Am Mittwoch (22.9.) beginnt in der Müllerstraße das Favourites Film Festival (FFF). Filmfans können im City Kino Wedding bis zum 26. September die Festivalfilme aus aller Welt auf der Leinwand sehen, die in Venedig, den USA, in Locarno oder anderswo die meisten Likes des Publikums eingesammelt haben. Die beiden Festivalleiterinnen Paula Syniawa und Anna Jurzik erzählen im Interview unter anderem wie das Festival entstand, wie sie die Filme auswählen und warum die Filme englische Untertitel haben.
Die Filme des Favourites Film Festivals sind Gewinner des Publikumspreises anderer Festivals. Wie und nach welchen Kriterien wählt ihr aus, welche ihr zeigt?
Anna Jurzik: Wir sind von uns als Zuschauer ausgegangen als wir das Festival gegründet haben. Bis heute ist auch die Filmauswahl eine sehr persönliche. Wir haben keine festen Kriterien, die wir uns vorab setzen oder gar ein Punktesystem. Wir gehen an jeden Film zunächst einmal unvoreingenommen und offen ran und schauen dann, ob er uns mitreißt. Durch eine starke Geschichte, große Bilder, interessante Figuren, ein spannendes Thema. Pro Festival recherchieren wir um die 200 Filme. In der Zusammenstellung des Programms schauen wir dann, dass wir eine gewisse Bandbreite abbilden, eine stimmige Auswahl, und dass wir verschiedene Länder berücksichtigen – Länder, die im Kino sonst vielleicht unterrepräsentiert sind. Aber vor allem geht es darum, was die Filme mit uns gemacht haben, ob sie weiter in uns gewirkt haben, wir etwas aus ihnen mit in unseren Alltag genommen haben.
Filme werden in Originalsprache und mit englischen Untertiteln gezeigt, auf Eurem Instagramkanal schreibt ihr auch in englischer Sprache. Ist das nicht ein wenig zu Mitte für den Wedding?
Paula Syniawa: Uns ist es extrem wichtig, ein inklusives, einladendes Festival zu sein, auf dem sich jede*r willkommen fühlt, ein echtes Publikumsfestival eben, auf dem niemand das Gefühl hat, hier trifft sich die Filmbranche oder hier werden cineastische Fachgespräche unter Kennern geführt. Wir wollen diesem Publikum Filme zeigen, die es sonst nur sehr selten auf die deutschen Leinwände schaffen: Filme aus Ländern, aus denen man wenig Filme im Kino sieht, und die oft über eine emotionale Geschichte auch etwas über die Lebensrealität in diesen Ländern erzählen und die wir auf Filmfestivals in der ganzen Welt finden.
Weil diese Filme nicht für den deutschen Markt aufbereitet sind, gibt es hier auch keine deutschsprachigen Fassungen. Deutsche Untertitel oder gar eine deutsche Synchronfassung herzustellen, können wir uns als kleines Festival natürlich nicht leisten, englische Untertitel gibt es aber von allen unseren Filmen. Dementsprechend muss man zumindest ein bisschen englisch verstehen, wenn man zu uns kommt – oder aber die Originalsprache des Films – in diesem Jahr sind das zum Beispiel arabisch, französisch, Sango, Twi, dänisch, hebräisch oder spanisch. Dementsprechend ist unsere Ansprache in den Sozialen Medien eben auch englisch – wir versuchen, so viele filminteressierte Menschen wie möglich zu erreichen, auch solche, die kein Deutsch sprechen.
Wie und warum habt ihr das Festival überhaupt erfunden? Gibt es nicht schon genug Veranstaltungen dieser Art?
Anna Jurzik: Wir kennen uns vom gemeinsamen Studium an der Filmuni in Potsdam, wo wir uns praktisch – durch die Organisation eines großes internationalen Studentenfilmfestivals – aber auch theoretisch mit Filmfestivals auseinandergesetzt haben. Bei der Gründung des Favourites Film Festival haben wir uns dann überlegt, was wir an anderen Festivals schätzen und auch, was uns stört. Dabei wurde uns schnell klar, dass wir kein in sich geschlossenes Event schaffen wollen, für dessen Teilnahme man bestimmte Voraussetzungen mitbringen muss, sondern eben ein Festival auf dem sich jede*r wohl und willkommen fühlt. Und wir wollten Filmen eine Plattform geben, von denen wir glauben, dass sie auf die große Leinwand gehören und die ein breiteres Publikum verdient haben. Und so sind wir dann schließlich auf unser Programmkriterium Publikumspreisgewinner gekommen, mit dem wir ja auch gleichzeitig die Bedeutung von Festivals als wichtige Filmplattformen betonen.
Was ist für Euch das Besondere am FFF?
Anna Jurzik: Wir sind ja nun eine Zwei-Frauen-Organisation und machen alles von der Filmrecherche, den Finanzen, der Öffentlichkeitsarbeit bis hin zum Verlegen unseres roten Teppichs selbst. Wir sind mit den Filmschaffenden und Rechteinhabern, mit dem Kino und mit dem Publikum in direktem Kontakt. Ein großer Teil unserer Arbeit ist nicht bezahlt. Während der Festivaltage werden wir dann von einem großartigen Team aus Freund:innen unterstützt, die das Festival von Anfang an begleitet und durch ihre Unterstützung erst möglich gemacht haben. Diese Verbundenheit und die Begeisterung für die Sache transportieren sich hoffentlich auch zum Publikum. Ich denke, das ist das Besondere. Jedenfalls ist es ein großes Geschenk, wenn die Menschen aus dem Kino kommen nach einem gemeinsamen Filmerlebnis, mit leuchtenden Augen – oder tränenverschmierten – und bei Abgabe ihrer Stimmzettel ihre Eindrücke mit uns teilen.
