Eine Stele, eine Bodenplatte, eine Wandplakette, einen Platznamen. Es gebe viele Möglichkeiten, an die wiederständige Franziska Bereit zu erinnern. Welche Form ist die beste, um dem Kindermädchen – wie haushaltsnahe Babysitter früher hießen – ein Gedenken zu geben? Dass ein Gedenken gefunden werden muss, das bewies ein öffentliches Treffen am Sonntag vor zwei Wochen (21.1.).
30 Leute drängen sich in den zweiten, hinteren Raum des Café Cralle in der Hochstädter Straße unweit des Maxplatzes. Die Stühle reichen nicht, das Zimmer auch nicht, einige Gäste müssen im Verbindungsgang stehen bleiben, ihren Hals strecken. Vorn, quasi auf den Fußspitzen der Zuhörer in der ersten Reihe, sitzen Louisa Hattendorff, Kena Stüwe, Heike Stange und Trille Schünke. Die vier Frauen wollen die mutige Tat von Franziska Bereit während der NS-Zeit sichtbar machen. Beziehungsweise: Sie wollen ins öffentliche Gedächtnis bringen, dass ein besonderes Weddinger Netzwerk eine an ein Wunder grenzende Rettung möglich machte.
Kreide oder Nacht-und-Nebel-Aktion?
Mehrere Ideen, wie an Franziska Bereit und ihre Helfer erinnert werden kann, wurden von den Gästen im Café Cralle vorgeschlagen. Offizielle Unterstützung sagten die Abgeordnete Laura Neugebauer (Grüne) und Stadtrat Christoph Keller (Linke) zu. Sie sind bereit, ihren Briefkopf zu geben, wenn der Eigentümer des Miethauses der Malplaquetstraße 38 angeschrieben werden soll. Allerdings zeigte sich der Hauseigentümer in der Vergangenheit wenig gesprächsbereit in der Frage, ob eine Gedenktafel angebracht werden könnte; ließ sogar das Bezirksamt abblitzen (Drucksache 2155(V). Als Ersatz für eine Tafel schlugen andere Teilnehmer des Treffens am 21. Januar vor, mit Kreide etwas an die Wand zu schreiben. Andere wollen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine Plakette an die Hauswand anbringen.
Auf den ersten Blick einfach scheint die Lösung zu sein, den unbenannten dreieckigen Platz an der Utrechter Straße (der nicht Robert-Rescue-Platz heißt) nach Franziska Bereit zu benennen. Kein Anwohner müsste seinen Ausweis ändern lassen, der Platz hat keine Adressfunktion. Die politischen Mehrheiten in der Bezirksverordnetenversammlung dürften dem Anliegen nicht im Wege stehen.
Eine Vernetzung der Gäste untereinander oder mit der Initiative war nicht Ziel der Veranstaltung; es ging den vier Frauen um die Sichtbarmachung von Franziska Bereits Hilfe und ihrem Netzwerk. Dass dieses Sichtbarmachen auf Interesse stößt, das hat das Treffen bewiesen.
Unbesungene Heldin
Auf welche Weise Franziska Bereit die jüdische Familie Silbermann vor Gestapo und staatlich-organisiertem Mord rettete, das hat der Weddingweiser im Beitrag Gedenken an eine mutige Weddingern vor einigen Jahren bereits notiert. Neu ist, dass die Veranstalterinnen im Café Cralle das notwendige Netzwerk in den Blick rücken. Erinnert werden soll an Franziska Bereit samt ihren Helfern, die sie benötigte. Das widerständige Handeln in ihrem Umfeld soll auch Thema des Gedenkens sein. Widerständig sein, das konnte Stillschweigen (Verzicht auf Denunziation) sein. Es konnte aber auch bis zum Spenden von Lebensmitteln reichen.
Den Widerstand hat in den 1950er Jahren Kurt Grossmann in seinem Buch “Die unbesungenen Helden” festgehalten. Eine gleichnamige Ehrung hat der Berliner Senat von 1958 bis 1966 an genau 760 Menschen verliehen. Franziska Bereits Sohn Rudi Bereit hat diese Anerkennung des Berliner Senats in Vertretung für seine bereits verstorbene Mutter angenommen. (Eine Liste der als unbesungene Helden ausgezeichneten Menschen online zu stellen, wäre eine dankenswerte Aufgabe für Berlin-Historiker).
Im Wedding hat in der Malplaquetstraße 38 eine Kupfertafel an Franziska Bereit erinnert. Die Tafel geht auf eine Initiative des 1980 gegründeten Mädchenladen Wedding zurück. “Widerständig und Lebendig” hieß eine vom Mädchenladen organisierte Reihe im Jahr 1993, bei der die Tafel entstand. Die Künstlerinnen Ingrid Gans und Gila Witt haben die Tafel gestaltet und am 17. Dezember 1993 der Öffentlichkeit präsentiert. Zunächst verblieb die Tafel einige Jahre im Schaufenster des Deutschen Kinderschutzbundes. 1997 wurde sie an die Hauswand angebracht und einige Jahre später bei einer Fassadensanierung entfernt.