Blick zurück in die Geschichte – von einer Ansammlung von kleinen Gebäuden zum Häusermeer: Als der Wedding 1861 nach Berlin eingemeindet wurde, lebten dort nur etwas mehr als 7.500 Einwohner. Doch 50 Jahre später waren es schon 337.000 – die kleinteilig und unzusammenhängend bebaute Vorstadt war wie aus dem Nichts zur Großstadt geworden.
Der dritte Bezirk
Am 1.10.1920 wurde Groß-Berlin per Gesetz gebildet, und der Wedding lag plötzlich nicht mehr am nördlichen Rand der Stadt Berlin, sondern mittendrin. Sieben Städte, 57 Gemeinden und 27 Gutsbezirke wurden zu der Stadt zusammengelegt, die wir heute als Berlin kennen. Die reich gewordenen Dörfer Reinickendorf und Pankow verloren dabei ihre Selbständigkeit. Die nun um ein Vielfaches vergrößerte Stadt wurde zu einer eigenen Provinz in Preußen und war nicht mehr Teil Brandenburgs. Für die Verwaltung wurden zunächst zwanzig Bezirke gebildet, und der Wedding war als Bezirk Nummer 3 sehr zentral gelegen. Er entstand durch Zusammenfassung von Teilen der ehemaligen Rosenthaler Vorstadt, der Oranienburger Vorstadt (früher als Tiefer Wedding, heute als Brunnenviertel bekannt) und des erst 1915 eingemeindeten Gutsbezirks Plötzensee. Doch den größten Teil machten die beiden vormaligen Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen aus. Der Bezirk, der seinen Namen nach dem längst verschwundenen Gutshof Wedding erhielt, war nach Kreuzberg der einwohnerstärkste Stadtbezirk der Millionenstadt. Ein eigenes Rathaus hatte der Bezirk unter Bürgermeister Carl Leid von der USPD anfangs aber trotzdem nicht. Daher tagte die Bezirksverordnetenversammlung unter anderem im Jüdischen Krankenhaus. Erst 1928 wurde dann der Grundstein zum Rathaus Wedding an der Müllerstraße gelegt – der schlichte Backsteinbau wurde 1930 eingeweiht.
Grenzkorrekturen
Die Grenzen des Bezirks änderten sich mehrmals. 1923 wurden sie Richtung Tiergarten und Charlottenburg in den Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal gelegt. Was sich stärker auswirkte: Im Jahr 1938 gab es eine Bereinigung von Grenzen in allen Berliner Bezirken, bei der zahlreiche alte Grenzverläufe begradigt wurden, die meistens noch aus der Zeit stammten, als die Vororte eigenständige Dörfer waren. Durch diese Grenzkorrektur kam der Wedding an das Gebiet rund um den heutigen Zentralen Festplatz, die Friedhöfe südlich der Holländerstraße und vor allem an das Gebiet an der Wollankstraße westlich der Nordbahn, das bis dahin zu Pankow gehört hatte. Auch die dort gelegenen Friedhöfe wurden 1938 Weddinger Gebiet. Die Bernauer Straße und die Liesenstraße wurden als Grenze nach Mitte festgelegt – eine Grenze, die beim Mauerbau 1961 dann eine entscheidende Rolle spielen sollte.
1945 wurde der Wedding Teil des französischen Sektors in der Vier-Mächte-Stadt, während die Nachbarbezirke Mitte, Prenzlauer Berg und Pankow dem sowjetischen Sektor zugeschlagen wurden. Nach dem Mauerbau geriet der Wedding – 1920 Teil der Innenstadt – auf einmal in eine Randlage von West-Berlin, da wichtige Bezugspunkte wie die Friedrichstraße oder der Alexanderplatz vom Wedding für die Menschen weitgehend abgeschnitten waren.
2001 wurden einige Berliner Bezirke fusioniert. Auch der Bezirk Wedding verlor nach 80 Jahren seine Selbständigkeit und ist seitdem Teil des Bezirks Mitte. Seinen ganz eigenen Charakter hat der Wedding zum Glück nicht vollständig verloren. Dennoch gelangt mehr und mehr ins Bewusstsein, dass der Stadtteil einfach sehr zentral und verkehrsgünstig liegt. Es besteht also die Gefahr, dass dieser bislang im Windschatten von Aufwertung liegende Teil Berlins plötzlich in den Innenstadt-Sog gerät – wie vor ihm schon Kreuzberg oder Teile Neuköllns.