Sie sind irgendwann aus der Türkei, dem Libanon, aus Polen nach Berlin gekommen und leben heute im Brunnenviertel: Birsen Hamut, Mariam Fandi und Emilia Witwer-van de Loo. Regelmäßig treffen sich die drei Frauen zum Frühstück und pflegen damit ihre interkulturelle Freundschaft. Wir übernehmen den Beitrag über die interkulturelle Freundschaft aus dem Kiezmagazin “brunnen”.
Begonnen hat alles 2008 in der Kita Wolgaster Straße. Über ihre Kinder kamen Birsen Hamut, Mariam Fandi und Emilia Witwer-van de Loo ins Gespräch. Birsen fiel auf, wie geduldig Emilia mit ihrer Tochter umging. ‚Die hat die Ruhe weg‘, dachte sie bewundernd. Eine enge Freundschaft entstand aus der Begegnung zwischen den drei Frauen, die im Brunnenviertel leben und aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen.
Die Muttersprache von Mariam Fandi, gelernter Zahnarzthelferin, ist Arabisch. Die gläubige Muslima ist im Libanon geboren und kam mit ihrer Familie 1979 als Kriegsflüchtling nach Berlin. AmAnfang war es schwer. Die deutschen Kinder wollten nichts von ihnen wissen, in der Schule wurden die Ausländer von den Lehrern ignoriert. „Ich weiß nicht, wie ich Lesen und Schreiben gelernt habe“, sagt sie. Nachbarn ist es zu verdanken, dass sie Deutsch lernte und ihren Schulabschluss machen konnte. Mariam legt großen Wert auf die Ausbildung ihrer sechs Kinder, vor allem der Töchter, und engagiert sich als Kiezmutter im Brunnenviertel. „Wir stellen viele Veranstaltungen auf die Beine und können den Bewohnern oft schnell und unbürokratisch helfen.“
Emilia Witwer-van de Loo ist in Polen mit dem schweizerisch-deutschen Namen ‚Witwer‘ geboren. Zu Hause hat sie nur Polnisch gesprochen. 1986 konnte sie dank eines Stipendiums in der DDR Medizin studieren, nach der Wende beendete sie das Studium in Bochum. Sie heiratete einen Deutschen mit dem niederländischen Namen ‚van de Loo‘. „Ich werde oft für eine Holländerin gehalten“, erzählt sie. Emilia ist Ärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Spandau und vor vielen Jahren aus Überzeugung aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ihre beiden Töchter, neun und zehn Jahre alt, besuchen die Vineta-Grundschule. Emilia lebt gern im Brunnenviertel. Sie findet, dass es offener und heller geworden ist und schätzt die neuen kleinen Läden, die von den jungen Leuten eröffnet werden. Die guten Einkaufsmöglichkeiten (Kaiser’s und Aldi) vermisst sie jedoch sehr.
Birsen Hamut kam mit 13 Jahren aus der Türkei nach Berlin-Steglitz. „Wir waren die einzigen Ausländer im Kiez. Viele waren gegen uns und haben das auch gezeigt.“ Birsen jedoch ließ sich nichts gefallen und ging ihren Weg. Seit ihrem 16. Lebensjahr bereiste die Türkin mit dem Rucksack allein die Welt. Sie erkundete Europa, Thailand, Vietnam, Australien. Für ein paar Jahre lebte sie sogar in Thailand und spricht auch die Sprache. Als ihre Kinder kamen, gab sie das Reisen auf. Heute ist die Muslima Elternsprecherin und kennt den Kiez in- und auswendig. Sie bedauert den Wegzug der Bibliothek und wünscht sich mehr Sportmöglichkeiten für die Kinder. „Da könnte man noch eine ganze Menge tun“, sagt sie.
„Wir machen alles zusammen“, sagen Mariam, Emilia und Birsen. „Wir feiern Schulfeste und Geburtstage, gehen zum Laternenumzug und unterstützen uns bei alltäglichen Problemen.“ Die drei Frauen treffen sich regelmäßig zum gemeinsamen Frühstück, zu dem Mariam momentan ihren einjährigen Sohn mitbringt. Während Birsen und Mariam sich ums Essen kümmern, läuft Emilia mit dem Kleinen durch die Wohnung. „Birsen war bei seiner Geburt dabei“, erzählt Mariam. „Ich habe sie gebeten, türkisch mit ihm zu sprechen, denn er soll viele Sprachen lernen.“
So erfährt auch das jüngste der insgesamt zwölf Kinder schon, wie bereichernd die interkulturelle Freundschaft zwischen ihren Müttern und deren Familien ist.
Text und Fotos: Stephanie Esser/brunnen