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Naturerlebnis für Kinder:
Dabeisein, wenn der frühe Vogel singt

"Be the first bird" - Vogellauschen auf dem St. Elisabeth-Kirchhof
26. April 2023

Ange­ord­net in einem Stuhl­kreis sitzt eine klei­ne Grup­pe, der Kurs­lei­ter räus­pert sich und stellt die Fra­ge, die beglei­tet wird von besorg­ten Bli­cken der ande­ren Teil­neh­mer. Ob denn die zehn­jäh­ri­ge Maxi (Name geän­dert) Beden­ken habe? Die Ange­spro­che­ne wirkt ver­wun­dert, ver­steht nicht, wor­auf die Erwach­se­nen nun schon wie­der hin­aus wol­len. Dann ant­wor­tet sie, sie sei hier, weil der Papa sie gefragt habe, ob sie ein­mal auf einem Fried­hof über­nach­ten wol­le. “Erst habe ich gedacht, Papa macht einen Witz.” Aber es ist kein Witz, es ist ein Aben­teu­er und neben­bei ein Vogel-Workshop.

Micha Alt
Micha Alt lei­tet “Be the first bird – Vogel­lau­schen im St. Eli­sa­beth-Fried­hof” – Foto: And­rei Schnell

Das Aben­teu­er beginnt damit, dass Micha und Micha, die bei­den Orga­ni­sa­to­ren, die Feu­er­scha­le auf­stel­len. Es Frei­tag­abend, die Son­ne schickt sich an, hin­ter Wip­feln zu ver­schwin­den, April­küh­le zieht auf. Wie eine Ver­hei­ßung steht die Scha­le neben dem Stuhl­kreis. Doch bevor es für das Feu­er aus­rei­chend dun­kel ist, zie­hen die Teil­neh­mer erst ein­mal Vogel­kar­ten. Die gezo­ge­nen Vogel­na­men erset­zen für die­sen Abend und den kom­men­den Tages­an­bruch die eige­nen Nach­na­men. Damit ist klar, es geht um Vögel. “Be the first bird” haben Micha Alt und Micha Grosch das Pro­jekt genannt. Dar­in kön­nen sich Kin­der mit ihren Eltern (aber auch Erwach­se­ne ohne Kin­der dür­fen sich ange­spro­chen füh­len) im Vogel­lau­schen üben. Doch Stopp, falls jetzt bei dem einen oder ande­ren jetzt schlim­me Erin­ne­run­gen an Ver­tre­tungs­stun­den wäh­rend der eige­nen Schul­zeit hoch­kom­men. Damals, als end­lo­se Vogel­kas­set­ten noch als pro­ba­te Lücken­fül­ler gal­ten. Im Jahr 2023 wis­sen Vogel­fans wie Micha und Micha, dass sie ihre Begeis­te­rung für Sing­vö­gel mit viel Unter­hal­tung rüber­brin­gen müs­sen. Und des­halb ist das Pro­jekt “Vogel­lau­schen im St. Eli­sa­beth” kurz­wei­lig und abwechs­lungs­reich auf­ge­baut. Denn bei der Ver­an­stal­tung hin­ter den abschir­men­den Mau­ern han­delt es sich um ein Natur­er­leb­nis. Nur eben mal ganz anders.

Apro­pos, ganz anders. War­um um alles in der Welt haben die bei­den Pro­jekt­lei­ter einen Fried­hof für das Vogel­lau­schen aus­ge­wählt? Bei dem einen oder ande­ren? Micha Alt, aus­ge­bil­de­ter Wald- und Wild­nis­päd­ago­ge, sagt: “Auf einem Fried­hof gibt es die wenigs­ten mensch­li­chen Stö­run­gen”. Dadurch, dass ein Fried­hof abends abge­schlos­sen wird, sei sicher­ge­stellt, dass es durch­gän­gig ruhig blei­be. Aus­ge­schlos­sen, dass ein mor­gens jemand, nach durch­zech­ter Nacht über die Wege schwan­ke, wie dies in einem Volks­park natür­lich pas­sie­ren kön­ne. Und aus Per­spek­ti­ve der Vögel gese­hen, böten Fried­hö­fe vie­le ver­win­kel­te Ecken und unter­schied­li­chen Bewuchs vom Busch bis Hoch­baum. Das sei für zahl­rei­che Vogel­ar­ten attraktiv. 

