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Machtablösung im Bezirk

29. Oktober 2016
Vier von fünf Stadträten. Von links Ephraim Gothe, Stephan von Dassel, Sabine Weißler, Carsten Spallek. Foto Andrei Schnell.
Vier von fünf Stadt­rä­ten. Von links Ephra­im Gothe, Ste­phan von Das­sel, Sabi­ne Weiß­ler, Cars­ten Spal­lek. Foto: And­rei Schnell

Die Kämp­fe um die Pos­ten im Bezirk Mit­te sind fast been­det. Am 27. Okto­ber wur­de das neue Bezirks­amt gewählt. (Das Bezirks­amt, das grob als eine Art Bezirks­re­gie­rung ver­stan­den wer­den kann, ist nicht zu ver­wech­seln mit dem land­läu­fi­gen Begriff vom “Amt”.) Es besteht aus fünf Stadt­rä­ten, die die Bezirks­po­li­tik in Mit­te maß­geb­lich beein­flus­sen. Wel­cher der fünf Stadt­rä­te den größ­ten Ein­fluss haben wird, wird sich in den nächs­ten Jah­ren erwei­sen. Hier eine Vor­stel­lung der zukünf­tig poli­tisch fünf ein­fluss­reichs­ten Men­schen in Mitte.

Stephan von Dassel (Grüne)

Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel. Foto Andrei Schnell.
Bezirks­bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel. Foto: And­rei Schnell

Als Bezirks­bür­ger­meis­ter ist Ste­phan von Das­sel mög­li­cher­wei­ser der mäch­tigs­te Poli­ti­ker in Mit­te. Denn kommt es bei einer Abstim­mung unter den fünf Stadt­rä­ten des Bezirks­am­tes zu einem Patt, dann ent­schei­det sei­ne Stim­me. Außer­dem unter­steht ihm das Rechts­amt und der Steue­rungs­dienst – die Lei­ter bei­der Ämter neh­men an jeder Sit­zung des Bezirks­am­tes teil. Von Das­sel ist auch für die Ser­vice­ein­hei­ten Per­so­nal und Finan­zen zustän­dig. Er wird also den Haus­halt 2018/2019 auf­stel­len und damit wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen tref­fen. Auch über die in den nächs­ten Jah­ren zu erwar­ten­den Per­so­nal-Ein­stel­lun­gen wird er den Bezirk prä­gen. Nicht zuletzt unter­steht im die Wirt­schafts­för­de­rung. Auf der ande­ren Sei­te ist er in sei­nen Mög­lich­kei­ten ein­ge­schränkt. Eine Ver­ein­ba­rung mit der SPD (grob ver­gleich­bar mit einer Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung) gibt ihm vie­le bereits Ent­schei­dun­gen vor. Bei einer Vor­stel­lung tritt er beschei­den auf: “Wir wol­len einen koope­ra­ti­ven Stil, wo man gemein­sam, ver­trau­ens­voll, kon­struk­tiv mit ein­an­der umgeht.”

Sabine Weißler (Grüne)

Sabine Weissler (vorn rechts) entscheidet über Verkehr. Foto Andrei Schnell.
Sabi­ne Weiss­ler (vorn rechts) ent­schei­det über Ver­kehr. Foto: And­rei Schnell

Auf den ers­ten Blick hat Stadt­rä­tin Sabi­ne Weiß­ler (Grü­ne) mit Wei­ter­bil­dung, Kul­tur und Umwelt ihre vor­he­ri­gen Rand­the­men behal­ten. Aber sie ist nun zusätz­lich auch für das Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt zustän­dig. Das als SGA abge­kürz­te Amt ist sehr ein­fluss­reich. Mit die­sem Amt besetzt die Stadt­rä­tin das The­ma Ver­kehr. Sie selbst sagt: “Es geht dar­um: Wie wird Ver­kehr geplant? Wir erar­bei­ten zukunfts­wei­sen­de Kon­zep­te für den durch Mit­te durch­flie­ßen­den Ver­kehr, aber auch für die Men­schen, die in Mit­te woh­nen.” Kon­kret geht es um neue Zonen für Park­raum­be­wirt­schaf­tung, um drin­gend benö­tig­te Fahr­rad­we­ge oder dar­um, die gro­ßen Durch­gangs­stra­ßen zu ver­schmä­lern. Auf die­se Wei­se wird sie den Bezirk verändern.

Ephraim Gothe (SPD)

Stand am 18. September nicht zur Wahl, ist nun Stadtrat. Ephraim Gothe. Foto Andrei Schnell.
Stand am 18. Sep­tem­ber nicht zur Wahl, ist nun Stadt­rat. Ephra­im Gothe. Foto: And­rei Schnell

Ephra­im Gothe war bereits in der vor­letz­ten Peri­ode von 2006 bis 2011 Stadt­rat für Stadt­ent­wick­lung. Jetzt hat er die Berei­che Stadt­ent­wick­lung, Sozia­les und Gesund­heit. Auch er könn­te der Ein­fluss­reichs­te unter den fünf wer­den. Er hat durch sei­ne – wenn auch kur­ze – Zeit als Staats­se­kre­tär im Ber­li­ner Senat vie­le Kon­tak­te, die ihm hel­fen kön­nen, sei­ne stadt­pla­ne­ri­schen Zie­le zu errei­chen. Wo in Mit­te gebaut wird, wird sei­ne Hand­schrift erkenn­bar sein.

