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Heiko Werning überlebt den Wedding

25. Februar 2021
Cover von Wedding sehen und sterben
Buch­co­ver von Hei­ko Wer­nings “Wed­ding sehen und ster­ben”. Gra­fik: Edi­ti­on Tiamat 

Um Hei­ko Wer­nings neu­es Buch “Wed­ding sehen und ster­ben” zu bespre­chen, möch­te ich aus­ho­len: Ich war ein­mal bei einer Lese­büh­ne. Bevor es los­ging, war ledig­lich ein Tisch zu sehen, auf dem eine tote Rat­te lag. Links neben mir frag­te einer, war­um eine Rat­te? Rechts neben mir einer: war­um eine tote. Und hin­ter mir hör­te ich: Die tote Lese­rat­te ist ein Sym­bol für den Nie­der­gang der Buch­kul­tur. Klar, ich war fremd­ge­gan­gen, ich war bei einer Lese­büh­ne im Prenz­lau­er Berg. Sor­ry. Zur Ent­schul­di­gung kann ich vor­brin­gen, dass ich hier Blei­stift und Klad­de her­aus­zog, um eine Buch­kri­tik zu Hei­ko Wer­nings “Wed­ding sehen und ster­ben” vor­zu­for­mu­lie­ren. Dabei han­delt es sich um eine Samm­lung von Erleb­nis­sen aus dem Jah­re Null.

Kor­rekt geht so: Wenn bei einer Lese­büh­ne eine tote Rat­te auf dem Lese­tisch liegt, dann darf man auf kei­nen Fall zei­gen, dass ein Anlass zum Wun­dern vor­lie­gen könn­te. “Ist schließ­lich Ber­lin hier. Geht mich nichts an”, for­mu­liert Hei­ko Wer­ning im Ange­sicht der Rat­te. So geht eben die Wed­din­ger Lebens­art an der Mül­lerstra­ße, wo der Fri­seur “Sun­ny Day”, der Bäcker “Sun­ny Mor­nings” und die Spie­lo­thek “Sun­ny Nights” heißt. Auch Döner­lä­den haben bei Hei­ko Wer­ning schö­ne Namen: “You kill it, we grill it”. Der Stadt-Auf­schrei­ber vom Wed­ding beob­ach­tet eben genau.

Nicht alle sei­ne Lage­be­rich­te könn­ten nur im Wed­ding so und nicht anders geschrie­ben wer­den. Aber es geht in der Text­samm­lung nie­mals um die gro­ße, wei­te Welt; alles muss von Hei­ko Wer­nings Hin­ter­hof in der See­stra­ße fuß­läu­fig erreich­bar sein. Donald Trump, der König des Irr­wahns, muss lei­der drau­ßen war­ten. Hei­ko Wer­ning rei­chen die Schi­zo­phre­nen vom U‑Bahnhof See­stra­ße vollauf.

Ab Sei­te 166 wird sein Buch virus­ak­tu­ell – der Lock­down und sei­ne Wed­din­ger Aus­ar­tun­gen wer­den The­ma. Und auch die Wie­der­ho­lung wäh­rend des zwei­ten Lock­downs stellt den Lese­büh­nen-Autor (nicht Poet­ry Slamer!) vor kei­ne Her­aus­for­de­run­gen. Schließ­lich schreibt er seit Jahr­zehn­ten immer wie­der über das Glei­che – näm­lich über einen Stadt­teil, in der man in der Grund­schu­le lernt “akzent­frei in drei Spra­chen Fot­ze zu sagen”. 2010 leg­te Hei­ko Wer­ning los mit sei­nen Freund­schafts­an­fra­gen an den Wed­ding: “Mein wun­der­ba­rer Wed­ding”. 2014 folg­te “Vom wil­den Wed­ding” und 2017 “Vom Wed­ding verweht”. 

Eini­ge der Beob­ach­tun­gen eines Müns­te­ra­nes in einer “abwei­sen­den, im Grun­de unbe­wohn­ba­ren Umge­bung” stam­men aus dem Jahr Null. Also aus dem Jahr 2020, als mit dem Coro­na­din­gens eine neue Zeit­rech­nung begann. Die vor dem gro­ßen Auf­räu­men der Woh­nung und die danach. 

An Selbst­kri­tik wird nicht gespart. So merkt der Dich­ter Wer­ning, dass auch er aus der neu­ar­ti­gen Ver­schen­ke­kis­te im Haus­flur nur eines nicht brau­chen kann – das Buch. Die Buch­kul­tur ist eben tot, selbst Poe­ten las­sen Druck­wer­ke links lie­gen. Und damit schließt sich der Kreis der von mir vor­ge­tra­ge­nen Gedan­ken, wir sind wie­der bei der Ratte:

Jeder kann Wed­din­ger wer­den. Hei­ko Wer­ning hat es geschafft und auch die jun­gen Men­schen aus aller Her­ren Bun­des­län­der kön­nen es schaf­fen. Das Buch schließt mit ver­söhn­li­chen Wor­ten eines Wun­der­lings über die Son­der­bar­kei­ten der nach­fol­gen­den Wed­ding-Gene­ra­ti­on. “Für die Rat­ten habe ich jetzt ein­fach xxx xxxxxx Xxxxxxxxxxxxx xxxx xxx Xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxx. Xxxx xxxxxx xxx xxxxx xxxx xxxxxxxxxxx, xxx xxx xxxx xxx Xxxx xxxxxxxxx xxx xxxxx xxxxxxxxxxx.” Text ist unkennt­lich gemacht wegen Spoi­ler, du weißt schon.

Hei­ko Wer­ning: “Wed­ding sehen und ster­ben. Geschich­ten aus dem Ber­mu­da-Drei­eck Ber­lins”, 208 Sei­ten, 16 Euro, ISBN 978−3−89320−261−4

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