Mastodon

Die Zeit der Warenhäuser ist vorbei:
Meine Wedding-Welt: Viele kleine bunte Läden

28. Dezember 2023
13

Immer nach Weih­nach­ten wur­de frü­her die gro­ße Umtausch-Orgie gefei­ert. In den Kauf­häu­sern stan­den die Beschenk­ten Schlan­ge. Das ist alles Geschich­te, auch bei uns. Denn der Kar­stadt am Leo schließt. Viel wur­de dar­über geklagt. Zuerst, weil das Ein­kaufs­er­leb­nis im Lau­fe der Jah­re immer weni­ger Spaß gemacht hat. Jetzt, weil das Kauf­haus tat­säch­lich schließt, ohne dass es eine ech­te Wie­der­eröff­nungs­per­spek­ti­ve gibt. Es ist nur eine Hoff­nung, dass der geplan­te Umbau tat­säch­lich statt­fin­det und am Ende wie­der ein Waren­haus sei­ne Tore öff­net. Ich bin mitt­ler­wei­le zwie­ge­spal­ten, ob ich mir das wirk­lich wün­sche. Denn wie oft bin ich selbst in den letz­ten Jah­ren bei Kar­stadt gewe­sen? Wenn ich ehr­lich bin, fast nie.

Neu­lich habe ich die wun­der­schö­ne Han­se­stadt Stral­sund besucht. Die Stadt kann sich rüh­men, Stamm­sitz zwei­er Kauf­haus­kon­zer­ne zu sein. Zunächst Leon­hard Tietz, des­sen Waren­haus spä­ter als Kauf­hof berühmt wur­de. Auf der ande­ren Sei­te Wert­heim, eine Ket­te, die es zuletzt nur noch in Ber­lin gab und die seit den 1980er-Jah­ren zu Her­tie (und spä­ter zu Kar­stadt) kam. Bei­de Stamm­häu­ser kann man in der Ossen­rey­er­stra­ße in Stral­sund noch besich­ti­gen. Nur: Ein klas­si­sches Waren­haus gibt es in der Fuß­gän­ger­zo­ne der Han­se­stadt nicht mehr. Statt des­sen: vie­le klei­ne Geschäf­te, Filia­lis­ten, klein­tei­li­ge Struk­tu­ren. Auch eine Mall konn­te ich in der his­to­ri­schen Alt­stadt nicht ent­de­cken. Hat das der Stadt gescha­det? Wohl kaum: 2019 wur­de die leben­di­ge Stadt zur Ein­kaufs­stadt des Jah­res gewählt.

Alt­stadt von Stral­sund Foto: Pixel­teu­fel / Wiki­me­dia Commons

Klar, den Wed­ding kann man nicht mit einer tou­ris­tisch attrak­ti­ven Stadt mit Welt­kul­tur­er­be­sta­tus ver­glei­chen. Aber etwas ler­nen kann man viel­leicht doch: Wenn es gelingt, auf gro­ße Ein­kaufs­tem­pel zu ver­zich­ten, son­dern die Ansied­lung klei­ne­rer Geschäf­te för­dert, kann das eine einst­mals glän­zen­de Ein­kaufs­mei­le wie die Mül­lerstra­ße bele­ben. Es ist wohl sinn­los, auf einen Leucht­turm wie das kra­chend geschei­ter­te SIGNA- Umbau­pro­jekt Kar­stadt an der Mül­lerstra­ße 25 zu set­zen. Ein Geschäfts­stra­ßen­ma­nage­ment, eine Inter­es­sen­ge­mein­schaft von Händ­lern und eine Wirt­schafts­för­de­rung durch den Bezirk könn­ten am Ende mehr bewir­ken als ein Plei­tier aus Tirol.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

13 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Das Foto zeigt deut­lich einen wei­te­ren Unter­schied: auf dem Bild sehe ich eine Fuß­gän­ger­zo­ne. Vie­le klei­ne Läden bedeu­tet auch, dass ich vom einen zum ande­ren kom­men muss. Das geht ver­mut­lich am bes­ten zu Fuß, das macht wie­der­um in einer Fuß­gän­ger­zo­ne mehr Spaß als an der Mül­lerstra­ße (und ja, da gibt es ein „dazwi­schen“ – weni­ger Ver­kehr und zumin­dest ein paar Läden – wie wir es in den Kiezen sehen).
    Mir hat Kar­stadt seit der Schlie­ßung jetzt schon ein paar­mal gefehlt. Jetzt mache ich Aus­flü­ge zum Alex oder in die Fuß­gän­ger­zo­ne Wil­mers­dor­fer Straße.

  2. Über­all liest man, dass das Waren­n­haus tot ist. Dabei schließt Gale­ria Mül­lerstra­ße laut Aus­sa­ge des Betriebs­ra­tes nicht wegen roter Zah­len. Schlech­tes Man­ge­ment treibt vie­le Häu­ser in den Ruin. Man schaue nur ins Aus­land: Kauf­haus­ket­ten wie El Cor­te Ingles oder Macys fah­ren – bei gutem Man­ge­ment und inno­va­ti­ven Ideen – ordent­li­che Gewin­ne ein.

