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Kleine und große Geschichten:
Kiez-Momente: "Psst!" im Lesesaal

5. August 2025
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Unsere Autor:innen sind nicht nur im Wedding unterwegs – sie sind mittendrin im Alltag. Im Supermarkt, auf dem Spielplatz oder beim Schlendern durchs Viertel: Überall warten Geschichten, Geräusche, Begegnungen. Und manchmal schreiben uns sogar Leser:innen direkt. So entstehen sie – diese kleinen, echten Kiezmomente. Alles Wedding.

Auf diese “gemütliche Ecke” in der Turiner Straße machte uns unsere Leserin Lucile aufmerksam. Wer möchte sich da nicht häuslich niederlassen? 🙂

Psssst!

In der Schillerbibliothek bei den Kinderbüchern. Meine Jungs streifen durch die Regale um sich mit neuen Comics und DVDs einzudecken. Ein junger Mann mit Dreitagebart und Laptop sitzt mit mir an einem der weißen Arbeitstische. Aber er arbeitet nicht, sondern unterhält sich angeregt mit einer Frau in Jeans und Streifenshirt, die ihm gegenüber steht. Die beiden haben sich viel zu sagen. Selbst in einem Café wäre ihre Unterhaltung die lauteste. Irgendwann wird es mir zu bunt. So kann ich mich nicht in die Fraktur-Ausgabe des Berlin-Romans des Weddinger Schriftstellers Paul Gurk vertiefen, den ich mir habe hierher habe liefern lassen. „Entschuldigung!“ räuspere ich mich. „Das hier ist eine Bibliothek.“ „Ja, aber hier sind wir bei den Kindern“, patzt der Bärtige gleich zurück. „Gehen sie doch in den Lesesaal, erste Etage.“ Die Frau haut in die gleiche Kerbe: „Wir sind mit Kindern hier, wir können hier nicht weg.“ „Ja", erwidere ich angenervt, „aber Sie müssen sich ja nicht benehmen wie Kinder.“ Das Gespräch der beiden stockt einen Moment, geht dann aber trotzig weiter. Nach fünf Minuten kommen die umsorgten Kinder. Die Frau geht und auch ich muss wieder meine Jungs einsammeln. „Auf Wiedersehen!“ verabschiede ich mich, denn man soll ja nicht im Streit auseinander gehen. Es kommt keine Antwort. Als ich meine Bücher einscanne kommt der Mann zu mir und ist freundlich. „Sie haben ihren Stift vergessen“, grinst er mich an, und hält mir meinen Füller entgegen.

Text: Rolf Fischer


Mitgehört

Osloer Straße Ecke Schwedenstraße. Vier Polizeiwagen donnern mit Tatütata über die Kreuzung – ein ganz normaler Berliner Donnerstagnachmittag, denkt man sich. Doch plötzlich: das Martinshorn verstummt nicht, obwohl die Wagen längst weitergezogen sind. Ich drehe mich irritiert um – und da steht sie: eine Frau auf dem Mittelstreifen, ganz ruhig. Neben ihr ein Schäferhund, der voll in seinem Element ist und mit ausgestrecktem Hals heult wie ein Wolf bei Vollmond. Offenbar wollte er einfach Teil der Einsatztruppe sein. Einsatzleitung: Wuff.


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weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

1 Comment Schreibe einen Kommentar

  1. Die hier trefflich beschriebenen Verhältnisse in der Kinderbibliothek finden sich so auch in Weddinger Bibliotheken für Erwachsene. Ein Prozeß, der sich seit Jahrzehnten beschleunigt hat, weswegen ich öffentlich betriebene Büchereien, mit Ausnahme der Stabi, nicht mehr betrete. Läßt sich durchaus als Facette des "Prole Drift" werten, der bereits weite Teile des Bürgertums vereinnahmt hat, Bibliothekare nicht ausgenommen.

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