Dietmar Werner, geboren 1971, wuchs in der Groninger Straße auf und nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch den Wedding der 70er- und 80er-Jahre. Gemeinsam begeben wir uns auf eine Wanderung durch seinen Kiez – die Müllerstraße entlang, hinauf zur Müllerhalle und dann zurück zum U-Bahnhof Wedding, vorbei an all den Orten, die ihn damals so prägten.
"Für mich war die Müllerstraße wie der Kurfürstendamm", erinnert sich Dietmar. Doch nicht nur die schiere Anzahl der Geschäfte war beeindruckend, sondern auch technische Errungenschaften: "In dem Neubau nahe der Ecke Müller-/Seestraße befand sich ein EDEKA-Supermarkt auf zwei Etagen", erinnert er sich. Später wurden daraus Vinh-Loi und PENNY. "Besonders beeindruckend fand ich den seitlichen Treppentransporter, der die Einkaufswagen neben der Rolltreppe ins Untergeschoss beförderte – für uns Kinder ein kleines technisches Wunderwerk."
Wandern wir mit Dietmar die Müllerstraße hinauf in Richtung Kurt-Schumacher-Platz." Das Alhambra-Kino, das später abgerissen wurde, habe ich leider nie von innen gesehen. Hinter der Ecke Ungarnstraße befand sich die damalige Schiller-Bibliothek, die über der neuen Postfiliale lag. Die Post war zu dieser Zeit hochmodern - mit vielen Schaltern, vor denen oft lange Schlangen warteten. Es gab getrennte Bereiche für Briefe, Pakete, Telefonangelegenheiten, GEZ, Bankgeschäfte und Telegramme. Heute ist das alles Geschichte – an derselben Stelle befindet sich nur noch ein Parkplatz für Lidl."
Weiter geht es die Müllerstraße hoch, in Richtung Müllerhalle. Kurz davor überquerte die Kongostraße einen Durchgang unter einem Wohnhaus. "In der Müllerhalle herrschte immer reges Treiben. Es gab einen Fischladen mit Aquarien und einen Spielzeugladen mit einer Modellbahnplatte, auf der man per Druck auf vier verschiedene rote Knöpfe die Züge fahren lassen konnte – ein kleines Highlight für mich! Der Imbiss Fränkel war ein Klassiker, und wer etwas anderes wollte, konnte zum Wienerwald an der Ecke Türkenstraße gehen."
Zurück entlang der Müllerstraße, in Richtung Seestraße, kam auf der linken Seite das Briefmarken- und Münzgeschäft sowie ein Bestattungsunternehmen. Zur Weihnachtszeit fand auf der Mittelinsel der Seestraße bis hin zur Turiner Straße ein kleiner Rummel statt – heute fährt hier die Straßenbahn.
Noch einmal zurück zur Müllerstraße: "Dort gab es einen Wurstladen, der frische Wiener Würstchen anbot, die immer in einem Pfännchen neben dem Herrenausstatter vor sich hin brutzelten. Im Sommer durfte der Softeisstand natürlich nicht fehlen – besonders beliebt mit Schokoguss!" An der Ecke Müller-/Amsterdamer Straße befanden sich das Salamander-Geschäft, ein Pelzladen und Uhren Wenig, wo man sogar Kuckucksuhren kaufen konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite, gegenüber von Bilka (heute Cittipoint), befand sich das Geschäft Foto/Hi-Fi Piesnack, das später an die Ecke Müller-/Seestraße umzog.
"Bilka war damals eine besondere Attraktion", erzählt Dietmar. "Es gab dort einen Imbiss in der Brüsseler Straße, eine Rolltreppe, die ins Restaurant im ersten Stock führte, sowie eine spiralförmige Treppe in der Lampenabteilung. Im Lebensmittelbereich im Erdgeschoss gab es halbautomatische Kassen, bei denen das Wechselgeld aus einem Automaten herauskam – für mich damals sehr futuristisch. Vor dem Kaufhaus stand ein Losstand mit einem echten Auto als Hauptpreis, und ältere Männer verkauften Pflaster als Meterware – oft im Liegerollstuhl, da sie im Krieg ihre Beine verloren hatten."
Hinter Bilka gab es das Tapetengeschäft Grasshof, Kleidung von Witboy, das AOK Centrum für Gesundheit und dann eine Kneipe mit Essen, die "Pharus-Stuben". Diese hatte zwei Eingänge vorne und man konnte den langen Tresen entlanglaufen.
Weiter ging es in Richtung Leopoldplatz. "In den frühen 70er-Jahren gab es dort noch kein Karstadt. Stattdessen erinnere ich mich an kleine Rummelplätze, besonders um Ostern herum, und an Weihnachtsmärkte vor der Schinkelkirche oder dem Rathaus."
An der Luxemburger Straße befand sich der große Plattenladen Musicland sowie Snoopy's Jukebo, wo gebrauchte Schallplatten und Kassetten verkauft wurden. Und wer erinnert sich nicht an das Schuhhaus Neumann mit dem Salamander-Karussell im Obergeschoss? Daneben befand sich ein kleines italienisches Restaurant, und auf der gegenüberliegenden Straßenseite, an der Müllerstraße/Nazarethkirchstraße, lag das Singer Nähmaschinen-Zentrum.