Warum findet das Festival gerade im Wedding statt?
Paula Syniawa: Wir sind mit dem Festival vor zehn Jahren in Moabit gestartet, in der Kulturfabrik Moabit, mit einem großen Anteil an Freiluftkinovorstellungen. Irgendwann war klar, dass wir die Abhängigkeit vom Wetter nicht mehr zu halten ist. Wenn man monatelang ein Festival vorbereitet, das dann ausfällt, weil es regnet, ist das einfach zu blöd. Auf der Suche nach einem neuen Festivalzuhause sind wir schnell auf das City Kino gestoßen, dass damals relativ neu eröffnet hatte, waren sofort verliebt und hatten das Gefühl, es ist das richtige Kino, weil hier einerseits den Filmen ein angemessener Rahmen gegeben werden kann und eine konzentriertes Filmerleben gewährleistet werden kann, es andererseits aber auch ein einladender Ort ist, an dem man nach den Filmen gerne noch verweilt und sich über das Gesehene austauschen kann. Wir sind beide in Berlin aufgewachsen und haben schon in allen möglichen Bezirken gewohnt, kennen die ganze Stadt also ziemlich gut und hatten das Gefühl, Wedding passt einfach sehr gut zum Favourites Film Festival.
Es gibt noch einen Ableger des Festivals in Bremen. Wieso?
Anna Jurzik: Nach Bremen hat es uns eher zufällig verschlagen. Wir haben von Anfang an gedacht, dass es aus Sicht der Filmemacher:innen und Zuschauer:innen eigentlich schade ist, die Film „nur“ in Berlin zu spielen. Eine oder mehre weitere Städte waren also schon immer unser Wunsch. Bremen hatte damals kein eigenes Filmfestival und das obwohl es recht viele Arthouse-Kinos gibt. Wir mögen die Stadt und finden es auch immer wieder spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen in den beiden Städten auf die Filme reagieren.
Die Filme in diesem Jahren haben viele verschiedene Themen, aber eins ist nicht dabei. Wieso ist das so und ist das nicht merkwürdig, ein coronafreies Festival? 😉
Paula Syniawa: Wir zeigen ja Publikumspreisgewinner anderer Festivals, das heißt, es sind in der Regel Filme, die schon eine gewisse Festivalkarriere hinter sich haben. In anderthalb Jahren sind da viele tolle Filme zusammengekommen, die aufgrund der lange geschlossenen Kinos noch nicht viel gezeigt wurden. Zusätzlich zu diesen praktischen Gründen hatten wir auch das Gefühl, dass durch das omnipräsente Coronathema viele wichtige Themen in den Hintergrund getreten sind und es ist uns ein Anliegen, auch den Blick für andere Belange in der Welt wieder ein Stück zu weiten.
Wie haben sich die Themen der Filme in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Anna Jurzik: Das Programmkriterium Publikumspreisgewinner bringt tatsächlich mit sich, dass die Filme am Puls der Zeit sind und Themen behandeln, die den Menschen am Herzen liegen. So haben wir zum Beispiel in den Anfangsjahren einige Filme zum Thema Flucht gezeigt, wobei da die Fluchtursachen und die Fluchtwege im Vordergrund standen. Dieses Jahr haben wir mit “BORGA” einen Film im Programm der schaut, was mit den Menschen passiert, die es hierher geschafft haben und – und das ist vielleicht der spannendste Teil der Geschichte – welche Auswirkungen das auf die Zurückgeblieben in der Heimat hat.
Plant ihr eine Fortsetzung des FFF oder ist nach dem 10. Geburtstag jetzt Schluss?
Paula Syniawa: Nach einem Jahr Pause freuen wir uns einfach darüber, endlich wieder ein Festival machen zu können. Es wird nicht die ganz große Geburtstagsfeier, weil das die Umstände einfach nicht zulassen. Uns ist es sehr wichtig, dass ich die Leute wohl fühlen im Kino. Deshalb wird der Saal nur zu 50 Prozent besetzt und wir verzichten auf ein Festival-Party. Außerdem kam uns die Einladung von internationalen Gästen aus Übersee für ein oder zwei Nächte unter den bestehenden Einschränkungen und Einreisebestimmungen absurd vor. Wir konzentrieren uns also voll und ganz auf das Programm und die wirklich tollen Filme in diesem Jahr! Hoffentlich geht die Pandemie soweit zurück, dass wir es zum 11. Geburtstag so richtig krachen lassen können. Das Datum haben wir noch nicht festgelegt aber in alter Festival-Tradition: 21. bis 25. September 2022 – klingt doch ganz gut, oder?
Service-Infos
Das Programm ist im separaten Beitrag zu finden (Favourites Film Festival ist zurück im Wedding). Karten fürs „FFF“ gibt es ab sofort auf der Festivalseite www.favouritesfilmfestival.de oder auf der des City Kino Wedding.
Der Weddingweiser ist Medienpartner des Favourites Film Festival und unterstützt das Festival mit der Berichterstattung.