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Das war euer Kiez früher einmal (Teil 1)

18. März 2017
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Nebel in den Rehbergen

Bei Neu­bau­pro­jek­ten stößt man im Wed­ding bestimmt nicht auf die Grund­mau­ern römi­scher Vil­len. Doch was befand sich eigent­lich ursprüng­lich an den Stel­len, wo ihr heu­te wohnt, arbei­tet oder aus­geht? Um es vor­weg­zu­neh­men: vor allem win­di­ge Sandflächen. 

Rund um den Nettelbeckplatz: Der Gutshof

Was vom Vor­werk um 1910 übrig war

Schon 1197 wur­de der Rit­ter Rudolp­hus de Wed­din­ge als Besit­zer eines Dor­fes an der Pan­ke erwähnt. 1251 kauf­te das Span­dau­er Bene­dik­ti­ne­rin­nen­klos­ter „eine Müh­le im Gebiet des Dor­fes, wel­ches Wed­din­ge hieß, am Flus­se Namens Pan­kowe erbaut“.  Im Jahr 1289 wur­de das Are­al an die Stadt Ber­lin ver­kauft, die Sied­lung ver­fiel. Die Gegend erwarb 1601 ein gewis­ser Hie­ro­ny­mus Graf Schlick von Pas­sau und Weis­kir­chen zur Ein­rich­tung einer „böh­mi­schen Meie­rei“. Das Vor­werks­ge­höft umfass­te das Gebiet zwi­schen Gericht‑, Rei­ni­cken­dor­fer und Pank­stra­ße. Die Gär­ten erstreck­ten sich zur Wed­ding- und Kös­li­ner Stra­ße. In der Zeit des schnel­len Wachs­tums ver­schwand das letz­te Gebäu­de des Vor­werks um das Jahr 1910. Absur­der­wei­se lag die­se Keim­zel­le des Wed­ding im heu­ti­gen Orts­teil Gesund­brun­nen – also eine völ­lig unhis­to­ri­sche Grenz­zie­hung und Ortsbezeichnung!

Rund ums Virchow-Klinikum: die Tierkörperbeseitungsanstalt

Nebeneingang des Virchow-Klinikums
Virch­ow-Kli­ni­kum

Frü­her waren ins­be­son­de­re Pfer­de für das Funk­tio­nie­ren der Stadt uner­läss­lich. Von den frü­hen 1820er Jah­ren bis in die 1850er Jah­re befand sich auf dem Gelän­de des Cam­pus Virch­ow der Cha­ri­té die Abde­cke­rei – weit vor den Toren der Stadt. Die­se Tier­kör­per­be­sei­ti­gungs­an­stalt zog 1873 an die Mül­lerstra­ße 81 und 1908 nach Rüd­nitz bei Ber­nau. Somit konn­te das städ­ti­sche Gelän­de als Stand­ort eines moder­nen Kran­ken­hau­ses genutzt wer­den, des­sen älte­re Tei­le eher wie ein pom­pö­ses Schloss daherkommen.

Rund um die Rehberge: Abbau von Scheuersand

Tanz­ring Reh­ber­ge © Kat­ja Witt

Der Sand der Reh­ber­ge war ent­schei­dend für die Rei­ni­gung der Fuß­bö­den der Ber­li­ner Woh­nun­gen. Dafür bau­te man den „Wit­ten­sand“ in Hand­ar­beit unter den dar­über lie­gen­den Sand­schich­ten ab. Er wur­de dann mit Hun­de- oder Pfer­de­ge­span­nen in die Stadt gebracht, wo ihn Händ­ler als Scheu­er­sand an Haus­frau­en ver­kauf­ten. Das unfrucht­ba­re Gebiet dien­te auch dem Mili­tär als Schieß­platz. Nach dem ers­ten Welt­krieg wur­de der ohne­hin schon spär­li­che Bewuchs von den not­lei­den­den Ber­li­nern abge­holzt – Flug­sand wur­de eine Pla­ge der gan­zen Gegend.

Um 1900 plan­te Carl Hagen­beck, auf die­sem Gebiet einen Aus­stel­lungs­park anzu­le­gen. Man­che Quel­len spre­chen davon, dass Tie­re und Men­schen aus den dama­li­gen deut­schen Kolo­nien zur Schau gestellt wer­den soll­ten. Dar­aus wur­de nichts. 1922 beschloss die Stadt dann, einen Volks­park in den Reh­ber­gen anzu­le­gen. Was für ein Glück!

Rund um die Müllerstraße: Windmühlen

Das schma­le Hand­tuch Mül­lerstr. 81 (1891)

1805 gab es in der Mül­lerstra­ße nur vier Wohn­häu­ser. An die­ser seit 1800 gepflas­ter­ten Chaus­see weh­te wegen der abge­holz­ten Brach­flä­chen eine stei­fe Bri­se.. 1809 wur­de kon­se­quen­ter­wei­se an der Ecke Gericht­stra­ße eine Hol­län­der­müh­le gebaut. 1810 folg­te die Bock­wind­müh­le des Mül­lers Streichan an der heu­ti­gen Haus­num­mer 155. Streichan bau­te 1819 zwei wei­te­re Müh­len. 1846 stan­den an der Mül­lerstra­ße schon 22 Müh­len- der größ­te Müh­len­stand­ort Ber­lins. Der Gemein­de­vor­ste­her des Vor­werks Wed­ding, Chris­ti­an Fritz Moritz und Mül­ler­meis­ter Streichan lehn­ten es ab, dass die Stra­ße ihren Namen bekom­men soll­te. Schließ­lich einig­te man sich 1827 dar­auf, die Stra­ße nach den Mül­lern im All­ge­mei­nen zu benen­nen. Ihr Name hat also nichts mit einem bestimm­ten Herrn Mül­ler zu tun!

Im zwei­ten Teil geht es um wei­te­re Kieze.


Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

3 Comments

  1. Spa­nend fin­de ich die ehe­ma­li­ge Flug­zeug­fa­brik auf dem Gelän­de des heu­ti­gen Spren­gel­parks. Da gibts es tol­le Bilder!

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