Natur­leh­rer Micha Alt will den Kin­dern und Erwach­se­nen im abend­li­chen Stuhl­kreis am 21. April das Kon­zept des soge­nann­ten Sitz­plat­zes. Ein­fach aus­ge­drückt geht es dabei dar­um, mor­gens vor dem Erwa­chen des ers­ten Sing­vo­gels auf einer Bank zu sit­zen und abzu­war­ten. Wie in einem Kon­zert­haus für nur einen Zuschau­er war­tet der Vogel­be­ob­ach­ter in der Natur, bis die gefie­der­ten Sän­ger begin­nen. Aber natür­lich läuft es dabei nicht so ab, dass der Exper­te sagt, sei mal still und sage mir dann, wel­che Vögel du auf dei­nem Lausch­platz gehört hast. Des­halb steht vor der Mor­gen­stund mit Gesang im Mund das lehr­rei­che Abend­pro­gramm. Oder sagen wir: der Spie­le­abend. Bei die­sem ler­nen die Teil­neh­mer erst ein­mal, wie man hört. Schwer zu glau­ben, aber hören will gelernt sein. Das Erler­nen des Hörens ist kurz­wei­lig gemacht, auch Maxi fühlt sich sehr lan­ge unter­hal­ten. Bis end­lich, nach­dem die Licht­ver­hält­nis­se auf dem Fried­hof von dun­kel zu fins­ter gewech­selt sind, die Schei­te in der Scha­le ange­zün­det wer­den. Und noch ein paar Tas­sen hei­ßen Tee spä­ter schlüp­fen alle Teil­neh­mer in ihre Schlaf­sä­cke, die sie am Fuße der Kapel­le aus­ge­brei­tet haben. Eine Nacht unter frei­em Him­mel war­tet auf sie.

Sonnenaufgang über dem St. Elisabeht-Friedhof
Son­nen­auf­gang über dem St. Eli­sa­beth-Fried­hof. Foto: And­rei Schnell

Dann, der frü­he, noch schwar­ze, Mor­gen. Es gibt es wie­der Tee und dann heißt es mit weit geöff­ne­ten Ohren der Din­ge zu har­ren, die da erklin­gen. Tat­säch­lich ist es dann eine beson­de­re Stun­de, in der aus zag­haf­ten Vogel­stimm­chen ein umfas­sen­der Chor erwächst. 

In Sum­me der nächt­li­che Work­shop ein Tipp für Eltern, die mit ihren Kin­dern etwas gemein­sam machen wol­len, dass die lie­ben Klei­nen lan­ge als schö­nes Zusam­men­sein in Erin­ne­rung behal­ten. Zumin­dest Maxi und ihr Papa wir­ken so, als ob das nicht-all­täg­li­che früh­mor­gend­li­che Erleb­nis ein wei­te­rer Faden in ihrem Bezie­hungs­seil ist. 

Die Idee zu dem Kurs hat­ten Micha und Micha gemein­sam. Aus­lö­ser war für Micha Grosch, dass er selbst in frü­her Stun­de vom Vogel­er­wa­chen auf dem Eli­sa­beth-Fried­hof über­wäl­tigt wur­de. Die­sen Moment woll­te er tei­len. Micha Alt, den er im Gemein­schafts­gar­ten Him­mel­beet bei einem Pilz­pro­jekt traf, sag­te sofort zu, dabei zu hel­fen. Mit einem Vor­läu­fer­pro­jekt namens “Beat the first bird” hat er bereits Erfah­run­gen gesam­melt. Micha Alt ist ein zer­ti­fi­zier­ter Ver­mitt­ler von Natur­er­leb­nis­sen und lei­tet seit rund zehn Jah­ren Kur­se. Er und ande­re Wald­leh­rer der INU-Wald­schu­len haben sich den inhalt­li­chen Auf­bau des Work­shops “Be the first bird” aus­ge­dacht. Und alles, was läs­tig ist (also das Orga­ni­sa­to­ri­sche), das über­nimmt Micha Grosch. Die Stif­tung Natur­schutz för­dert das Pro­jekt “Vogel­lau­schen in St. Eli­sa­beth” mit dem einen oder ande­ren Gro­schen. Wer teil­neh­men will, wen­det sich per E‑Mail an [email protected]. Die nächs­ten Ter­mi­ne sind die Frei­ta­ge 28. April, 5. Mai, 12. Mai, 20. Mai, 26. Mai, 2. Juni, 9. Juni, 16. Juni und 30. Juni. Start­zeit ist gegen 19 Uhr, wobei sich die­se mit jedem Ter­min nach hin­ten ver­schiebt, je spä­ter die Son­ne abends unter­geht. Mit­zu­brin­gen sind 6 Euro für Kin­der und 12 Euro für Erwach­se­ne, eine Iso­mat­te, ein Schlaf­sack, eine Taschen­lam­pe, war­me Unter­be­klei­dung für den küh­len Mor­gen und ein Trink­be­cher. Das Min­dest­al­ter beträgt 10 Jah­re. Das Maxi­mal­al­ter hängt davon ab, bis zu wel­chem Alter sich der Inter­es­sier­te sei­ne Lust am Aben­teu­er bewahrt hat.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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