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Favourites Film Festival:
Das Prinzip Lieblingsfilm

Interview zur zehnten Ausgabe des Filmfestivals im City Kino Wedding
17. September 2021

Am Mitt­woch (22.9.) beginnt in der Mül­lerstra­ße das Favou­ri­tes Film Fes­ti­val (FFF). Film­fans kön­nen im City Kino Wed­ding bis zum 26. Sep­tem­ber die Fes­ti­val­fil­me aus aller Welt auf der Lein­wand sehen, die in Vene­dig, den USA, in Locar­no oder anders­wo die meis­ten Likes des Publi­kums ein­ge­sam­melt haben. Die bei­den Fes­ti­val­lei­te­rin­nen Pau­la Syn­ia­wa und Anna Jur­zik erzäh­len im Inter­view unter ande­rem wie das Fes­ti­val ent­stand, wie sie die Fil­me aus­wäh­len und war­um die Fil­me eng­li­sche Unter­ti­tel haben. 

Anne Lakeberg (links) vom City Kino Wedding mit den Festivalleiterinnen Paula Syniawa und Anna Jurzik.
Anne Lake­berg (links) vom City Kino Wed­ding mit den Fes­ti­val­lei­te­rin­nen Pau­la Syn­ia­wa und Anna Jur­zik. Foto: Hensel

Die Fil­me des Favou­ri­tes Film Fes­ti­vals sind Gewin­ner des Publi­kums­prei­ses ande­rer Fes­ti­vals. Wie und nach wel­chen Kri­te­ri­en wählt ihr aus, wel­che ihr zeigt?
Anna Jur­zik: Wir sind von uns als Zuschau­er aus­ge­gan­gen als wir das Fes­ti­val gegrün­det haben. Bis heu­te ist auch die Film­aus­wahl eine sehr per­sön­li­che. Wir haben kei­ne fes­ten Kri­te­ri­en, die wir uns vor­ab set­zen oder gar ein Punk­te­sys­tem. Wir gehen an jeden Film zunächst ein­mal unvor­ein­ge­nom­men und offen ran und schau­en dann, ob er uns mit­reißt. Durch eine star­ke Geschich­te, gro­ße Bil­der, inter­es­san­te Figu­ren, ein span­nen­des The­ma. Pro Fes­ti­val recher­chie­ren wir um die 200 Fil­me. In der Zusam­men­stel­lung des Pro­gramms schau­en wir dann, dass wir eine gewis­se Band­brei­te abbil­den, eine stim­mi­ge Aus­wahl, und dass wir ver­schie­de­ne Län­der berück­sich­ti­gen – Län­der, die im Kino sonst viel­leicht unter­re­prä­sen­tiert sind. Aber vor allem geht es dar­um, was die Fil­me mit uns gemacht haben, ob sie wei­ter in uns gewirkt haben, wir etwas aus ihnen mit in unse­ren All­tag genom­men haben.

Fil­me wer­den in Ori­gi­nal­spra­che und mit eng­li­schen Unter­ti­teln gezeigt, auf Eurem Insta­gram­ka­nal schreibt ihr auch in eng­li­scher Spra­che. Ist das nicht ein wenig zu Mit­te für den Wed­ding?
Pau­la Syn­ia­wa: Uns ist es extrem wich­tig, ein inklu­si­ves, ein­la­den­des Fes­ti­val zu sein, auf dem sich jede*r will­kom­men fühlt, ein ech­tes Publi­kums­fes­ti­val eben, auf dem nie­mand das Gefühl hat, hier trifft sich die Film­bran­che oder hier wer­den cine­as­ti­sche Fach­ge­sprä­che unter Ken­nern geführt. Wir wol­len die­sem Publi­kum Fil­me zei­gen, die es sonst nur sehr sel­ten auf die deut­schen Lein­wän­de schaf­fen: Fil­me aus Län­dern, aus denen man wenig Fil­me im Kino sieht, und die oft über eine emo­tio­na­le Geschich­te auch etwas über die Lebens­rea­li­tät in die­sen Län­dern erzäh­len und die wir auf Film­fes­ti­vals in der gan­zen Welt finden. 

Weil die­se Fil­me nicht für den deut­schen Markt auf­be­rei­tet sind, gibt es hier auch kei­ne deutsch­spra­chi­gen Fas­sun­gen. Deut­sche Unter­ti­tel oder gar eine deut­sche Syn­chron­fas­sung her­zu­stel­len, kön­nen wir uns als klei­nes Fes­ti­val natür­lich nicht leis­ten, eng­li­sche Unter­ti­tel gibt es aber von allen unse­ren Fil­men. Dem­entspre­chend muss man zumin­dest ein biss­chen eng­lisch ver­ste­hen, wenn man zu uns kommt – oder aber die Ori­gi­nal­spra­che des Films – in die­sem Jahr sind das zum Bei­spiel ara­bisch, fran­zö­sisch, San­go, Twi, dänisch, hebrä­isch oder spa­nisch. Dem­entspre­chend ist unse­re Anspra­che in den Sozia­len Medi­en eben auch eng­lisch – wir ver­su­chen, so vie­le film­in­ter­es­sier­te Men­schen wie mög­lich zu errei­chen, auch sol­che, die kein Deutsch sprechen.

