Wer hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Kommunalpolitik abläuft und welche Personen sich dort eigentlich engagieren und tätig sind? Und wer kennt den Unterschied zwischen dem Bezirksamt und dem Bürgeramt? Bis vor einigen Jahren war das auch mir nicht bewusst. Als ich 2012 in den Brüsseler Kiez gezogen bin, habe ich mich im Bürgeramt Wedding umgemeldet und mir war klar, dass die Verwaltungsangestellten dort irgendwie für mich zuständig waren.
So wird unser Bezirk verwaltet
Die Mitarbeitenden im Bürgeramt sind jedoch nur ein kleiner Teil der gesamten Verwaltung, die sich Bezirksamt nennt. Insgesamt arbeiten über 3.000 Angestellte in mehr als zehn verschiedenen Ämtern und Organisationseinheiten nur für den Bezirk Mitte und seine bald 400.000 Einwohner:innen.
Sie planen unter anderem Schul- und Sportplätze und koordinieren den Kitaausbau. Sie stellen Bebauungspläne auf und kontrollieren Zweckentfremdung von Wohnraum. Sie pflegen bezirkliche Grünflächen, steuern Gesundheitsfördermaßnahmen, entscheiden über die Öffnungszeiten unserer Bibliotheken, verhängen Bußgelder fürs Falschparken und nehmen Ummeldungen im Bürgeramt vor – kurzum, sie gestalten unsere Nachbarschaft in erheblichem Maße und haben einen großen Einfluss auf unser unmittelbares Wohn- und Lebensumfeld.
So wird unser Bezirk regiert
Kommunalpolitiker:innen lenken diese Arbeit der Ämter und legen politische Prioritäten fest. Geführt wird der Bezirk vom Bezirksbürgermeister und vier Stadträt:innen, die für die einzelnen Ämter zuständig sind. Kontrolliert werden sie von ehrenamtlichen Politiker:innen, die in der Bezirksverordnetenversammlung grundsätzliche Leitlinien für Mitte erarbeiten und beschließen. Sie schlagen sich nach Feierabend die Nächte um die Ohren, um den Bezirk mit ihrer Perspektive zu gestalten und dem Bürgermeister und den Stadträt:innen auf die Finger zu schauen.
Kommunalpolitik findet allerdings nicht nur im Bezirksparlament statt. Initiativen, Vereine und Anwohner:innen einerseits und weitere Interessengruppen und Unternehmen andererseits versuchen Einfluss auf Pläne des Bezirksamts und politische Entscheidungen zu nehmen. Selten sind sich alle einig, denn auf begrenztem Raum und mit begrenzten Mitteln gibt es immer wieder Konflikte, welche bezirklichen Interessen nun Priorität haben sollen.
Umso wichtiger ist es, dass Entscheidungen die eine breite Unterstützung haben und vollmundig verkündet werden, auch zeitnah und wie versprochen umgesetzt werden. Ich denke da an den sicheren Radweg auf der Müllerstraße oder den Verbleib des Himmelbeets. Auch an das angekündigte „Haus der Hilfe“ am Leopoldplatz oder die Containermodule für den Fixpunkt, die nicht verwirklicht wurden. Seit Jahren passiert wenig bis nichts zur Verkehrsberuhigung im Brüsseler Kiez, obwohl das gemeinsam mit Anwohner:innen erarbeitete Konzept vorliegt. Vertrauen, das Kommunalpolitiker:innen oft genießen, darf nicht auf diese Art und Weise verspielt werden – gerade in Zeiten in denen die Demokratie von rechts bedroht wird.
Kommunalpolitik ist ein wahrer Schatz, denn nirgendwo sonst ist Politik so nah dran an den Fragen, Bedürfnissen und Wünschen von Anwohner:innen. Okay, hier wird nicht über die Ausrichtung der Außenpolitik entschieden oder die Grundsatzdebatte zu Hartz IV geführt, aber dafür gestalten wir das, was wir täglich als Gegeben hinnehmen. Wie barrierefrei sind unsere Straßenquerungen, wo sind Spielplätze für die Kinder und welche Freizeitangebote und Sitzgelegenheiten stellen wir für ältere Menschen bereit? Wenn wir vor die Haustür treten, wird unser Blick und unser Wohlbefinden von Entscheidungen der Kommunalpolitik bestimmt.
Ob in der Stadtteilvertretung oder in meiner Partei, beim Gespräch mit dem Cafébetreiber oder den Vereinsvorsitzenden verschiedener Beratungsstellen – am Anfang steht der Austausch über eine konkrete Gestaltungsmöglichkeit bei uns direkt um die Ecke. Das ist der Schatz der Kommunalpolitik und deshalb engagiere ich mich.
Christoph Keller, Mitglied bei DIE LINKE Berlin-Mitte und langjähriger Sprecher der überparteilichen Stadtteilvertretung ‚mensch.müller‘