Jeder Weddinger kennt das: Halb Berlin denkt, wir leben in einem großen grauen, trostlosen Elendsquartier. Allenfalls hat man schon mal vom Roten Wedding gehört und tut das mit einem leichten Schaudern ab. Doch die Wirklichkeit ist ganz anders und so freuen wir Weddinger uns, dass wir die vielen Grünflächen, die unser Stadtteil sein Eigen nennt, nicht mit besonders vielen Touristen und anderen Berlinern teilen müssen. Doch woran liegt es, dass sich der Wedding so ganz anders anfühlt als das Klischee?
Als Hauptstadt des Kaiserreichs ist Berlin ab 1871 wahnsinnig schnell gewachsen. In nur dreißig Jahren hatte sich die Einwohnerzahl auf zwei Millionen verdoppelt, bis zur Stadtgrenze wurden alle Flächen verplant und bebaut. Die Stadtteile Wedding und Gesundbrunnen, die seit 1861 zu Berlin gehörten, waren davon auch betroffen. Als einzige Grünanlage wurde dort ab 1865 der Humboldthain inmitten des dicht bebauten Arbeiterviertels als aufwändig gestaltete Grünanlage angelegt. Die Gebiete südlich der See- und der Osloer Straße wurden parzelliert und mit Industrie, Mietskasernen und öffentlichen Einrichtungen zugepflastert. Nördlich davon gab es nur ein paar einzelne Gebäude an der Müllerstraße und entlang der Prinzenallee. Statt dessen prägten dort Friedhöfe, die an den Stadtrand verlegt worden waren, wüste Sandflächen und Truppenübungsplätze das Bild.
Neues Bauen und neue Parks
Ab der Jahrhundertwende wurden neue Siedlungsgebiete anders geplant. Viel Licht und gute Durchlüftung sowie große, grüne Höfe waren jetzt die Vorgaben. Im Norden des Wedding gab es genügend Platz für große Projekte wie die Siedlung Schillerpark, die Friedrich-Ebert-Siedlung und das Englische Viertel. Auf den ehemals öden Sandflächen entstanden neue Parks wie der Schillerpark (1913), der Goethepark (1922) und mit 120 Hektar der riesige Volkspark Rehberge (1929). Dort baute man nicht – wie am Humboldthain – einfach die Landschaft in eine Grünanlage um. Vielmehr wurden die vorhandenen Sanddünen, Feuchtgebiete und Seen in die Modellierung des topographisch reizvollen Geländes eingebunden. Daher haben diese Parks eher die Anmutung von offenen Landschaftsparks als von gärtnerischen Anlagen.
Wie häufig am Stadtrand entstanden auch bei uns viele Kleingärten. Knapp 30 Kolonien unterschiedlichster Art und Größe gibt es inzwischen im Wedding. Manche liegen mitten in dicht bebauten Wohnvierteln wie zwischen Luxemburger und Triftstraße, andere breiten sich am nördlichen Rand der Bebauung aus wie rund um die Togostraße oder entlang der Panke.
Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg schlugen ebenfalls Schneisen in den bis dahin überbevölkerten und äußerst eng bebauten Wedding. Wege entlang der kloakenartigen Panke wurden zu einem durchgehenden Grünzug verbunden, am früheren Nordhafen wurde ein neuer Park angelegt. Hinterhöfe wurden entkernt, miteinander verbunden und begrünt, wie zum Beispiel zwischen Liebenwalder und Oudenarder Straße. Durch Kahlschlagsanierung entstandene Neubaugebiete wie das Brunnenviertel zeichnen sich ebenfalls durch grüne Höfe und luftige Stadtplätze aus. Sogar ganz neue Parks entstehen noch immer im Wedding, wie der 2007 eröffnete Sprengelpark auf einem ehemaligen Fabrikgelände.
So viel Grün im Grau des Häusermeers, und aus der Perspektive anderer Innenstadtkieze sogar besonders viel Grün, das zeichnet den Wedding (für Kenner) aus…
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