Wie und war­um habt ihr das Fes­ti­val über­haupt erfun­den? Gibt es nicht schon genug Ver­an­stal­tun­gen die­ser Art?
Anna Jur­zik: Wir ken­nen uns vom gemein­sa­men Stu­di­um an der Fil­mu­ni in Pots­dam, wo wir uns prak­tisch – durch die Orga­ni­sa­ti­on eines gro­ßes inter­na­tio­na­len Stu­den­ten­film­fes­ti­vals – aber auch theo­re­tisch mit Film­fes­ti­vals aus­ein­an­der­ge­setzt haben. Bei der Grün­dung des Favou­ri­tes Film Fes­ti­val haben wir uns dann über­legt, was wir an ande­ren Fes­ti­vals schät­zen und auch, was uns stört. Dabei wur­de uns schnell klar, dass wir kein in sich geschlos­se­nes Event schaf­fen wol­len, für des­sen Teil­nah­me man bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen mit­brin­gen muss, son­dern eben ein Fes­ti­val auf dem sich jede*r wohl und will­kom­men fühlt. Und wir woll­ten Fil­men eine Platt­form geben, von denen wir glau­ben, dass sie auf die gro­ße Lein­wand gehö­ren und die ein brei­te­res Publi­kum ver­dient haben. Und so sind wir dann schließ­lich auf unser Pro­gramm­kri­te­ri­um Publi­kums­preis­ge­win­ner gekom­men, mit dem wir ja auch gleich­zei­tig die Bedeu­tung von Fes­ti­vals als wich­ti­ge Film­platt­for­men betonen.

Was ist für Euch das Beson­de­re am FFF?
Anna Jur­zik: Wir sind ja nun eine Zwei-Frau­en-Orga­ni­sa­ti­on und machen alles von der Film­re­cher­che, den Finan­zen, der Öffent­lich­keits­ar­beit bis hin zum Ver­le­gen unse­res roten Tep­pichs selbst. Wir sind mit den Film­schaf­fen­den und Rech­te­inha­bern, mit dem Kino und mit dem Publi­kum in direk­tem Kon­takt. Ein gro­ßer Teil unse­rer Arbeit ist nicht bezahlt. Wäh­rend der Fes­ti­val­ta­ge wer­den wir dann von einem groß­ar­ti­gen Team aus Freund:innen unter­stützt, die das Fes­ti­val von Anfang an beglei­tet und durch ihre Unter­stüt­zung erst mög­lich gemacht haben. Die­se Ver­bun­den­heit und die Begeis­te­rung für die Sache trans­por­tie­ren sich hof­fent­lich auch zum Publi­kum. Ich den­ke, das ist das Beson­de­re. Jeden­falls ist es ein gro­ßes Geschenk, wenn die Men­schen aus dem Kino kom­men nach einem gemein­sa­men Film­erleb­nis, mit leuch­ten­den Augen – oder trä­nen­ver­schmier­ten – und bei Abga­be ihrer Stimm­zet­tel ihre Ein­drü­cke mit uns teilen.

Paula Syniawa und Anna Jurzik, hier am Stand beim Weddingmarkt, organisieren das Favourites Film Festival.
Pau­la Syn­ia­wa und Anna Jur­zik, hier am Stand beim Wed­ding­markt, orga­ni­sie­ren das Favou­ri­tes Film Fes­ti­val. Foto: Hensel

War­um fin­det das Fes­ti­val gera­de im Wed­ding statt?
Pau­la Syn­ia­wa: Wir sind mit dem Fes­ti­val vor zehn Jah­ren in Moa­bit gestar­tet, in der Kul­tur­fa­brik Moa­bit, mit einem gro­ßen Anteil an Frei­luft­ki­no­vor­stel­lun­gen. Irgend­wann war klar, dass wir die Abhän­gig­keit vom Wet­ter nicht mehr zu hal­ten ist. Wenn man mona­te­lang ein Fes­ti­val vor­be­rei­tet, das dann aus­fällt, weil es reg­net, ist das ein­fach zu blöd. Auf der Suche nach einem neu­en Fes­ti­val­zu­hau­se sind wir schnell auf das City Kino gesto­ßen, dass damals rela­tiv neu eröff­net hat­te, waren sofort ver­liebt und hat­ten das Gefühl, es ist das rich­ti­ge Kino, weil hier einer­seits den Fil­men ein ange­mes­se­ner Rah­men gege­ben wer­den kann und eine kon­zen­trier­tes Film­erle­ben gewähr­leis­tet wer­den kann, es ande­rer­seits aber auch ein ein­la­den­der Ort ist, an dem man nach den Fil­men ger­ne noch ver­weilt und sich über das Gese­he­ne aus­tau­schen kann. Wir sind bei­de in Ber­lin auf­ge­wach­sen und haben schon in allen mög­li­chen Bezir­ken gewohnt, ken­nen die gan­ze Stadt also ziem­lich gut und hat­ten das Gefühl, Wed­ding passt ein­fach sehr gut zum Favou­ri­tes Film Festival.