  3. Hal­lo
    wenn ich all die Kom­men­ta­re lese juckt es mich doch in den Fin­gern …. und stel­le mal fol­gen­de Fra­ge – viel­leicht kann mir das mal jemand beantworten
    Es gab jede Men­ge klei­ne unter­schied­li­che Geschäf­te auf der Mül­ler…. wo sind´se hin ?? Jeder der ein Geschäft eröff­net muss Mie­te zah­len. Cafe´s , Schicha Bars , Barbershop´s , Bäcke­rei­en, Tele­fon­lä­den , unzäh­li­ge Döner­lä­den und ähn­li­che Restaurant´s – fast nur noch türkische/arabische Inha­ber. Sind die bes­se­re Selbst­stän­di­ge?? Bekom­men das Deut­sche nicht mehr hin ?? wie konn­te es nur dazu kom­men das die gan­ze Viel­fäl­tig­keit an Geschäf­ten auf der Mül­ler in den letz­ten 20 Jah­ren ver­schwun­den ist ?? Es gab mal einen Wie­ner­wald – raus , tür­ki­sche Bäcke­rei rein , letz­te Video­thek raus – Bar rein , Eck­knei­pe raus – Schichabar rein… hat da das Bezirks­amt nicht auch ein Wort mit­zu­re­den, wie so eine Stra­ße sich gestall­ten soll ??
    Gruß

    • Bei der Gestal­tung der Mül­lerstra­ße kann das Bezirks­amt Din­ge fest­le­gen, bei der Aus­wahl der Mie­ter aller­dings gar nicht. An der Mül­ler, zwi­schen See­str. und Luxem­bur­ger, zäh­le ich min­des­tens 15 Cafés bzw. Bäcker, die Stüh­le vor der Tür haben. Die Mar­ge bei einer Tas­se Kaf­fee ist so hoch, dass der Inha­ben­de die Mie­te an der Mül­ler zah­len kann. Und beim Imbiß/Döner ist das ähn­lich. Die Han­dels­pro­fis (Rewe, Pen­ny, Bolu und Bio­dings, dm usw.) haben zwar eine gerin­ge Mar­ge, aber da macht es die Men­ge der Kun­den. Der (inha­ber­ge­führ­ten) Fach­han­del is raus, weil mit sei­nen Mar­gen und gerin­ge­ren Kun­den­fre­quen­zen die Mie­te nicht ver­dient wer­den kann. Buch­la­den, ein Fahr­rad­la­den, eine Wein­hand­lung o. ä. an der Mül­lerstra­ße wird es nicht mehr geben, bzw. nur ganz hin­ten im Nie­mands­land kurz vorm Kutschi.
      Wenn man genau hin­schaut sieht man auch: Es gibt zwi­schen See­str. und Luxem­bur­ger einen Fri­seur (wenn ich mich recht erin­ne­re), kei­ne Shi­sha-Bar, kein Wett­bü­ro, kein Rei­se­bü­ro, und eine Eck­knei­pe schon lan­ge nicht mehr. Auch die kön­nen die Mie­ten nicht zah­len, son­dern sind in der Brüs­se­ler oder Ams­ter­da­mer etc.

    • Das Bezirks­amt hat das ver­mut­lich nur so bedingt Ein­fluss. Die Gewer­be­räu­me gehört dem Amt ja nicht. Das hat wohl der berühm­te Markt geregelt.

  4. Wird hier mit „klei­nen Geschäf­ten“ nicht etwas roman­ti­siert? Auch die­se möch­ten Geld ver­die­nen und müs­sen Mie­te zah­len. Das bes­te sind mei­ner Ansicht nach eine Art Genos­sen­schaf­ten, wo Pro­du­zen­ten und Kun­den in engem Aus­tausch ste­hen. Ob sich sol­che Ideen aber in der heu­ti­gen Zeit Zukunft haben, bleibt abzuwarten.

    • Das wird stark roman­ti­siert. Und kommt auch nicht wie­der. Wie denn auch – da müß­te die Mie­ten ja sin­ken. Tun sie aber nicht, bei Immo­scout wer­den für den Wed­ding 16–17 €/m² auf­ge­ru­fen (und das ist nicht Mül­lerstra­ße). Bei der Mie­te kann ein „klei­nes Geschäft“ nicht überleben.

  5. Die Ansied­lung klei­ne­rer Geschäf­te för­dern? – das ist leicht dahin gesagt. Da gibt es NICHTS zu för­dern. Es hängt alles an der Mie­te. Die letz­ten klei­ne Geschäf­te, die mir ein­fal­len lie­gen auch in den Sei­ten­stra­ßen der Mül­lerstra­ße (ein Buch­la­den, Fahr­rad­la­den, der CD-Laden) oder, falls doch in der Mül­ler, wei­ter weg vom Zen­trum. Und alle, wirk­lich, könn­ten bei der nächs­ten Miet­erhö­hung weg sein.
    In Neu­kölln habe ich beim letz­ten Spa­zier­gang schon fünf Wein­hand­lun­gen gezählt – unge­för­dert wohl­ge­merkt. Böse gesagt: Selbst die Gen­tri­fi­zie­rung kriegt der Wed­ding nicht auf die Reihe.

  6. Es gibt vie­le klei­ne net­te Läden z.B. im Spren­gel­kiez, Brüs­se­ler Kiez oder Hol­län­di­schen Vier­tel. Dort kau­fe ich ger­ne ein.

    • Aber auch da haben die ers­ten Läden schon wie­der dicht gemacht (z.B. Van­de­ly, Sar­del­le, Klei­ne Men­sa, Zeichencenter….)

  7. NaJa – eine Ansied­lung vie­ler klei­ner Geschäf­te haben wir ja schon auf der Mül­lerstr. Nur dass es sich dabei vor­ran­gig um Imbiss­lä­den, Gold- und Schmuck­an­kauf oder Tele­fon­lä­den handelt.
    DAS ist nun auch kei­ne ech­te Alternative!

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



nachoben

Auch interessant?