Stimmt es? In einem Brief an die Weddinger Allgemeine Zeitung äußerte ein Leser die Vermutung, dass die laute Seestraße für einen Baustopp bei der neuen Grundschule in der Reinickendorfer Straße sorge. Die kurze Antwort lautet: nein.
Und hier die ausführliche Antwort: Zwar gab es eine dreimonatige Unterbrechung der Bauarbeiten. Das sei „der Ausschreibung eines Generalunternehmers vonseiten der Senatsverwaltung geschuldet‟, sagt Stadträtin Stefanie Remlinger. Doch die laute Seestraße sei kein Problem für die neue Schule auf dem Gelände des 2019 abgerissenen Hauses der Gesundheit.
Auf den ersten Blick klingt die Frage des Lesers paradox, weil eine Frage näher liegt: Ob nicht der Pausenhof der neuen Schule für die angrenzenden Seniorenwohnanlagen zu laut sein würde. Aber tatsächlich muss beim Neubau auch andersherum gedacht werden. Nicht nur der Lärmausstoß zählt, auch der Lärmempfang muss beachtet werden. Bauherren müssen überlegen, wie sie ihr neues Gebäude ausstatten und gestalten, wenn sie es direkt neben Bahngleise oder Autobahnen errichten. Im konkreten Fall der neuen Grundschule soll die öffentliche Hand den „Berliner Leitfaden – Lärmschutz in der verbindlichen Bauleitplanung‟ beachten. Dort gibt es ein Kapitel zum Schulneubau in lauten Gebieten. Allerdings sind dort lediglich Empfehlungen aufgelistet, keine rechtlich bindenden Gebote. Als Faustformel gilt laut Leitfaden der „störungsfreie Unterricht‟. In dem Leitfaden heißt es, dass bei 55 Dezibel Außenlärm im Klassenraum auch bei gekippten Fenstern 35 bis 40 Dezibel zu erwarten sind. Ein Wert, bei dem „ein weitgehend störungsfreies Unterrichten noch möglich‟ ist. Zum Vergleich: Eine normale Unterhaltung in Zimmerlautstärke entspricht 50 Dezibel. Ab 60 wird es laut, Lärm beginnt bei 70 Dezibel. Die Lärmkarte des Landes Berlin (Stand 2017) zeigt für das Grundstück Reinickendorfer Straße Ecke Seestraße einen Lärm aufgrund des Autoverkehrs von mindestens 55 Dezibel. Der Wert steigt an auf bis zu 70 Dezibel. Auch deshalb sagt die Stadträtin Stefanie Remlinger, „dass die Lärmfrage an der Seestraße, Reinickendorfer Straße – gerade auch wegen der Ampel – mir durchaus Sorgen bereitet‟. Der Bezirk könne im kleinen Beitrag etwas leisten, denn ich „beabsichtige, die Frage von biologischen Lärmschutzwänden zu prüfen beziehungsweise zu veranlassen‟. Rechtliche und gesetzliche Anforderungen, die nicht bloß Empfehlungen sind, gibt es in Berlin für Lärm aufgrund von Straßenverkehr nicht.
Bauherrin der geplanten vierzügigen Grundschule ist die Senatsverwaltung für Bauen. Schallschutzfenster oder ähnliche Dinge liegen in ihrer Verantwortung. Die Planungen der Schulbauoffensive mit Stand Mai dieses Jahres gehen von einem Baustart 2023 aus. Mit dem Schuljahr 2024⁄25 soll der Unterricht beginnen. Die neue Schule soll Platz bieten für 576 Kinder. Kalkuliert wird mit Kosten von 40 Millionen Euro. Auch eine große Sporthalle sehen die Planungen vor.
Der Text stammt aus der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Geschrieben wurde er von Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag!