Der Haushalt ist beschlossen und damit ist klar, an welcher Stelle der Bezirk in den kommenden beiden Jahren Geld ausgeben kann – und wo eben nicht. In der Debatte um Änderungen am Entwurf des Bezirkshaushalts für die Jahre 2024 und 2025 ging es um relativ kleine Beträge. Hier ein paar Tausend Euro mehr, dort ein paar Tausend Euro weniger. Die geringe Höhe der Beträge ist ein Zeichen dafür, wie klein die Hoheit des Bezirks Mitte über seine eigenen Finanzen ist. Lest hier, welche der beschlossenen Änderungen des Entwurfs den Wedding betreffen. Ganz unten kommentieren wir noch unter der Überschrift “Mehr Streit vor Ort”.
Beim Geld hört die Freundschaft auf und es endet auch der in der Kommunalpolitik übliche parteiübergreifende Pragmatismus. Vor zwei Wochen (21.9.) diskutierten die Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) über den künftigen Sparhaushalt. Dabei verlief zwischen den Regierungsparteien und der Opposition ein unüberbrückbarer Graben. Auf der einen Seite brachte die Opposition Änderungsanträge zum Haushaltsentwurf ein. Und scheiterte vollständig. Auf der anderen Seite legte der Zählgemeinschaft (eine Art Koalition) umfangreiche Änderungswünsche in einem einzigen Antrag vor – und beschloss ihn mit ihrer Mehrheit.
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Grüne und SPD: 100.000 Euro mehr für den Leopoldplatz
Grüne und SPD als Zählgemeinschaft haben gemeinsam mehr Geld für den Leopoldplatz durchgesetzt. Der ursprüngliche Plan sah 170.000 Euro pro Jahr vor, nun stehen 270.000 Euro im Etat. Mit dem Geld soll den negativen Folgen des Drogenkonsums im öffentlichen Raum begegnet werden (Antrag 1007/VI‑3). Die Fraktionsspitzen beider Parteien erklären, räumlich sei damit das Gebiet “rund um den Leo” beziehungsweise “im Malplaque-Kiez, im Brüssler Kiez und an der Seestraße” gemeint.
Außerdem haben Grüne und SPD die Kürzung bei den Grünflächen um 100.000 Euro gemildert, sodass die Müllbeseitigung an der neuen North Side Gallery im Park auf dem Nordbahnhof möglich ist. Die Kürzung gegenüber dem Vorjahr liegt damit knapp unter einer Million Euro. Zur Unterstützung obdachloser Frauen wird es 40.000 Euro mehr geben als im Entwurf veranschlagt. Und 55.000 Euro mehr als im Entwurf stehen für besondere soziale Projekte wie KiezSportLotsin, Winterspiel- und Bewegungsangebot, SchreiBabyAmbulanz und Ähnliches zur Verfügung.
Die Fraktion der Grünen (mit 17 Sitzen stärkste Kraft) hebt in einer Erklärung als Erfolg hervor, dass der Bezirk 50.000 Euro mehr für ein Projekt zur flexiblen Kinderbetreuung in Familienzentren ausgibt. 25.000 Euro mehr gibt es für den Fundus an Musikinstrumente, damit Kinder an der Musikschule leichter ein Instrument erlernen können.
Die SPD (zehn Verordnete) zählt als Erfolg auf, dass dank des gemeinsamen Änderungsantrages für Demokratieprojekte im Sprengelkiez 36.000 Euro mehr als ursprünglich geplant zur Verfügung stehen.
CDU verärgert über Wegfall kostenfreier Parkplätze
Die Fraktion der CDU (mit zwölf Verordneten größte Oppositionspartei) äußert sich verärgert. Sie hat den Entwurf des Haushalts abgelehnt. “Allein die arrogante Haltung der Zählgemeinschaft, keine wirkliche Haushaltsdebatte zuzulassen, wäre Ablehnungsgrund genug gewesen”.
Inhaltlich kritisiert die CDU eine falsche Prioritätensetzung in dem gemeinsamen Änderungsantrag von Grünen und SPD. Beispiel Verkehr: Daniela Fritz ärgert sich, dass bisher kostenfreie Parkplätze am Erika-Heß-Eisstadion vermietet werden sollen. Die Zählgemeinschaft plant, dass von 130 Parkplätzen zwei Drittel kostenpflichtig werden sollen. Sie würden also “der normalen Nutzung entzogen”, sagt Daniela Fritz. “Gerade im Eissport ist es aber erforderlich, teilweise schwere Gerätschaften mit zum Training zu bringen.” Auch Eltern, die ihre Kinder zum Sport bringen, wird dies künftig erschwert.
Die CDU hat eigene Änderungsanträge eingebracht. Zehn Stück an der Zahl. Ohne Erfolg. Beispiel Schule: 150.000 Euro zusätzlich forderte die Fraktion für Geräte für Hausmeister und den Unterhalt von Schul-Sportflächen (1007/VI – 31). Beispiel Verkehr: Die CDU wollte, dass Geld für den Straßenunterhalt tatsächlich nur für die Beseitigung von Schlaglöchern (auch auf Radwegen) und andere echte Wartungsarbeiten ausgegeben wird (1007/VI – 37). Das Geld solle “nicht in ideologiegeleitete Projekte, wie Kiezblocks fließen”, forderte Daniela Fritz.
Auch Linke verärgert
“Nachdem die Zählgemeinschaft aus Grünen und SPD sämtliche Linken Änderungsanträge abgelehnt hat, war es nicht möglich, diesem Haushalt zuzustimmen”, teilt die Fraktion der Linken (zehn Verordnete) mit. Aus den Zeilen ist die Verärgerung deutlich herauszuhören.
In der Sache macht die Partei auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam. “Was es braucht, ist eine landesweite Reform der Finanzierung der Bezirke”. Die Linken hoffen, dass so eine “verlässlich und langfristig ausfinanzierte Bereitstellung von öffentlicher Daseinsfürsorge” möglich wird.
Vom Entwurf zum Beschluss
Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) hat den Entwurf für den Haushalt für die kommenden zwei Jahre am 22. August veröffentlicht. Doch ohne Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung tritt der Bezirkshaushalt nicht in Kraft. Traditionell ergreifen die Fraktionen der BVV diese Erfordernis als ihre Chance, eigene Akzente im Haushalt zu setzen.
Der Bezirkshaushalt wirkt mit 1,2 Milliarden Euro pro Jahr groß. Tatsächlich sind davon nur rund 220 Millionen Euro beweglich. Als beweglichen Teil bezeichnet die Bezirksbürgermeisterin jene Beträge, bei denen der Bezirk ohne Leitlinien, Vorgaben und Verpflichtungen des Senats etwas Spielraum hat.
Bei dem Doppelhaushalt handelt es sich um einen Sparhaushalt. Der Bezirk teilt mit: “Da die sogenannte Globalsummenzuweisung des Landes an die Bezirke nicht ausreicht, mussten sogenannte pauschale Minderausgaben als Gegenfinanzierung eingerechnet werden.” Inflation, Lohnerhöhungen, neu auferlegte finanziellen Verpflichtungen, denen keine Erhöhungen der Senatszahlungen gegenüberstehen, verlangen vom Bezirk Einsparungen.
Kommentar: Mehr Streit bitte – aber vor Ort
Der Streit ums Geld und den Bezirkshaushalt wurde laut, teilweise lautstark geführt. Unter anderem Daniela Fritz von der CDU war (in letzter Zeit auch in anderen Politikfeldern) deutlich vernehmbar. Doch ob der Tonfall konziliant oder unversöhnlich ist, die Menschen im Wedding und Gesundbrunnen sollten ihr Ohr einer anderen Sache leihen. Die Rede ist von der zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Bezirks. So ist der Haushalt auf dem Papier 1,2 Milliarden Euro schwer. Das klingt viel, gibt es doch in Deutschland nur rund 700 Unternehmen, die einen Umsatz in dieser Größe (oder noch mehr) vorzeigen können. Doch die beeindruckende Summe, die im Haushalt unterm Strich steht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie wenig der Bezirk allein verantwortet.
Bereits die Aufgabe, elf Millionen Euro einzusparen, führt zu Diskussionen um Haushaltssperren. Wie wenig der Bezirk in der eigenen Hand hat, das belegen auch die Änderungsanträge. Die Bezirkspolitiker wünschten sich ein paar Tausend Euro mehr oder weniger. Als ob es um ein Beteiligungsformat wie eine Quartiersratssitzung ginge und nicht um die Finanzierung von öffentlichen Belangen für fast 400.000 Menschen in Mitte. Zugespitzt formuliert, diskutierte die Bezirkspolitik beim Haushalt über die Frage, wie wir uns verwalten wollen. Und nicht, wie es von der Politik zu erwarten ist: Wie wollen wir leben?
Demokratie, das ist Streit. Mal mit Streitkultur, mal ohne – aber auf jeden Fall ohne Gewalt, ohne Fäuste und Gewehre. Streit ist gut, denn er löst Konflikte. Und widerstreitende Interessen kommen nirgends so blank ans Tageslicht wie beim Geld. Die einen wollen das Geld für Soziales ausgeben, die anderen für Kultur, die dritten zur Stabilisierung der Wirtschaft. Konflikte müssen gelöst werden. Deshalb: Bitte mehr Streit. Doch die kürzlich zu beobachtende Debatte um den Bezirkshaushalt zeigt: Der Streit wird abgeschafft. Zumindest auf Ebene des Bezirks.