Auch ist er offen­bar ein guter Ken­ner von Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten. So ist es ihm gelun­gen, Stadt­rat zu wer­den, obwohl er bei der Wahl am 18. Sep­tem­ber nicht auf der Wahl­lis­te stand. Er selbst sagt: “Inner­halb der SPD war dar­über nie­mand ver­blüfft und es hat auch nie­mand dar­an Anstoß genom­men.” Er habe im Früh­jahr der Par­tei erklärt, wenn die SPD den Bereich Stadt­ent­wick­lung bekom­me, dann ste­he er bereit. Dass er nicht macht­los ist, zeigt außer­dem, dass er sich inner­halb der SPD bei einer Kampf­ab­stim­mung gegen Sabi­ne Smen­tek durch­ge­setzt hat. Smen­tek wäre gern Stadt­rä­tin geblieben.

Carsten Spallek (CDU)

Carsten Spallek hat keine unwichtigen Ressorts. Foto Andrei Schnell.
Cars­ten Spal­lek hat kei­ne unwich­ti­gen Res­sorts. Foto: And­rei Schnell

Ist er der Ver­lie­rer beim Zuschnitt der Berei­che? Nur auf den ers­ten Blick. Zwar ist Spal­lek nun nicht mehr Stadt­rat für Stadt­ent­wick­lung und damit nicht mehr zustän­dig für die gro­ßen Bau­pro­jek­te wie Euro­pa-City oder den ber­lin­weit bedeut­sa­men Mau­er­park. Aber mit dem Bereich Schu­le ver­fügt er über ein The­ma, das die Leu­te bewegt. Und über den Bereich Immo­bi­li­en (Faci­li­ty Manage­ment) ver­fügt er über einen Hebel, Pro­jek­te vor­an­zu­brin­gen oder aus­zu­brem­sen. So nimmt er sich durch­aus Gro­ßes vor. Ers­ter Schritt ist der Schul­ent­wick­lungs­plan. Die­sen braucht er, um “bei stei­gen­den Schü­ler­zah­len über Erwei­te­rungs­bau und Schul­neu­bau zu reden”. Nie­mand wird sich ihm beim The­ma Schu­le – zumin­dest offen – in den Weg stel­len wol­len. Gut mög­lich, dass er freie Hand hat und die Ent­wick­lung der Schu­len stark beein­flus­sen wird.

Dr. Sandra Obermeyer (Linke)

Sven Diedrich mochte nicht Stadtrat werden. Foto Andrei Schnell.
Sven Died­rich moch­te nicht Stadt­rat wer­den. Foto: And­rei Schnell

Den Lin­ken steht ein Stadt­rat zu. Von den fest­ste­hen­den und zu ver­tei­len­den Berei­chen sind für sie nur übrig geblie­ben: Jugend­amt und Bür­ger­diens­te. Sven Died­rich, der Spit­zen­kan­di­dat der Lin­ken, will offen­bar unter die­sen Bedin­gun­gen nicht Stadt­rat wer­den. Er sagt: “Seit über 20 Jah­ren arbei­te ich an mie­ten- und woh­nungs­po­li­ti­schen The­men” und “Das Jugend­amt ist ein höchst sen­si­bler Bereich und die Situa­ti­on in Mit­te ist haus­häl­te­risch betrach­tet  mehr als schwie­rig.” Die Lin­ken wer­den zeit­nah einen Kan­di­da­ten vor­schla­gen. Doch klar ist auch: Wer auch immer für die Lin­ken Stadt­rat wird, er wird nicht viel gestal­ten kön­nen. Nach­trag: Die Lin­ke hat die par­tei­lo­se Ver­wal­tungs­recht­le­rin Dr. San­dra Ober­mey­er für den Pos­ten nominiert.

Abschied vom langjährigen Bezirksbürgermeister Christian Hanke

Nicht unbeliebt, aber nicht ausreichend Wähler. Der ehemalige Bürgermeister Christian Hanke. Foto Andrei Schnell,
Nicht unbe­liebt, aber nicht aus­rei­chend Wäh­ler. Der ehe­ma­li­ge Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Han­ke. Foto: And­rei Schnell

Bei der Wahl des neu­en Bür­ger­meis­ters am 27. Okto­ber hat sich der ehe­ma­li­ge Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Han­ke von den Bezirks­ver­ord­ne­ten ver­ab­schie­det. Auch intern hat sich Han­ke bei vie­len Mit­ar­bei­tern der Ver­wal­tung ver­ab­schie­det. Dem Wed­ding­wei­ser schreibt Han­ke: “Lei­der haben zu wenig Bür­ge­rin­nen und Bür­ger SPD gewählt, sodass die Grü­nen mit einem Vor­sprung von rund 160 Stim­men das Vor­schlags­recht [für das Amt des Bür­ger­meis­ter] beka­men.” Er zieht rück­bli­ckend eine posi­ti­ve Bilanz: “Neben vie­len prak­ti­schen Din­gen, die wir und ich für die Men­schen im Bezirk erreicht haben, bin ich beson­ders stolz, dass es mir gelun­gen ist, dass der Bezirk nun schul­den­frei ist und ab dem nächs­ten Jahr end­lich wie­der sei­ne Per­so­nal­ho­heit zurück­ge­won­nen hat.” Er hofft, dass die neu­en Stadt­rä­te eine “Poli­tik für alle, sehr unter­schied­li­chen Men­schen im Bezirk” machen. Er zeigt sich als guter Ver­lie­rer der Macht, indem er den nun gewähl­ten fünf Stadt­rä­ten “viel Glück und Erfolg” wünscht.

Text: And­rei Schnell, Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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