Es war eine der besten Entwicklungen in der Nachbarschaft seit langer Zeit als vor viereinhalb Jahren der Multishop Eisenkralle eröffnete. Eine türkische Familie aus dem Kiez erfüllte sich damit einen Traum, den Traum vom eigenen Laden, von der Selbständigkeit. Schnell wurde der ehemalige Rumpelladen mit den vergitterten Fenstern zu einem beliebten Kieztreffpunkt, einem Ort, an dem sich der halbe Kiez wohl fühlte. Am Montag ist Schluss, Zülal und Serdar geben den Späti an der Ecke Swinemünder und Lortzingstraße weiter in andere Hände.
Die Eisenkralle ist auf den ersten Blick ein ganz normaler Späti. Jeden Tag da, endlose Öffnungszeiten, Paketannahme und ‑abgabe, Lotto, Getränke, ausgewählte Lebensmittel, dazu Kaffee, Tee, normale Zeitungen, das Kiezmagazin, die Weddinger Allgemeine Zeitung und Backwaren. Bei den Backwaren fangen die Unterschiede zu den meisten Spätis aber schon an. Serdar Kücükömeroglu, den seine Frau Zülal liebevoll Mr. Eisenkralle nennt, war die Qualität der Backwaren besonders wichtig. „ Serdar war jeden morgen um 4 Uhr da, um zu backen. Sieben Tage die Woche“, sagt Zülal und betont, dass der Tag in der Eisenkralle auch erst um 22 Uhr endet. Kekse, Kuchen, Brötchen waren von bester Qualität und gingen entsprechend auch rasend schnell über den Tresen. „Er hat mit ganz viel Liebe gebacken. Jeden verdammten Tag. Die Backwaren von Serdar, die werde ich vermissen“, sagt Zülal.
Vom Späti zum Kieztreffpunkt
Dass aus einem ganz normalen Späti ein Kieztreffpunkt werden konnte, vielleicht DER Kieztreffpunkt im Brunnenviertel, das liegt an den beiden Betreibern. Hier sind und fühlen sich alle willkommen: türkische Nachbarn, deutsche Nachbarn, alte Menschen, Kinder mit ein paar Cent für ein Eis, junge Menschen, die nur schnell ein Paket abholen oder eine Hafermilch kaufen wollen. Dass das so kam, das liegt an Serdar, aber vor allem auch an Zülal, die sehr oft selbst hinter dem Tresen steht. Immer hat sie sich Zeit für ein Gespräch genommen, sie duzt alle Kunden, hängt meist ein „mein Schatz“ an ihre Sätze. Das klingt so: Was kann ich für dich tun, Schatz? Wie geht es dir, mein Schatz? Schatz, ich bin gleich für dich da. Es klingt nicht wie eine Floskel. Die Tische und Stühle vor der Eisenkralle sind eigentlich niemals leer. Wer zur Eisenkralle kommt, ist schnell ein Stammgast, ist schnell ein Freund des Hauses. Die Betreiber würden viele wohl als Herzensmenschen beschreiben.
Wenn Serdar nicht in der Backstube steht, dann gärtnert er auch gern in dem großen Straßenbeet vor dem Multishop. Sein Beet mit dem Vogelhäuschen und den meisten zahllosen Sonnenblumen zieht im Sommer die Blicke auf sich. Auch er ist immer für einen Plausch zu haben. Zur Not macht er auch mal eine kurze Ansage, wenn übermütige Kids zu laut werden oder ihren Müll nicht mitgenehmen. Aber meistens ist er ein ebenso perfekter Gastgeber wie seine Frau.
Abschied für Gesundheit und die Familie
Finanzielle Gründe sind nicht der Grund dafür, dass die beiden Spätibesitzer ihren Laden jetzt aufgeben. „Wir hören vor allem aus gesundheitlichen Gründen auf“, sagt Zülal. Die viereinhalb Jahre, in der Pandemie war es nicht leichter gewesen, haben der Gesundheit von Serdar und Zülal ziemlich zugesetzt. Personal für eine Entlastung war immer schwerer zu finden und so standen sie stets selbst im Laden. Das war auch auf einem anderen Gebiet ein Problem für das Paar, das drei Kinder hat. Viereinhalb Jahre habe sie verpasst, sagt Zülal. Ihr jüngstes Kind war anderthalb, als die Eisenkralle öffnete, jetzt kommt es in die Schule. Und so sind die beiden traurig, ihren Traum aufgeben zu müssen, aber auch froh. „Ich werde nun wenigstens beim Schulanfang dabei sein können. Ich freue mich vor allem auf mehr Zeit mit meiner Familie“, sagt Serdar. Beide betonen, dass es die Zeit mit der Eisenkralle ohne ihre „tollen, starken Kinder“ nicht möglich gewesen wäre, und auch nicht ohne die Hilfe von Zülals Mutter.
„Wir sind extrem stolz, wir haben das mit unseren eigenen Händen aufgebaut. Das schafft nicht jeder. Und wir schmeißen es nicht einfach hin, wir geben es weiter“, sagt Zülal. Was sie am 1. August machen, wenn die Eisenkralle für sie Geschichte ist? Zülals Antwort kommt prompt: Ausschlafen! Gesund werden wolle sie außerdem, viel Zeit mit den Kindern verbringen „und sehen, was das Leben so bringt“. Freiberuflichkeit komme für sie aber nicht mehr infrage. Sie suche einen Job, bei dem sie auch mal einen freien Tag habe. Auch sie ist jetzt erleichtert, aber auch traurig. „Es war vor allem eine anstrengende Zeit. Aber wir haben auch viele gute Menschen kennengelernt“, fasst Zülal die gemischeten Gefühle zusammen. Serdar sagt über ihren Abschied: „ Es ist schade für den Kiez, gut für uns“. Er hofft, dass die Nachfolger – ebenfalls eine türkische Familie – die Eisenkralle genauso führt wie sie.
Am Montag ist Zülals und Serdars letzter Tag in der Eisenkralle. Wer sich verabschieden möchte, der kann das an dem Tag tun. Schon am Dienstag (1.8.) übernehmen die neuen Betreiber.
Multishop Eisenkralle, Ecke Lortzingstraße/Swinemünder Straße, Montag bis Sonntag 7 bis 22 Uhr geöffnet
Diese Menschen sind so wundervoll, herzlich und fleißig. Schön, dass es euch gibt und ihr Menschen zusammengeschweißt habt 🥰🥰🥰
Danke an die wundervolle Famillie Hensel und Weddinger Weiser !
Schön das es euch gibts!
Liebe Grüße
Eure Eisenkralle
Zülal und Serdar
Danke an euch! Ihr habt was Tolles geschaffen. Viel Erfolg und Liebe für den nächsten Lebensabschnitt liebe Zülal und Serdar