“Home-Office” hat 2020 sicherlich gute Chancen, das Unwort des Jahres zu werden. Von heute auf morgen schlossen mit den Ausgangsbeschränkungen auch unzählige Großraumbüros und Mitarbeitende sämtlicher Berufe wurden in das geschickt, was am Vortag noch unmöglich erschien: die Arbeit von zu Hause aus. Diese Möglichkeit sollten wir als großes Privileg anerkennen. Immerhin haben viele Menschen ihren Job durch die Corona-Krise verloren, weil sie schlicht nicht aus dem Home-Office auszuführen sind. Andere setzen sich in ihren systemrelevanten Berufen tagtäglich weiterhin der Gefahr einer Infektion aus. Davon ausgehen, dass alle zu Hause auf perfekte Arbeitsbedingungen stoßen, ist jedoch auch unrealistisch. Die nebenbei laufende Kinderbetreuung, eine schlechte Internetverbindung, fehlende Konzentrationsfähigkeit in den eigenen vier Wänden. Diese und vielen andere Faktoren können das Home-Office schier unmöglich machen. Ist Hotel-Office eine Lösung dafür? Wir haben es im Hotel Big Mama getestet.
Umnutzung leerstehender Hotels
Der Bußgeldkatalog zur Umsetzung des Kontaktverbots sieht hohe Strafen für Übernachtungen in Unterkünften zu touristischen Zwecken vor. Das trifft besonders die Hotellerie. Bundesweit sprechen Politiker:innen von einer Umnutzung dieser Räumlichkeiten im Falle, dass Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Auch werden die Stimmen lauter, wenn es um die Bereitstellung von Hotels für Schutzsuchende Personen geht. Neben ersten Erfolgen, zum Beispiel der Öffnung einer Jugendherberge für 200 obdachlose Personen in Tiergarten, sind dabei wohl hohe behördliche Auflagen bisher der Grund dafür, dass solche Umnutzungen die Ausnahme bilden.
Mit einer anderen Idee möchte das Hotel Big Mama im Soldiner Kiez gegen die leerstehenden Zimmer ankämpfen. Für 30 Euro – und Studenten sogar nur 20 Euro – am Tag stehen dort ab sofort von 8–18 Uhr Privatzimmer als alternativer Arbeits- und Rückzugsort zur Verfügung. Inklusive Kaffee- und Tee-Flatrate! Außerdem: schnelles Internet, Druckmöglichkeiten und vor allem Ruhe. Wer Haustiere hat, darf sogar diese mitnehmen. Geschäftsführer David richtet sich mit dem Angebot an alle Weddinger:innen. “Wir möchten uns da zu 100 Prozent auf die Locals – seien es Studenten, der typische “Büromensch” oder die Mutter und der Vater für eine kurze Auszeit, um zum Beispiel in Ruhe ein Buch zu lesen – konzentrieren.” Ob das funktioniert, habe ich austesten dürfen.
Ungestört und entspannt Arbeiten
Da hat man sich gerade an die fehlende Routine gewöhnt, und plötzlich heißt es doch wieder, das Haus morgens zu verlassen, um nicht “zur”, aber “an die Arbeit” zu gehen. Ich muss sagen, ich bin gerne aufgestanden und losgefahren. Die Hotellobby leer, zwischen mir und Marlen an der Rezeption eine provisorische Plexi-Glasscheibe. Freundlich empfangen funktionierte das Einchecken ohne Probleme und ein wenig Urlaubsfeeling kam bei mir dann schon auf, als ich meine Schlüsselkarte erhielt und in mein eigenes Hotel- oder besser gesagt – Arbeitszimmer für einen Tag– einkehrte.
Inklusive eigenem Badezimmer, von Seifen- und Klopapiermangel keine Spur, durfte ich den sonnigen Tag mit dem Blick Richtung Panke und Uni-Kram verbringen. Ich saß also in dem leeren Hotelzimmer am Schreibtisch, bin ohne Koffer angereist und ganze 500 Meter Luftlinie von meinem eigenen Zuhause entfernt. Doch es gibt den wesentlichen Unterschied: Hier bin ich ungestört und kann konzentriert viele Stunden am Stück arbeiten. Ich finde, das Angebot überzeugt – und die Umnutzung von momentan leerstehenden Räumlichkeiten ist damit definitiv gelungen. Einem produktiven Arbeitstag steht eigentlich nichts im Wege: schnelles Internet, Kaffee und Tee ohne Ende, Ungestörtheit, eine Couch für kurze Pausen und die Panke, um Bewegung und frische Luft zu schnappen.
Selbst ausprobieren könnt ihr das Hotel-Office im:
Hotel Big Mama
Koloniestraße 24, 13359 Berlin
täglich von 8 – 18 Uhr
Tel.: 030 484787870
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