Unübersichtliche Kreuzungen, nicht vorhandene Radwege, rücksichtslose Autofahrer. Fahrradfahrer in Berlin haben es mitunter schwer. Um dies zu ändern, hat sich unter anderem im Wedding die Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad gegründet. Für die nächste Etappe auf dem Weg zu einem Radverkehrsgesetz brauchen die Initiative nun offiziell 20.000 gültige Unterschriften – in den nächsten sechs Monaten. Wir haben mit einer der Weddinger Gründerinnen Kerstin Stark gesprochen und mit ihr über den Kiez und ihr Engagement gesprochen.
Drei Fragen an die Weddingerin Kerstin Stark, Mitbegründerin der Initiative
Wie hast Du von der Initiative gehört?
Ich bin in der Stadtteilvertretung mensch.müller und engagiere mich insbesondere im Bereich Verkehr und Öffentlicher Raum. Außerdem forsche ich zu Mobilität – und schreibe meine Doktorarbeit zu den Bedingungen einer sozialen und ökologischen Mobilität. In diesem Zusammenhang bin ich mit Herrn Strößenreuther und anderen Aktiven des VEF in Kontakt gekommen.
Nun gehöre ich zum Kernteam der Initiative Volksentscheid Fahrrad (VEF). Seinen Anfang genommen hat der VEF mit einem Workshop-Wochenende, zu dem besagter Heinrich Strößenreuther eingeladen hatte. Mit einer überschaubaren Zahl von etwa 30 Leuten aus dem Spektrum Stadtteilpolitik und Fahrradaktivismus im November 2015. Es ging darum, 10 Ziele zu formulieren, wie in Berlin eine Verkehrswende erreicht werden könnte. Daraus ging ein Kernteam hervor, das im Laufe der Monate weitergewachsen ist und sich in vielfältige Arbeitsgruppen ausdifferenziert hat.
Was hat Dich dazu bewogen, mitzumachen?
Ich möchte eine Verkehrswende in Berlin. Mich stören die vielen Autos, der Lärm, die Abgase und dass sie überall parken und anderen Verkehrsteilnehmern die Sicht nehmen. Als Fußgängerin und Radfahrerin fühle ich mich durch die einseitige, auf KfZ fixierte Verkehrspolitik in Berlin benachteiligt. Der Radverkehr, obwohl kostengünstig, umwelt- und klimafreundlich, und obwohl immer mehr Menschen in Berlin radfahren, wird kaum gefördert. Die Radverkehrsstrategie des Senats liest sich gut, das Problem ist die mangelnde und unzusammenhängende Umsetzung. Mit dem direktdemokratischen Instrument des Volksentscheids wollen wir Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausüben – damit sich endlich ernsthaft etwas für den Radverkehr in Berlin tut.
Berlin ist wie gemacht für eine fahrradfreundliche Stadt: sehr flach, viel Grün, eine polyzentrische Struktur. Das heißt, vieles lässt sich im Stadtteil oder sogar im Kiez erledigen. Das bedeutet kurze Wege. Wenn nun noch die richtige Infrastruktur bereitgestellt wird, so dass alle Altersgruppen, auch Kinder und Senioren im Alltag sicher und komfortabel Rad fahren können, wird Berlin noch lebenswerter.
Wo würde Dein Kiez von einem Radfahrergesetz konkret profitieren?
Ich wohne im Gebiet der oberen Müllerstraße, nördlich. Täglich fahre ich die Müllerstraße entlang, um ins Büro, zum Bahnhof oder zum Einkaufen zu kommen. Gerade dort, wo sie die Seestraße kreuzt, die Radspur plötzlich endet und sich die Spur dadurch nach der Kreuzung verengt, gibt es immer wieder die Situation, dass mich ein Autofahrer scharf überholt. Ein kleiner Schlenker nach links, wegen eines Hubbels z.B. kann dann genügen, um erfasst zu werden. Die Kreuzung gehört insgesamt zu den Unfallschwerpunkten Berlins.
Das Radverkehrsgesetz, das wir ausgearbeitet haben und über das Berlin schließlich abstimmen soll, enthält viele Punkte, die solche Gefahrenzonen beseitigen werden. Auf allen Hauptstraßen, also auch auf der Müllerstraße, soll es zwei Meter breite Radwege geben, die vom Autoverkehr getrennt sein sollen. Zudem soll es ein berlinweites Netz aus Fahrradstraßen geben, auf denen Radfahrende entspannt und sicher in verkehrsberuhigtem Ambiente die Stadt erschließen können. Die Ausweisung von Fahrradstraßen ist eigentlich schnell gemacht, sofern der politische Wille da ist. Es sind keine aufwendigen Baumaßnahmen nötig, aber der Effekt gerade für die Verkehrssicherheit ist enorm. Die Togostraße z.B. soll schon lange zur Fahrradstraße werden, bisher ist nichts passiert. Mit dem Radverkehrsgesetz würde diesen Dingen die angemessene Priorität eingeräumt werden.
Aktuell
Inzwischen ist unter Mitwirkung von Aktivisten vom Senat ein Entwurf für ein Radgesetz erarbeitet worden (Link)
Vielen Dank, Kerstin Stark, für das Interview.
Bilder: Initiative Volksentscheid Fahrrad