Berliner Straßen sind irgendwie anders. Typisch sind die gepflasterten, breiten Gehwege, auf denen im Wedding auch viele Einkaufswagen herumstehen, die weißen Straßenschilder mit einer weltweit einmaligen Schriftart, die Gaslaternen und unendlich viele Litfaßsäulen. Sie prägen das Stadtbild wie nirgendwo sonst in Deutschland – es gab zuletzt noch 2.500 von ihnen.
Nach einer verlorenen Ausschreibung baut nun der alte Betreiber Wall die 60 bis 70 Jahre alten und ungewöhnlich schmalen Säulen aus Beton und Eternit ab und entsorgt sie, weil sie teilweise Asbest enthalten, als Sondermüll. Nur noch 1.500 neue und der breiteren Norm entsprechende Litfaß-Säulen sind vom zukünftigen Betreiber beantragt. Somit verschwindet ein Stück Berliner Geschichte, das mit dem Drucker Ernst Litfaß 1854 hier seinen Anfang nahm und bis heute, in all ihren Varianten, zum gewohnten Straßenbild dazugehört. Von den historischen Säulen dürfen mindestens 12 in ganz Berlin stehenbleiben.
Obwohl heute die Häuserwände mit Graffiti überzogen und die Laternenmaste mit Botschaften und Abreißzetteln beklebt sind, kann man sich kaum vorstellen, welche revolutionäre Neuerung diese Säulen damals gewesen sein müssen. Die unzähligen Flugblätter, Zeichnungen und politischen Botschaften hingen zuvor überall, wo sie sich befestigen ließen. Anfangs dienten die Zylinder nur der Werbung für Kulturveranstaltungen, später kamen auch Kriegsberichte dazu. Und nach den Weltkriegen wurde die Bevölkerung von den Besatzungsmächten informiert. Auch Vermisstenanzeigen oder Wahlaufrufe wurden auf die Säulen geklebt. Das alles war in einer Zeit ohne elektronische Medien oder das Internet von enormer Bedeutung. Eine Ahnung davon bekommt man heute noch in Zeiten des Wahlkampfs, wenn die Parteien jeden freien Winkel mit ihren Plakaten überziehen.
Nun haben die alten Litfaßsäulen noch eine Galgenfrist bis zur Jahresmitte. Sie sind einfarbig beklebt und fügen sich damit ganz besonders unauffällig ins Straßenbild ein, solange sie auf ihren Abbau warten. Das ist widersinnig, denn eigentlich ist der Zweck der Werbung ja eben genau das: aufzufallen. Einige von ihnen werden nun mit Botschaften versehen – “mehr Respekt, weniger Werbung”, zum Beispiel. Dabei könnten sie doch auch dazu dienen, interessante Infos aus dem Kiez zu verbreiten.
Und wie sehen die neuen Säulen aus? Wir haben die erste “Neue” entdeckt, in der Triftstraße. Modern, kühl, schwarz. So sieht die Zukunft der Litfaßsäulen also aus.
Ich wohne Hochparterre und hatte 45 Jahre lang eine Sicht auf die Kreuzung Holzhauser Straße Jacobsenweg. Seit dem 6.3. hat man uns eine Litfaßsäule noch nicht mal 4 Meter entfernt vor die Fenster gesetzt, was sowohl uns als auch die Geschäfte ebenerdig und die Mieter im geschützten Altbau in höheren Etagen entsetzt hat, denn der Ausblick auf ein dreckiges schwarzes Dach ist nicht gerade angenehm. Es ist soviel Platz auf großen Ecken in Berlin für diese Säulen wenn es unbedingt sein muss, obwohl nicht klar ist wieviel Asbest in diesen Ungeheuern noch enthalten ist. Ich habe weder in Tegel, Hermsdorf, Frohnau, Wittenau, Lübars usw. Litfaßsäulen entdeckt die in derartiger Nähe von Fenstern der Mietwohnungen aufgestellt wurden und habe seit dem 7.3. stärker werdende Kopfschmerzen. Es ist einfach ein Witz dass man mir in der heutigen Wohnungsnotlage lapidar rät umzuziehen. Mein Mann hat schwere COPD und Krebs.