Die Künstlerin Susanne Haun pflegt eine feine, alte Berliner Tradition. Zum 25. Mal traf sich in ihrem Atelier im Osramkiez ein buntes Publikum zu einem Kunstsalon der besonderen Art.
Die Ehre, an einem der Kunstsalons von Susanne Haun teilnehmen zu dürfen, muss man sich hart erarbeiten. Aber wer die vielen Stockwerke und Stufen bis zum Dachgeschoss des Altbaus in der Groninger Straße geschafft hat, wird dafür reich belohnt. An der Tür zu ihrem Atelier wird man von der Künstlerin selbst (zu jedem Salon in einem neuen Kleid) begrüßt und betritt einen großen, hellen Raum, der mit viel Liebe für einen Abend zu einem Salon umgestaltet wurde. Ein Salon, das ist ein etwas anderes Erlebnis als der Besuch einer Vernissage in einem der leeren weißen Würfel, in denen der Kunstmarkt in Berlin gewöhnlich seine Angebote präsentiert.
Die Tradition der künstlerischen Salons stammt aus der Zeit der Berliner Romantik Ende des 18. Jahrhunderts. Die Begegnungsorte für Künstler, Bürger und Adel waren meist die prächtigen Häuser des preußischen Großbürgertums und die Einladenden waren immer gebildete Frauen. Vorbild für Hauns Kunstsalons sind die Salons von Rahel Varnhagen (geb. Levin), Tochter eines des jüdischen Kaufmanns, die eine hoch gebildete Autodidaktin, Schriftstellerin und frühe Frauenrechtlerin war.
Dass Susanne Haun ihren Kunstsalon heute in einem alten Mietshaus im unbürgerlichsten Stadtteil Berlins veranstaltet, widerspricht der Tradition nicht. Es kommt einfach daher, dass die Künstlerin im Wedding geboren ist und hier auch ihr Atelier hat. Aber das macht ihn natürlich zu einem besonderen Ereignis.
Wie bei den Salons Varnhagens steht auch bei Hauns Salons das Kennenlernen, die Diskussion und das gemeinsame Schaffen im Vordergrund. Getreu dem überlieferten Motto „Das Gespräch selbst ist die Kunst des Salons, die Kunst der Geselligkeit.“, steht im Zentrum ihres Salons ein langer Holztisch, an dem etwa 15 Besucherinnen und Besucher und ein ganz besonderes Buffet Platz finden. Einer zum Stadtteil passenden Tradition folgend, bewirtet die Weddinger Salonière seit ihrem ersten Kunstsalon im Februar 2014 ihre Gäste mit Bergen von satt bestrichenen Schmalzstullen, selbst gebackenem Kuchen und Wein. Die Stullen gibt es natürlich inzwischen auch in einer veganen Variante.
Damit ist erst einmal die Basis gelegt, für das was an dem Abend noch kommt. Und auch das ist üppig. Susanne Hauns farbintensive, in verschiedenen Techniken ausgeführten Bilder würden schon Anregung genug bieten, um einen Abend damit zu füllen. Aber der Künstlerin ist es ein Anliegen, den Ausstellungsplatz an den Wänden ihres Salons nicht allein zu beanspruchen, sondern ihn, für jeden Salon neu, mit einer zweiten Künstlerin gemeinsam zu gestalten.
Für den 25. Salon hatte sie sich als Gast Brigitte Windt eingeladen, die den SchreibRaumBerlin in Moabit ins Leben gerufen hat. Und weil Windt ihre Wurzeln in der Lyrik hat, war das Wechselspiel von Wort und Bild der Ausgangspunkt des kreativen Prozesses, der sich an den Wänden des Salons in Collagen, Zeichnungen und Rollbildern wiederfand und von den Künstlerinnen in all seinen Facetten geschildert wurde. „Ich denke in Bildern“, beschreibt Haun ihre Herangehensweise. „Deshalb ist es für mich ungewohnt, auch Sprache in meine Werke zu integrieren.“ Aber wer ihre Werke genauer betrachtet, merkt bald, dass ihr der zeichnerische Charakter der Schrift gefällt und oft in ihren Bildern eingearbeitet wird. Auch am umfassend gebildeten Hintergrund, früher Grundvoraussetzung für eine Frau, um zu einem Salon einladen zu dürfen, fehlt es der Gastgeberin nicht. In einem rasanten Abriss vom Mittelalter bis zur Wortkunst Jenny Holzers in der Neuen Nationalgalerie, ließ Haun erkennen, dass sie zurzeit an ihrer Promotion in Kunstgeschichte arbeitet.
Daneben gibt die vielfältige Künstlerin auch Kurse für verschiedene Mal- und Zeichentechniken. Deshalb wurden nach der Theorie auch gleich Farbstifte und Papier verteilt, damit die Gäste selber einen Beitrag zum Thema des Abends gestalten konnten. Der „Impuls für die Besucherinnen und Besucher in Schrift und Bild kreativ zu werden“ wurde sehr diszipliniert aufgenommen und brachte unter Anleitung der beiden Künstlerinnen schon nach einer halben Stunde überraschende Ergebnisse hervor, die ihre Schöpferinnen und Schöpfer mit Stolz präsentierten. Natürlich waren sie wiederum eine Anregung zum Austausch, den die Salongäste, gestärkt von Wein und Stulle, bis in den späten Abend fortsetzten.
Der nächste, 26. Kunstsalon wird im Juli/August stattfinden. Als Gast ist die Künstlerin Conny Niehoff aus Colbitz (SachsenAnhalt) eingeladen. „Das Thema wissen wir noch nicht, aber es wird wie immer ein spannendes Thema sein“, kündigt Susanne Haun an.
Wer Hauns Werke kennen lernen, und sich von ihren Salons inspirieren lassen will, kann die Ankündigung zum nächsten Salon auf der Website der Künstlerin finden.
Eine Anmeldung bei der Gastgeberin wird empfohlen.
Fotos: Michael Fanke, Rolf Fischer