Mastodon

Handel im Wandel: 45 Jahre Reichelt an der Müllerstraße

17. Juli 2014
7

Kon­kur­renz belebt das Geschäft, heißt es. Doch wenn sich auf 100 Metern Mül­lerstra­ße mit Kauf­land, Real, Aldi, Lidl und Rei­chelt fünf Super­märk­te befin­den, kann das nicht lan­ge gut gehen. Da kommt es dar­auf an, sich von sei­nen Mit­be­wer­bern  zu unterscheiden….

EDEKA Reichelt MüllerstraßeRei­chelt eröff­ne­te vor 45 Jah­ren im Mai 1969 sei­ne Tore an der Mül­lerstra­ße. Der 1.400 Qua­drat­me­ter gro­ße Voll­sor­ti­men­ter wird seit mehr als zwei Jah­ren von Chris­ti­an Schrö­der gelei­tet. Für Tra­di­ti­on und eine lang­fris­ti­ge Stand­ort­po­li­tik könn­te auch die Vita des 38-jäh­ri­gen Ein­zel­händ­lers ste­hen, der schon bei Rei­chelt gelernt und seit­her unun­ter­bro­chen für das Ber­li­ner Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men arbei­tet. „Mit 15.000 ver­schie­de­nen Pro­duk­ten, wie z.B. unser sehr brei­tes Bio-Sor­ti­ment, glu­ten­freie, lak­to­se­freie Lebens­mit­tel und unser mitt­ler­wei­le deut­lich aus­ge­bau­tes Sor­ti­ment an fleisch­frei­en Nah­rungs­mit­teln unter­schei­den wir uns ein­deu­tig von unse­rer Kon­kur­renz. Unse­re bis 20 Uhr geöff­ne­te Bedien­the­ke bie­tet eine gro­ße Aus­wahl an bes­ten Fleisch- und Wurst­ar­ti­keln, die aus unse­rem eige­nem Fleisch­werk stam­men und aus kon­trol­lier­ten regio­na­len und deut­schen Zucht­be­trie­ben kom­men”, erklärt Chris­ti­an Schröder.

Christian Schröder ReicheltDie Bedeu­tung von Wed­dings wich­tigs­ter Ein­kaufs­mei­le könn­te im Ber­li­ner Leben wie­der zuneh­men – der Wed­ding ent­wi­ckelt sich zu einem auf­stre­ben­den und kul­tu­rell wich­ti­gen Stadt­teil, glaubt Chris­ti­an Schrö­der. Neben der lang­fris­tig gewach­se­nen Stamm­kund­schaft kämen immer mehr jün­ge­re Kun­den ins Haus, die das gro­ße Bio-Sor­ti­ment, die vie­len vege­ta­ri­schen Pro­duk­te und die wach­sen­de Aus­wahl an Bier­sor­ten schät­zen. Ger­ne dür­fen Fleisch, Erd­bee­ren, Spar­gel, Eier und Milch­pro­duk­te aus der Regi­on kom­men – die ein­zi­ge Wed­din­ger Rei­chelt-Filia­le bie­tet außer­dem Ber­li­ner Manu­fak­tu­ren wie Flo­ri­da-Eis, Paletta’s Eis, Frucht­werk (Pro­vi­ant), Schil­ling-Spi­ri­tuo­sen, Ber­li­ner Honig, ver­schie­dens­te Ber­li­ner Bie­re und Limo­na­den sowie Blatt­gold-Dres­sings aus der Kame­ru­ner Str. ein Plätz­chen in ihren Kühl­the­ken und Rega­len. Das kann Rei­chelt fle­xi­bel ein­rich­ten: „Wir gehö­ren seit 1995 zum genos­sen­schaft­lich orga­ni­sier­ten EDE­KA-Ver­bund“, sagt Chris­ti­an Schrö­der. „Wir kön­nen uns aber bes­ser als die gro­ßen Ket­ten an Kun­den­wün­sche vor Ort anpas­sen.“ So kön­nen lokal­pa­trio­ti­sche Kun­den an einem Sams­tag bei­spiels­wei­se die im Wed­ding ent­wi­ckel­ten Bie­re der Ber­li­ner Bier­fa­brik (ehe­mals beer4wedding) ver­kos­ten.

Eingang ReicheltEin gro­ßer Unter­schied zu den Mit­be­wer­bern vor Ort dürf­te auch die lang­jäh­ri­ge Bin­dung des Han­dels­un­ter­neh­mens an sei­ne eige­nen Mit­ar­bei­ter sein. Nicht sel­ten kommt es vor, dass jemand sein 25- oder 40-jäh­ri­ges Betriebs­ju­bi­lä­um fei­ert. 28 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt Chris­ti­an Schrö­der im Wed­ding. Anders bei den gro­ßen, inter­na­tio­nal ope­rie­ren­den Kon­zer­nen han­delt es sich um regu­lä­re Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se. Dar­an will Chris­ti­an Schrö­der wei­ter­hin fest­hal­ten, und auch kei­ne stän­dig neu­en Gesich­ter im Laden zei­gen. Die Kas­sie­rer bemü­hen sich um mög­lichst kur­ze War­te­zei­ten, an der Wurst­the­ke ist der Stamm­kun­de schnell im Gespräch und in der Thür­mann-Bäcke­rei in der Filia­le bekommt man auch heu­te noch  hand­werk­lich pro­du­zier­te und in bes­ter Qua­li­tät her­ge­stell­te Back­wa­ren. Die Zei­ten, in denen Rei­chelt nur für das geho­be­ne Preis­seg­ment stand, sind vor­bei – heu­te gibt es auch über 1000 Arti­kel der EDEKA-Discountmarke.

