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Kunstsalon im Atelier:
Kunst und Stulle

4. März 2023

Die Künst­le­rin Susan­ne Haun pflegt eine fei­ne, alte Ber­li­ner Tra­di­ti­on. Zum 25. Mal traf sich in ihrem Ate­lier im Osram­kiez ein bun­tes Publi­kum zu einem Kunst­sa­lon der beson­de­ren Art.

Die Ehre, an einem der Kunst­sa­lons von Susan­ne Haun teil­neh­men zu dür­fen, muss man sich hart erar­bei­ten. Aber wer die vie­len Stock­wer­ke und Stu­fen bis zum Dach­ge­schoss des Alt­baus in der Gro­nin­ger Stra­ße geschafft hat, wird dafür reich belohnt. An der Tür zu ihrem Ate­lier wird man von der Künst­le­rin selbst (zu jedem Salon in einem neu­en Kleid) begrüßt und betritt einen gro­ßen, hel­len Raum, der mit viel Lie­be für einen Abend zu einem Salon umge­stal­tet wur­de. Ein Salon, das ist ein etwas ande­res Erleb­nis als der Besuch einer Ver­nis­sa­ge in einem der lee­ren wei­ßen Wür­fel, in denen der Kunst­markt in Ber­lin gewöhn­lich sei­ne Ange­bo­te präsentiert.

Die Tra­di­ti­on der künst­le­ri­schen Salons stammt aus der Zeit der Ber­li­ner Roman­tik Ende des 18. Jahr­hun­derts. Die Begeg­nungs­or­te für Künst­ler, Bür­ger und Adel waren meist die präch­ti­gen Häu­ser des preu­ßi­schen Groß­bür­ger­tums und die Ein­la­den­den waren immer gebil­de­te Frau­en. Vor­bild für Hauns Kunst­sa­lons sind die Salons von Rahel Varn­ha­gen (geb. Levin), Toch­ter eines des jüdi­schen Kauf­manns, die eine hoch gebil­de­te Auto­di­dak­tin, Schrift­stel­le­rin und frü­he Frau­en­recht­le­rin war.

Dass Susan­ne Haun ihren Kunst­sa­lon heu­te in einem alten Miets­haus im unbür­ger­lichs­ten Stadt­teil Ber­lins ver­an­stal­tet, wider­spricht der Tra­di­ti­on nicht. Es kommt ein­fach daher, dass die Künst­le­rin im Wed­ding gebo­ren ist und hier auch ihr Ate­lier hat. Aber das macht ihn natür­lich zu einem beson­de­ren Ereignis.

Wie bei den Salons Varn­ha­gens steht auch bei Hauns Salons das Ken­nen­ler­nen, die Dis­kus­si­on und das gemein­sa­me Schaf­fen im Vor­der­grund. Getreu dem über­lie­fer­ten Mot­to „Das Gespräch selbst ist die Kunst des Salons, die Kunst der Gesel­lig­keit.“, steht im Zen­trum ihres Salons ein lan­ger Holz­tisch, an dem etwa 15 Besu­che­rin­nen und Besu­cher und ein ganz beson­de­res Buf­fet Platz fin­den. Einer zum Stadt­teil pas­sen­den Tra­di­ti­on fol­gend, bewir­tet die Wed­din­ger Salo­niè­re seit ihrem ers­ten Kunst­sa­lon im Febru­ar 2014 ihre Gäs­te mit Ber­gen von satt bestri­che­nen Schmalz­stul­len, selbst geba­cke­nem Kuchen und Wein. Die Stul­len gibt es natür­lich inzwi­schen auch in einer vega­nen Variante.

Damit ist erst ein­mal die Basis gelegt, für das was an dem Abend noch kommt. Und auch das ist üppig. Susan­ne Hauns farb­in­ten­si­ve, in ver­schie­de­nen Tech­ni­ken aus­ge­führ­ten Bil­der wür­den schon Anre­gung genug bie­ten, um einen Abend damit zu fül­len. Aber der Künst­le­rin ist es ein Anlie­gen, den Aus­stel­lungs­platz an den Wän­den ihres Salons nicht allein zu bean­spru­chen, son­dern ihn, für jeden Salon neu, mit einer zwei­ten Künst­le­rin gemein­sam zu gestalten.