Immer kleiner werden die Beträge, die der Bezirk bewegen kann, immer überflüssiger der Streit, weil es um Peanuts geht. Das liegt nicht an der Rückkehr der Sparjahre. Es liegt an der Entmachtung der Vorort-Demokratie. Die Bezirksbürgermeisterin hat vor wenigen Wochen vom Zutrauen in die Bezirke gesprochen, das nicht im notwendigen Maße gegeben sei. Wenn diese Diagnose zutrifft und das Vertrauen darin – weiterhin – fehlt, dass die Menschen vor Ort ihre Probleme allein lösen können – demokratisch lösen können, sei angefügt -, wofür dann streiten?
Es gibt sehr viele öffentliche Haushalte über 1 Milliarde – darunter auch die sehr wichtigen Sozialversicherungen.
Das zeigt, dass der öffentliche Sektor mehr als die Hälfte des Wirtschaftslebens ausmacht (in der alten Bundesrepublik sogar 55%) – und das ist auch richtig so. Die Privatisierung der Wohnungen ist völlig nach hinten losgegangen.
Jetzt hoffe ich, dass der Bezirk aufhört, seinen Frust über seine (angeblich?) schwindende Bedeutung damit abzureagieren, dass er auf die Badenden losgeht – unter Vorwänden, um einem Privatbetreiber am Plötzensee ein Monopol zu verschaffen – für 9€ Eintritt einmal ins Wasser springen: ein “Freibad” der Longdrinker. Da schwimmt kaum noch jemand, und da geht kein Weddinger mehr hin. Der Bezirk nimmt den Weddingern ihre Plötze weg – das war ihr Badesee seit 150 Jahren – und schwächt ihre Gesundheit.
Auch wenn er Frust hat, muss der Bezirk seine Kernaufgaben erfüllen!
Einmal springen kostet 2€ (Kurzzeittarif 2h) – das ist fair. Bin ansonsten auch kein Fand von dem Zirkus der neuen Betreiber.
Den Kurzzeittarif gibt es erst seit Neuestem wieder. Ich kannte ihn noch nicht.
Anders als Nick meine ich, dass 2€ für kurz Reinspringen (Kurzzeittarif 2h) NICHT fair ist! – Denn 1.) für regelmäßige Schwimmer ist das zu teuer. Es gibt keine Jahreskarten oder ähnliches.
2.) Nur bis 18 Uhr: Was soll das? Leben im Wedding keine Berufstätigen? – Oder sind nach 18 Uhr die hauptsächlichen Besucher zu besoffen, sodass die Bademeister gehen müssen?
Der Bezirk soll das Freibad endlich wieder seiner Bestimmung zuführen: Baden der Weddinger (und Moabiter, Reinickendorfer) jedes Alters, Berufs und Einkommens auch nach Feierabend. 150 Jahre lang war das möglich. Und der Wunsch, sich gegen Abend abzukühlen, wird mit der Erdaufheizung immer weiter zunehmen.
Solange der Bezirk das Freibad seiner Bestimmung noch nicht wieder zugeführt hat, müssen die Badestellen außerhalb des Freibads, die bereits mit Steinplatten oder Treppenstufen am Ufer ausgestattet sind, legal bleiben. Weil sie an belebten Tagen nicht reichen, soll der Bezirk weitere Stellen mit Treppenstufen ausstatten, sodass das Ufer nicht zertreten wird.
Wenige befestigte Bade-Einstiegstellen reichen aus, um das Ufer vor dem Zertreten zu schützen, denn als regelmäßiger Schwimmer weiß ich, dass diejenigen, die im Jahr 2020 täglich nach Feierabend in Massen direkt am Ufer saßen, Briten waren, die sich auf der Flucht vor dem Brexit in andere Staatsbürgerschaften befanden. Im nächsten Jahr waren sie bereits weitergezogen, sodass sich ihr regelmäßiger Ansturm nicht wiederholen wird. Auch sie waren übrigens so respektvoll wie möglich mit dem Ufer umgegangen.
Das Bezirksamt soll davon ausgehen, dass der allergrößte Teil der Plötzensee-Besucher einen guten Willen hat. Es kommt darauf an, diesem guten Willen einen einfachen Weg in das Wasser und wieder heraus zu ermöglichen. Der Bezirk darf den Weddingern ihre Plötze nicht länger wegnehmen!