"Die Müllerstraße runter kam man an den U-Bahnhof Wedding. In der Nähe gab es den Spielzeugladen Obst, und an der Ecke Lindower Straße befand sich ein Opel-Händler, direkt gegenüber vom Arbeitsamt – immer eine besondere Attraktion für mich. Der Fahrradhändler Roeske, gleich um die Ecke, war das Geschäft, wo ich mein erstes Fahrrad bekam."
Treten wir nun mit Dietmar den Heimweg an: "Durch die Amsterdamer Straße ging ich an einem Zooladen, einem Bäcker und einem Spielzeuggeschäft vorbei. An der Ecke zur Turiner Straße gab es ein Haushaltswarengeschäft, dessen Leitern immer draußen standen. Ein Bäcker und ein Obstladen folgten, und oft gab es dort ein paar Kaubonbons direkt in die Hand. An der Ecke Amsterdamer Straße/Malplaquetstraße befand sich noch ein Elektrofachgeschäft mit einer Auswahl an Lampen.
Und so ging es dann zurück zur Groninger Straße – endlich wieder zu Hause angekommen!"
Wir hoffen, euch hat die kleine Erinnerungsreise gefallen. Wenn ihr Anmerkungen habt, schickt sie gerne per Mail oder als Kommentar.
Hallo Angie
also wer im Wedding wohnt sollte wissen das das alhambra mal abgerissen wurde ….
Spätestens 1916 eröffnete an dieser Stelle das „Apollo“ , welches 1921 zum Grosskino ausgebaut wurde und von nun an den Namen „Alhambra“ trug. Die Schauseite des Eckbaues lag an der Seestrasse, nachts leuchteten auf der Treassenbrüstung montierte Kandelaber.
Mitte 1931 wurde das Kino in den Theaterpark der Firma Isenheim & Brandt übernommen, welcher zu diesem Zeitpunkt aus dem Flagschiff „Primus-Palast“ als Erstaufführungstheater, den „B.T.L“ -Kinos Potsdamer Straße, Moabit, Alexanderplatz und Friedenau, den Kant-Lichtspielen in Charlottenburg und dem „Odeon“ an der Potsdamer Straße bestand. L31125
Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude fast vollständig zerstört.
Erst 1953 nam man den Wiederaufbau durch die renomierten Architekten Bielenberg und Olk auf. Das neue Haus hat 924 Plätze im Parkett sowie Rang. Das neue modern gestaltete Kino stand bis Ende der 90er, wobei zuletzt wegen der hohen GEMA-Gebühren nur noch 500 Plätze bespielt wurden. E5350
Danach entschloss sich Eigentümer Leopold Wagenstein, der das Kino in dritter Generation besass, zum grossen Schritt und entwarf ein Multiplex mit markanter Glasfront und 7 modernen Sälen, in denen nun die übliche Mainstreamkost gezeigt wurde.2005 musste er das Theater aus finanziellen Gründen an die „To the Movies GmbH“ (Karli, Cineplex Spandau, Titania, Adria) abgeben
Bilder von drin und draussen… guckste hier :http://www.allekinos.com/BERLIN%20Alhambra.htm
Weiteres im Kinokompendium
Frostfreie Woche noch
Ach ja. Ich habe in den 80zigerjahren im Karl-Schrader-Haus in der Liebenwalder Str. gewohnt. Ich kann das alles bestätigen. Ich habe dort gerne gewohnt. Es war ein richtiger Kiez. Spontag gab es kleine Strassenfeste, mit den türkischen und jugoslawischen Nachbarn zusammen.
Es gab viele kleine Geschäfte, Weihnachten war es richtig schön in der Müllerstr. Und jetzt? Schade.
Das Alhambra-Kino hat er leider nie von Innen gesehen. Schade, alt genug war er. Anziehende Atmosphäre, tolles Programm, ranziges Interieur, für den Cineasten genau das, was er braucht. Einst Filmkunst, nun steht dort ein selenloses Automatenkino, bemüht durch etwas Artdeco und Popcorn Kult zu suggerieren. Publikum, das sich nicht zu benehmen weiß. War einmal dort, das genügt. Aber kein Grund zur Klage, die Zeiten der Off- und Programmkinos sind ohnehin vorbei, nur die Betreiber des Filmkunst 66 haben es nach Neubau vermocht, Programm und Atmosphäre zu konservieren. Das waren Fanatiker. Bis heute mein Stammkino geblieben.
Nicht alles stimmt so. Zum Beispiel wusste ich bisher nicht, dass das ‚Alhambra‘ mal abgerissen wurde. Und der Imbiss hieß ‚Pharus Schwämme‘. Aber vielleicht sind Sie, um das richtig zu wissen, einfach zu jung.
Liebe Grüße von Angelika, Baujahr 1950.