Für den 25. Salon hat­te sie sich als Gast Bri­git­te Windt ein­ge­la­den, die den Schreib­Raum­Ber­lin in Moa­bit ins Leben geru­fen hat. Und weil Windt ihre Wur­zeln in der Lyrik hat, war das Wech­sel­spiel von Wort und Bild der Aus­gangs­punkt des krea­ti­ven Pro­zes­ses, der sich an den Wän­den des Salons in Col­la­gen, Zeich­nun­gen und Roll­bil­dern wie­der­fand und von den Künst­le­rin­nen in all sei­nen Facet­ten geschil­dert wur­de. „Ich den­ke in Bil­dern“, beschreibt Haun ihre Her­an­ge­hens­wei­se. „Des­halb ist es für mich unge­wohnt, auch Spra­che in mei­ne Wer­ke zu inte­grie­ren.“ Aber wer ihre Wer­ke genau­er betrach­tet, merkt bald, dass ihr der zeich­ne­ri­sche Cha­rak­ter der Schrift gefällt und oft in ihren Bil­dern ein­ge­ar­bei­tet wird. Auch am umfas­send gebil­de­ten Hin­ter­grund, frü­her Grund­vor­aus­set­zung für eine Frau, um zu einem Salon ein­la­den zu dür­fen, fehlt es der Gast­ge­be­rin nicht. In einem rasan­ten Abriss vom Mit­tel­al­ter bis zur Wort­kunst Jen­ny Holz­ers in der Neu­en Natio­nal­ga­le­rie, ließ Haun erken­nen, dass sie zur­zeit an ihrer Pro­mo­ti­on in Kunst­ge­schich­te arbeitet.

Dane­ben gibt die viel­fäl­ti­ge Künst­le­rin auch Kur­se für ver­schie­de­ne Mal- und Zei­chen­tech­ni­ken. Des­halb wur­den nach der Theo­rie auch gleich Farb­stif­te und Papier ver­teilt, damit die Gäs­te sel­ber einen Bei­trag zum The­ma des Abends gestal­ten konn­ten. Der „Impuls für die Besu­che­rin­nen und Besu­cher in Schrift und Bild krea­tiv zu wer­den“ wur­de sehr dis­zi­pli­niert auf­ge­nom­men und brach­te unter Anlei­tung der bei­den Künst­le­rin­nen schon nach einer hal­ben Stun­de über­ra­schen­de Ergeb­nis­se her­vor, die ihre Schöp­fe­rin­nen und Schöp­fer mit Stolz prä­sen­tier­ten. Natür­lich waren sie wie­der­um eine Anre­gung zum Aus­tausch, den die Salon­gäs­te, gestärkt von Wein und Stul­le, bis in den spä­ten Abend fortsetzten.

Der nächs­te, 26. Kunst­sa­lon wird im Juli/August statt­fin­den. Als Gast ist die Künst­le­rin Con­ny Nie­hoff aus Col­bitz (Sach­sen­An­halt) ein­ge­la­den. „Das The­ma wis­sen wir noch nicht, aber es wird wie immer ein span­nen­des The­ma sein“, kün­digt Susan­ne Haun an.

Wer Hauns Wer­ke ken­nen ler­nen, und sich von ihren Salons inspi­rie­ren las­sen will, kann die Ankün­di­gung zum nächs­ten Salon auf der Web­site der Künst­le­rin finden.

Eine Anmel­dung bei der Gast­ge­be­rin wird empfohlen.

Fotos: Micha­el Fan­ke, Rolf Fischer

Rolf Fischer

Ich lebe gerne im Wedding und schreibe über das, was mir gefällt. Manchmal gehe ich auch durch die Türen, die in diesem Teil der Stadt meistens offen stehen.

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