Die Kon­kur­renz­si­tua­ti­on hat sich in der obe­ren Mül­lerstra­ße seit der Eröff­nung der neu­en “Mül­ler­hal­le” im ver­gan­ge­nen Dezem­ber ver­schärft. Davon lässt sich Chris­ti­an Schrö­der aller­dings nicht ent­mu­ti­gen: “Es gehört zum Han­del dazu, dass sich der Markt stän­dig ändert und sich neue Her­aus­for­de­run­gen erge­ben.” Die rela­tiv gerin­ge Grö­ße der Tra­di­ti­ons­fi­lia­le sieht er dabei als Vor­teil: „Der Trend geht weg von den gro­ßen Märk­ten, die sich mitt­ler­wei­le sel­ber im Weg ste­hen.“ Und bei einer Bevöl­ke­rung, in der es, wie hier in Ber­lin, vie­le Sin­gle-Haus­hal­te gibt und Fami­li­en, die ihren Ein­kauf in einer kür­ze­ren Zeit abwi­ckeln wol­len, sind kur­ze Wege und aus­rei­chend Ver­kaufs­per­so­nal ein immer wich­ti­ger wer­den­der Fak­tor. Für Kun­den, die ihren Ein­kauf etwas ent­spann­ter ange­hen möch­ten, wur­de der ehe­ma­li­ge Auf­back­be­reich für Bröt­chen in ein schi­ckes Café umge­wan­delt, wo sich alt wie jung vor oder nach dem Ein­kauf hin­set­zen und eine Tas­se Kaf­fee oder Tee und ein lecke­res Gebäck genie­ßen kön­nen. An den Wän­den hän­gen Schwarz-weiß-Fotos– und da kann Rei­chelt aus dem Vol­len schöp­fen, natür­lich aus den Anfangs­jah­ren des 1903 gegrün­de­ten Ber­li­ner Stammhauses.

Aktua­li­sie­rung: im Sep­tem­ber 2016 hat Ede­ka-Rei­chelt an der Mül­lerstra­ße geschlos­sen und wur­de unter dem Namen “Ede­ka Fromm” neu eröffnet.

 

 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

7 Comments

  1. bull­shit!

    rei­chelt gibts seit über 10 jah­ren nicht mehr. zen­tra­le ist grün­hei­de (ede­ka lager) – und wur­de kom­plett geschluckt sei­tens der ede­ka. bit­te etwas mehr niveau, recher­che – als lokalpatriotismus.

    euer blog ent­wi­ckelt sich lang­sam zum hipster­scheiss. lie­ber mal nichts pos­ten als jede kacke. und in 3 jah­ren regt ihr euch über pberg im wed­ding auf? (schaut euch nur den spren­gel­kiez bin­nen der letz­ten 2,3 jah­re an)

  2. Toll <3

    Hier habe ich in mei­nen ers­ten Jah­ren in Ber­lin immer ein­ge­kauft, denn ich wohn­te gleich dahin­ter. Ich fand es super­cool, immer über das Park­deck von der Lüde­ritz­stra­ße hoch zu stap­fen und dann mit dem Fahr­stuhl run­ter in den Markt zu fah­ren. Mitt­ler­wei­le woh­ne ich hin­term Schil­ler­park und die Gele­gen­heit ist sel­ten, leider.

  3. “Die Bedeu­tung von Wed­dings wich­tigs­ter Ein­kaufs­mei­le könn­te im Ber­li­ner Leben wie­der zuneh­men – der Wed­ding ent­wi­ckelt sich zu einem auf­stre­ben­den und kul­tu­rell wich­ti­gen Stadt­teil, glaubt Chris­ti­an Schröder”

    Im Wed­ding ist dies wohl noch nicht angekommen:

    http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/karstadt-konzern-die-angst-geht-um,10808230,27852998.html

    “Nur der Fili­al­be­trieb selbst ist noch Teil der Berg­gruen-Hol­ding, so das Kar­stadt am Herr­mann­platz, im Wed­ding, in Ste­glitz, in Span­dau und in Char­lot­ten­burg, genau­so wie die Filia­le am Tem­pel­ho­fer Damm”

    aus:http://www.morgenpost.de/bezirke/tempelhof-schoeneberg/article130246616/Anwohner-sorgen-sich-um-die-Zukunft-von-Karstadt-Tempelhof.html

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/krise-bei-warenhauskette-staedtetag-warnt-vor-karstadt-schliessungen/10173038.html

    http://www.derwesten.de/wirtschaft/20-karstadt-filialen-vor-aus-was-in-essen-und-herne-kam-als-karstadt-ging-id9600258.html.

    Und bei ehe­ma­lig C& A ste­hen bereits eini­ge 1000 m² leer. 

    Soviel zum wei­te­ren Nie­der­gang der Müllerstr.

    • Und was bit­te hat Kar­stadt Tem­pel­hof, Schö­ne­berg usw. damit zu tun?! Ich mei­ne es ist schon scha­de, dass Kar­stadt schlie­ßen will, aber das liegt nicht am Wed­ding son­dern am Unter­neh­men sel­ber. Was kann der Wed­ding außer­dem dafür, dass die alten Waren­häu­ser sich nicht dem neu­en Markt (Online­han­del) anpas­sen kön­nen, des­we­gen wer­den die geschlossen…
      Es wur­de in die­sem Kom­men­tar auch ver­ges­sen zu erwäh­nen, dass immer mehr Leu­te in Wed­ding Geschäf­te auf­ma­chen bzw. ihrer Selb­stän­dig­keit nach­ge­hen… Es wird halt alles etwas klei­ner und per­sön­li­cher gehal­ten… Ich ver­ste­he nicht was dar­an so schlimm sein soll!
      Also völ­lig daneben.…

Schreibe einen Kommentar zu Nanusia Antworten abbrechen

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?