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Neues Stück feierte Premiere im Musiktheater:
Der Hauptmann von Köpenick – im Atze

11. November 2022
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Mehr als eine Büh­ne, weni­ge Requi­si­ten, ein paar Kos­tü­me und neun Schau­spie­ler braucht es nicht, um eine im Grun­de sehr bekann­te Ber­li­ner Geschich­te zu erzäh­len. Es ist die Geschich­te des Schus­ters und Hoch­stap­lers Wil­helm Voigt, der als Haupt­mann von Köpe­nick den meis­ten Erwach­se­nen in der Haupt­stadt geläu­fig ist. Dass sie nun auch vie­le Kin­der ken­nen­ler­nen wer­den, ist der Ver­dienst des Atze Musik­thea­ters. Die sze­nisch-musi­ka­li­sche Erzäh­lung von Tho­mas Sut­ter fei­er­te am 22. Okto­ber in der Luxem­bur­ger Stra­ße Premiere.

Szene aus dem Stück "Der Hauptmann von Köpenick -Wie ich wurde, was ich wurde". Foto: Atze Musiktheater
Sze­ne aus dem Stück “Der Haupt­mann von Köpe­nick ‑Wie ich wur­de, was ich wur­de”. Foto: Atze Musiktheater

Es hört sich an, wie aus­ge­dacht, ist aber wirk­lich pas­siert: Weil Wil­helm Voigt vor­be­straft war, bekam er kei­nen Job. Ohne Arbeit bekam er kei­ne Woh­nung, ohne Woh­nung kei­nen Pass. Ohne die­se „Uffent­halts­je­neh­mi­gung“ durf­te er nicht lan­ge an einem Ort blei­ben, wur­de immer wie­der ver­trie­ben. Ein Teu­fels­kreis, der am Ende dazu führ­te, dass Voigt als Haupt­mann ver­klei­det das Köpe­ni­cker Rat­haus über­nahm und die Stadt­kas­se raub­te. Die­ser Streich mach­te ihn weltberühmt.

Doch es ist kei­ne rei­ne Schel­men­ge­schich­te, die das Atze Musik­thea­ter für Kin­der ab zehn Jah­ren erzählt. „Der Haupt­mann von Köpe­nick – Wie ich wur­de, was ich wur­de“ sucht nach Grün­den für den Teu­fels­kreis – in der Kind­heit, in der Fami­lie, im Freun­des­kreis, im Beam­ten­tum, in der Gesell­schaft. Dabei stellt die Insze­nie­rung von Tho­mas Sut­ter sehr aktu­el­le Fra­gen in den Mit­tel­punkt. Ist Wil­helm Voigt ein schlech­ter Mensch? Und was macht über­haupt einen guten Men­schen aus? Ins­be­son­de­re der Schwes­ter der Haupt­fi­gur, Marie, gehen die­se Fra­gen in den kurz­wei­li­gen 120 Minu­ten nicht aus dem Kopf.

Der Bezug zu den aktu­el­len Nach­rich­ten ist die gan­ze Zeit prä­sent, zum Bei­spiel als der selbst­er­nann­te Haupt­mann am Rat­haus Köpe­nick eine geflüch­te­te Frau trifft, die eben­falls ver­sucht, einen Pass und eine Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung zu bekom­men. Hier knüpft die Geschich­te über die Bege­ben­heit im Jahr 1906 an aktu­el­le Ereig­nis­se an, die die jun­gen Zuschau­er aus den Nach­rich­ten ken­nen. Ganz am Schluss tref­fen sich die Haupt­fi­gu­ren in einem gel­ben Ber­li­ner Zim­mer, aus­ge­stat­tet mit einem über­gro­ßen Pass, auf dem Wil­helm Voigts Foto klebt. Dane­ben steht der bekann­te Slo­gan, der sich für von Abschie­bung bedroh­te Migran­ten ein­setzt: Kein Mensch ist illegal.

Das Stück ist mit dem aktu­el­len Fokus sehr ein­gän­gig, die unglaub­li­che Geschich­te des Haupt­manns von Köpe­nick ist so auf­be­rei­tet für die heu­ti­ge Gene­ra­ti­on gut greif­bar. Viel Gesang und Musik – von ori­en­ta­li­schen Instru­men­ten bis hin zur E‑Gitarre – sowie ein kla­res und ein­fa­ches Büh­nen­bild schaf­fen den Rah­men für eine unter­halt­sa­me und auch nach­denk­lich stim­men­de Geschich­te. Das urber­li­ner Stück ist eine schö­ne Ergän­zung für das Reper­toire des größ­ten Musik­thea­ters Deutsch­lands für Kin­der im Grundschulalter.

Die nächs­ten Auf­füh­rungs­ter­mi­ne sind: Sonn­tag, 27. Novem­ber, 16 Uhr; Mon­tag, 28. Novem­ber, 10.30 Uhr und Diens­tag, 29. Novem­ber, 10.30 Uhr. Wei­te­re Ter­mi­ne für Fami­li­en und Grup­pen sowie Tickets gibt es online unter www.atzeberlin.de.