Es gibt noch einen Able­ger des Fes­ti­vals in Bre­men. Wie­so?
Anna Jur­zik: Nach Bre­men hat es uns eher zufäl­lig ver­schla­gen. Wir haben von Anfang an gedacht, dass es aus Sicht der Filmemacher:innen und Zuschauer:innen eigent­lich scha­de ist, die Film „nur“ in Ber­lin zu spie­len. Eine oder meh­re wei­te­re Städ­te waren also schon immer unser Wunsch. Bre­men hat­te damals kein eige­nes Film­fes­ti­val und das obwohl es recht vie­le Art­house-Kinos gibt. Wir mögen die Stadt und fin­den es auch immer wie­der span­nend zu sehen, wie unter­schied­lich die Men­schen in den bei­den Städ­ten auf die Fil­me reagieren.

Die Fil­me in die­sem Jah­ren haben vie­le ver­schie­de­ne The­men, aber eins ist nicht dabei. Wie­so ist das so und ist das nicht merk­wür­dig, ein coro­nafrei­es Fes­ti­val? 😉
Pau­la Syn­ia­wa: Wir zei­gen ja Publi­kums­preis­ge­win­ner ande­rer Fes­ti­vals, das heißt, es sind in der Regel Fil­me, die schon eine gewis­se Fes­ti­val­kar­rie­re hin­ter sich haben. In andert­halb Jah­ren sind da vie­le tol­le Fil­me zusam­men­ge­kom­men, die auf­grund der lan­ge geschlos­se­nen Kinos noch nicht viel gezeigt wur­den. Zusätz­lich zu die­sen prak­ti­schen Grün­den hat­ten wir auch das Gefühl, dass durch das omni­prä­sen­te Coro­na­the­ma vie­le wich­ti­ge The­men in den Hin­ter­grund getre­ten sind und es ist uns ein Anlie­gen, auch den Blick für ande­re Belan­ge in der Welt wie­der ein Stück zu weiten.

Wie haben sich die The­men der Fil­me in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren ver­än­dert?
Anna Jur­zik: Das Pro­gramm­kri­te­ri­um Publi­kums­preis­ge­win­ner bringt tat­säch­lich mit sich, dass die Fil­me am Puls der Zeit sind und The­men behan­deln, die den Men­schen am Her­zen lie­gen. So haben wir zum Bei­spiel in den Anfangs­jah­ren eini­ge Fil­me zum The­ma Flucht gezeigt, wobei da die Flucht­ur­sa­chen und die Flucht­we­ge im Vor­der­grund stan­den. Die­ses Jahr haben wir mit “BORGA” einen Film im Pro­gramm der schaut, was mit den Men­schen pas­siert, die es hier­her geschafft haben und – und das ist viel­leicht der span­nends­te Teil der Geschich­te – wel­che Aus­wir­kun­gen das auf die Zurück­ge­blie­ben in der Hei­mat hat.

Plant ihr eine Fort­set­zung des FFF oder ist nach dem 10. Geburts­tag jetzt Schluss?
Pau­la Syn­ia­wa: Nach einem Jahr Pau­se freu­en wir uns ein­fach dar­über, end­lich wie­der ein Fes­ti­val machen zu kön­nen. Es wird nicht die ganz gro­ße Geburts­tags­fei­er, weil das die Umstän­de ein­fach nicht zulas­sen. Uns ist es sehr wich­tig, dass ich die Leu­te wohl füh­len im Kino. Des­halb wird der Saal nur zu 50 Pro­zent besetzt und wir ver­zich­ten auf ein Fes­ti­val-Par­ty. Außer­dem kam uns die Ein­la­dung von inter­na­tio­na­len Gäs­ten aus Über­see für ein oder zwei Näch­te unter den bestehen­den Ein­schrän­kun­gen und Ein­rei­se­be­stim­mun­gen absurd vor. Wir kon­zen­trie­ren uns also voll und ganz auf das Pro­gramm und die wirk­lich tol­len Fil­me in die­sem Jahr! Hof­fent­lich geht die Pan­de­mie soweit zurück, dass wir es zum 11. Geburts­tag so rich­tig kra­chen las­sen kön­nen. Das Datum haben wir noch nicht fest­ge­legt aber in alter Fes­ti­val-Tra­di­ti­on: 21. bis 25. Sep­tem­ber 2022 – klingt doch ganz gut, oder?

Service-Infos

Das Pro­gramm ist im sepa­ra­ten Bei­trag zu fin­den (Favou­ri­tes Film Fes­ti­val ist zurück im Wed­ding). Kar­ten fürs „FFF“ gibt es ab sofort auf der Fes­ti­val­sei­te www.favouritesfilmfestival.de oder auf der des City Kino Wedding.

Der Wed­ding­wei­ser ist Medi­en­part­ner des Favou­ri­tes Film Fes­ti­val und unter­stützt das Fes­ti­val mit der Berichterstattung. 

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