Vorkauf durch Mieter extrem selten

Mieterprotest bei Milieuschutz
Mie­ter­pro­test Foto: Sprengel6

20 Jah­re Schutz – das klingt beru­hi­gend. Doch die Pra­xis ist eher beun­ru­hi­gend. Ein­fach gesagt, kann ein Haus­ei­gen­tü­mer die­se Frist ver­kür­zen auf sie­ben Jah­re, wenn die Woh­nun­gen in die­ser Zeit den Mieter:innen zum Vor­kauf ange­bo­ten wer­den. Bei den über­wie­gend gerin­gen Haus­halts­ein­kom­men im Spren­gel­kiez der blan­ke Hohn. Von Mieter:innen vor­ge­kauft wur­de von 2015–2019 nicht eine ein­zi­ge Woh­nung. In Gesamt­ber­lin im sel­ben Zeit­raum: nur 54 Woh­nun­gen. Und nun die Umwand­lungs­zah­len: von 2015–2019 wur­den in Gesamt­ber­lin 18.382 Woh­nun­gen umge­wan­delt. In unse­rem Milieu­schutz­ge­biet Sparr­platz: 401 Wohnungen.

Der rbb hat recher­chiert, dass die­seur Trend sich aktu­ell noch wei­ter ver­schärft. Die gera­de in allen Bezir­ken erschei­nen­den Halb­jah­res­zah­len für Janu­ar ‑Juli 2020 zei­gen: Schon bis Jah­res­mit­te wur­den in den meis­ten Bezir­ken fast so vie­le Woh­nun­gen umge­wan­delt wie im gesam­ten Jahr 2019. Die Gen­tri­fi­zie­rung, die Ver­drän­gung lang­jäh­ri­ger Kiezbewohner:innen geht also jetzt in zeit­ge­mä­ßem Super­tem­po weiter.

Ein inter­es­san­ter Vor­schlag zur Gegen­wehr kommt aus Fried­richs­hain-Kreuz­berg, vom dor­ti­gen Bau­stadt­rat Flo­ri­an Schmidt (Grü­ne). Er ver­langt, Men­schen zu unter­stüt­zen, ihre Häu­ser selbst zu erwer­ben. Dies sei zum Bei­spiel mit Hil­fe von Genos­sen­schaf­ten mög­lich. Er macht zudem den Vor­schlag, eine soge­nann­te Ankaufs­agen­tur zu grün­den. Außer­dem sol­len För­der­dar­le­hen in einer aus­rei­chen­den Grö­ßen­ord­nung zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Genos­sen­schaft­li­ches Woh­nungs­ei­gen­tum hat sich in der Ver­gan­gen­heit bewährt und ist zukunfts­taug­lich. Es soll­te gestärkt, geför­dert und unter­stützt wer­den. Mieter:innen haben ein Inter­es­se an der Instand­hal­tung und Pfle­ge ihrer Wohn­häu­ser. Sie soll­ten mit­wir­ken und mit­be­stim­men kön­nen, wenn es um ihr Miets­haus geht.

Wenn das so weitergeht

Trotz Milieu­schutz haben rein ren­di­te­ori­en­tier­te Immo­bi­li­en­spe­ku­lan­ten wie Ake­li­us, Von­o­via und Gabri­el, deren Häu­ser Heim­sta­den jetzt u.a. über­nom­men hat, seit Jah­ren ihren Fuß in der Tür im Spren­gel­kiez. Die­se Haus­ei­gen­tü­mer haben kein Inter­es­se an der Erhal­tung ihrer Häu­ser im jet­zi­gen Zustand und an den bunt gemisch­ten Men­schen, die das Kiez­mi­lieu aus­ma­chen. Sie wol­len Ren­di­te erwirt­schaf­ten und das geht am bes­ten durch Luxus­mo­der­ni­sie­rung und Umwand­lung in Eigen­tums­woh­nun­gen. Wenn das so wei­ter­geht, wird der Spren­gel­kiez mit sei­ner attrak­tiv-zen­tra­len Lage in Zukunft ein Luxus­wohn­ghet­to mit Video­über­wa­chung, Secu­ri­ty und Con­cier­ge hin­ter Sicher­heits­mau­ern.  Wir Sprengelkiezler:innen sit­zen dann an den Stadt­rand ver­trie­ben in unse­ren nicht mehr instand­ge­hal­te­nen Plat­ten­bau-Bruch­bu­den. Die­ses Hor­ror-Woh­nen einer tief­ge­spal­te­nen Gesell­schaft gibt es an deren Orten der Welt bereits. Wir Sprengelkiezler:innen brau­chen und wol­len das nicht.

Zusam­men­hal­ten in die­ser fins­te­ren Zeit könn­te hel­fen: Heim­sta­den! Spren­gel­kiez is wat­ching you. Gemein­sam statt ein­sam gegen Heim­sta­den, Ake­li­us, Von­o­via & Co!

 

Text: Annet­te Stubbe

Gastautor

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