Seit dem 21. Dezember 2021 ist die “Mühlenstube” in der Müllerstraße 120 in Betrieb. Der soziale Träger vista gGmbH betreibt hier im Auftrag des Landes Berlin eine Kontaktstelle für Suchtkranke mit integriertem Drogenkonsumraum. Vista bringt dabei langjährige Erfahrungen mit: Seit 2004 schon betreibt die gemeinnützige Gesellschaft mit einem ähnlichen Konzept auch die »Birkenstube« in der Moabiter Birkenstraße. Die wurde zum Vorbild für ähnliche Einrichtungen in Kreuzberg und Neukölln sowie in vielen anderen Städten Deutschlands.
Hier arbeiten Sozialarbeiter (und ‑innen) zusammen mit medizinischem Fachpersonal: Soziale und gesundheitliche Beratung erfolgen vor Ort. Die Bereitstellung von sauberem Spritzenbesteck und der medizinisch beaufsichtigte Drogenkonsum wird durch persönliche Beratung ergänzt. Daneben besteht für die Suchtkranken auch die Möglichkeit, Wäsche zu waschen, sich medizinisch versorgen zu lassen, zu duschen, einen Kaffee zu trinken und Hilfe beim Ausfüllen von Antragsformularen zu erhalten. Finanziert wird die Mühlenstube über die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung mit Mitteln des Landes. Das maßgebliche Ziel dieser Arbeit ist es, die Zahl der Drogentoten zu verringern.
Das stößt nicht überall auf Zustimmung und löst in der direkten Nachbarschaft natürlich auch Ängste aus. In mehreren öffentlichen Veranstaltungen suchte der Betreiber der Mühlenstube seit dem Sommer den direkten Kontakt.
Etwa 500 Personen unterzeichneten im September eine Online-Petition gegen das Vorhaben, davon gaben etwa die Hälfte an, direkt von der Problematik betroffen zu sein. Ihr Kernargument: Die Mühlenstube befinde sich zu weit weg vom Zentrum der Drogenproblematik im Wedding, dem Leopoldplatz, sie ziehe die “Szene” hoch ins Parkviertel.
Mit ganz ähnlichen Argumenten hatten vor 18 Jahren auch die Anwohner (und ‑innen) der Birkenstraße gegen die Birkenstube Stellung bezogen, denn auch die liegt ein gutes Stück vom Moabiter Hotspot, dem Kleinen Tiergarten am U‑Bahnhof Turmstraße, entfernt. Stefan Wiedemann von der vista gGmbH gab dazu auf einer Veranstaltung zu bedenken, mit dem Drogenkonsum-Raum sei auch ein Ansprechpartner vor Ort, der in einem lokalen Netzwerk mit anderen Einrichtungen, dem Bezirk und der Polizei arbeite und solchen Tendenzen entgegensteuern könne: “In der Nähe der Birkenstube gab es zeitweilig auch mal Probleme mit der Drogenszene. Die konnten wir dann aber sehr zügig abstellen.” Auch die Nutzerinnen und Nutzer des Konsumraumes hätten ein Interesse an dem Weiterbestand des Projekts und setzten sich in der Szene dafür ein, dessen Umgebung möglichst nicht zu belasten. “Wir sind für sie sehr viel mehr als nur eine weitere City-Toilette, in der man unbeobachtet Drogen konsumieren kann.“
Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Umfeld der Mühlenstube können sich daher jederzeit an die vista gGmbH wenden, wenn sie ein problematisches Verhalten der Drogenszene beobachten. Das bestätigt auch der neue Gesundheitsstadtrat des Bezirks Mitte, Christoph Keller: “Das Team von vista leistet schon in der Birkenstube hervorragende Arbeit und ist auch bei Fragen aus der Nachbarschaft im Wedding jederzeit ansprechbar. Vielen Dank dafür.” Bislang, so berichtet uns Stefan Wiedemann, sei es noch zu keinerlei Probleme im oder mit dem Umfeld gekommen.
Zunächst ist die Mühlenstube am Montag und Dienstag von 10–17 Uhr, am Mittwoch von 10–15 Uhr sowie am Donnerstag und Freitag von 12–19 Uhr geöffnet. In den kommenden Monaten werden diese Öffnungszeiten schrittweise ausgeweitet, sodass wechselseitig mit der Birkenstube in Zukunft auch eine Versorgung am Wochenende sichergestellt sein wird.
Kontakt- und Anlaufstelle Mitte, Müllerstraße 120, 13349 Berlin, Telefon (030) 297 73 56 00,
[email protected]
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Artikel erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift “Ecke Müllerstraße”, Ausgabe Feb/März 2022
leopoldplatz gesehen heute nur entsetzt aufgegebener ort