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

8 Comments

  1. Hal­lo

    .….Für sei­nen Coup hat­te sich Voigt aus bei ver­schie­de­nen Händ­lern erwor­be­nen Tei­len die Uni­form eines Haupt­manns des preu­ßi­schen 1. Gar­de-Regi­ments zu Fuß zusam­men­ge­stellt. In die­ser Ver­klei­dung hielt er am 16. Okto­ber 1906 nahe der dama­li­gen Mili­tär­ba­de­an­stalt Plöt­zen­see im Wes­ten Ber­lins mit­tags zur Zeit des Wach­wech­sels auf der Stra­ße einen Trupp Gar­de­fü­si­lie­re (soge­nann­te „Mai­kä­fer“) an, ließ noch einen zwei­ten Trupp abge­lös­ter Wach­sol­da­ten vom Schieß­stand des 4. Gar­de-Regi­ments her­bei­ru­fen und unter­stell­te zehn oder elf Mann unter Hin­weis auf eine nicht exis­tie­ren­de Kabi­netts­or­der „auf aller­höchs­ten Befehl“ sei­nem Kom­man­do (…) Vom Land­ge­richt II in Ber­lin wegen „unbe­fug­ten Tra­gens einer Uni­form, des Ver­ge­hens wider die öffent­li­che Ord­nung, der Frei­heits­be­rau­bung, des Betru­ges und der schwe­ren Urkun­den­fäl­schung“ zu vier Jah­ren Gefäng­nis verurteilt,[4] wur­de er von Kai­ser Wil­helm II. begna­digt und am 16. August 1908 vor­zei­tig aus der Haft­an­stalt Tegel entlassen.

    Unse­re Autorin Frau Hen­sel fährt wohl nicht oft nach Tegel… ab jetzt sowie­so erst wie­der ab 2025 🙂 … es kommt auch dar­auf an von wo man zählt von Reh­ber­ge sind es 7 , vom Kut­schi eben nur 5

    fröh­li­chen 11.11

    • Hal­lo Rein­hard, ich ver­las­se natür­lich nie­mals den Wedding!

      Auf­grund der Situa­ti­on im Thea­ter­stück war davon aus­zu­ge­hen, dass “ab hier” gemeint war, also ab Amru­mer Stra­ße. Und das sind auch für Wed­ding gegan­ge­ne wie mich nicht fünf Stationen. 😉

      • Mor­jen

        ach ab Amru­mer… na dann sind es dop­pelt so vie­le , dann haben die beim Thea­ter wohl kei­ne Ahnung… sind wohl kee­ne Berliner :))

        Gruß

          • Also locker aus dem Hand­ge­lenk geschüt­telt … mein Denk­feh­ler 1906 fuhr noch gar kei­ne U‑Bahn in die­ser Ecke !!?? also Zoo bis Leo um 1960 rum – Leo bis See­str 1923 (begin­nend ab Gleis3Eck) und ab See­str bis Tegel zw 1956–58
            Die ein­zi­ge Stre­cke die ab 1902 exis­tier­te war zw Zoo – Wit­ten­bergpl bis Warschauer

            Wer weiß was die dann mein­ten mit “ab hier” mit 5 Stationen??

            wol­ken­frei­es WE

  2. Wie schön, dass aus­ge­rech­net die­ses Stück Ber­li­ner – und vor allem auch Wed­din­ger – Geschich­te in die­sem Wed­din­ger Thea­ter auf­ge­führt wird. Schließ­lich hat die gan­ze “Köpe­ni­ckia­de” an der Mili­tär­ba­de­an­stalt Plöt­zen­see und an der Stra­ßen­bahn am Eckern­för­der Platz ihren Anfang genommen…

    • Das stimmt! Die­sen spe­zi­el­len loka­len Aspekt fand ich als ein­zi­ges übri­gens nicht so über­zeu­gend umge­setzt im Stück, wes­halb ich das in mei­nem Text auch ein­fach unter den Tisch fal­len las­sen woll­te. Nun kommt es also doch auf den Tisch 😉

      Ein Mal fiel das Wort Plöt­zen­see und ein Mal wur­de eine U‑Bahnfahrt nach Tegel – nur fünf Sta­tio­nen von hier – erwähnt. Mein Sohn und ich haben wäh­rend der Vor­stel­lung natür­lich sofort U‑Bahnstationen gezählt und waren leicht abge­lenkt, weil wir ein­fach nicht auf fünf kamen. Aber egal, der Wed­ding spielt in die­sem Stück ja wirk­lich nur eine mini­k­lei­ne Rol­le. Ins­ge­samt ist der Stoff gut in die neue Zeit über­setzt wor­den und es gibt wirk­lich wenig zu meckern.

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