Das nennt man einen Treppenwitz der Geschichte: 1251 befand sich das Dorf Weddinghe nahe einer Mühle an der Panke – ein Fleck, der auf dem heutigen Gebiet Gesundbrunnens liegt. Das besagt ein alter Kaufvertrag aus dem Mittelalter. Die Mühle und das Dorf lag vermutlich in Höhe des Amtsgerichts Weddings. Es folgte ein halbes Jahrtausend wechselvoller Weddinger Geschichte – bis der Name Gesundbrunnen erstmalig auftauchte. Für eine kurze Zeit gab es dann tatsächlich ein eigenständige Geschichte Gesundbrunnens, bevor sie im Lauf der Zeit wieder versiegte.
Eine Quelle wird bekannt
Bis ins 18. Jahrhundert taucht das Vorwerk “Wedding” ab und an in Kaufverträgen auf, aber nie der Name Gesundbrunnen. Ab etwa 1700 ist eine Walkmühle an der Panke in Höhe Badstraße bezeugt. 1748 kann als Geburtsjahr des Gesundbrunnens gelten, weil in diesem Jahr eine Quelle erwähnt wurde, die der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf offiziell zur Heilquelle erklärte. Der geschäftstüchtige Hofapotheker Heinrich Wilhelm Behm erhielt von seinem König Friedrich II. (der “Große”) ab 1758 das Recht, eine Heil- und Badeanstalt einzurichten. Zum Dank nannte er die Anlage kurzzeitig Friedrichs-Gesundbrunnen. Etwas hermachen sollte später auch der Name Louisenbad oder Luisenbad. 1809 hatte die Königin Luise das Kurbad besucht, mit dem neuen Namen sollte für Umsatz gesorgt werden. Ab 1879 versuchten Gebrüder Galuschki mit dem Namen Marienbad das Geschäft mit Kur- und Heilbad anzukurbeln. Da das Kurleben tatsächlich im krassem Gegensatz zum Leben im verarmten Berliner Vorort Wedding stand, kann von einer kurzzeitigen eigenen Geschichte des Gesundbrunnens gesprochen werden.
Wie das Gebiet zu Berlin kam
Die armen Leute des Weddings standen im Mittelpunkt der Diskussion, ob der Landstrich in die Stadt Berlin eingemeindet werden sollte. Weder der Landkreis Niederbarnim noch die Stadt Berlin wollte sie so recht haben. Diskutiert wurde um die Eingemeindung von 1818 bis zum 1. Januar 1861. Mit diesem Datum kamen die Dörfer Wedding und Gesundbrunnen als Bezirk Nummer 3 zu Berlin. Der Name Gesundbrunnen scheint aber nicht recht verbreitet gewesen zu sein, eine Karte aus dem Jahr 1861 bezeichnet die beiden Dörfer mit Wedding und Luisenbrunnen. Dennoch: Der neue Bezirk Nummer 3 wurde offiziell “Wedding und Gesundbrunnen” genannt.
Diese 1861 geschaffene Verwaltungsstrukturen hielten rund 60 Jahre bis zur Bildung der Stadt- oder Einheitsgemeinde Groß-Berlin. 1920 wurde vom Schreibtisch Groß-Berlin geschaffen und damit gleich Bezirksgrenzen neu geordnet. So kamen Teile der Rosenthaler Vorstadt und Teile der Oranienburger Vorstadt in den neu festgelegten Bezirk Wedding. Das heißt, wer heute im Brunnenviertel lebt, ist also (wenn man es ganz genau nimmt) eigentlich kein Gesundbrunner.
Sogar ein Stück Pankow kommt zum Wedding
1938 wurden die Grenzen des Bezirks Wedding erneut verschoben. Ein Teil der Jungfernheide und Straßenzüge rund um die Wollankstraße wurden dem Bezirk Wedding zugeschlagen. Mit anderen Worten: der nördliche Zipfel des Gesundbrunnens ist eigentlich Pankow. Natürlich nur, wenn man es genau nimmt.
In der Zeit der Teilung gab es keine Änderungen an den Bezirksgrenzen. Dafür scheint sich der Name Wedding berlinweit durchgesetzt zu haben, während Gesundbrunnen immer mehr ins Hintertreffen geriet. Heute, rund ein Vierteljahrhundert nach Westberliner Zeiten, ist der Name Wedding jedem Berliner ein Begriff. Der Name Gesundbrunnen hat es da heute deutlich schwerer, bei allen Berlinern eine Vorstellung zu erzeugen.
Gesundbrunnen tauchte wieder auf
2001 wurde die Verwaltung wieder einmal aktiv. Bei der so genannten Verwaltungsreform von 2001 wurden aus 23 Bezirken nur noch 12. Ein solcher Schritt bedeutet, dass eine gewisse Entfernung zwischen Bürger und Bezirk entsteht. Um diese Entfernung weniger fühlbar zu machen, wurden die Ortsteile wiederentdeckt. Und mit ihnen auch der Name Gesundbrunnen aus der Versenkung gehoben. Seit 2001 ist Gesundbrunnen ein offizieller Ortsteil im Bezirk Mitte. Den Behörden sei Dank.
LINKS
Informativ sind die Info-Tafeln im Durchgang Badstraße 38, die die Teilung Weddings und Gesundbrunnens durch die Erben Behms darstellt.
Und ein alter Beitrag auf dem Weddingweiser: Warum sich Wedding und Gesundbrunnen noch immer als Einheit sehen
Text: Andrei Schnell; Karten: Wikipedia, gemeinfrei