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Auch die guten Dinge sehen:
Einfach mal danke sagen

21. Mai 2023
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U‑Bahnhof Gesund­brun­nen. Ich ste­he vor der Roll­trep­pe, die mich von den Glei­sen der U 8 hoch zum Cen­ter trans­por­tie­ren soll, doch sie bewegt sich nicht. Seuf­zend stei­ge ich die stei­le Trep­pe hoch – Stu­fe für Stu­fe. Hin­ter mir höre ich einen Mann flu­chen: „Nix funk­tio­niert hier. Was für eine Scheiße!“

Recht hast du, den­ke ich.

Kur­ze Zeit spä­ter ste­he ich im Lebens­mit­tel­ge­schäft vor dem Kühl­re­gal. Ich packe Joghurt in den Ein­kaufs­wa­gen, Äpfel und Zitro­nen lie­gen schon drin. Jetzt noch Milch. Oh nein, es gibt nur noch die fett­ar­me Vari­an­te. Damit schmeckt mir der Kaf­fee aber nur halb so gut. Also wer­de ich noch in einen wei­te­ren Laden gehen und dort wie­der anste­hen müs­sen. Das kos­tet mich min­des­tens eine hal­be Stunde!

Auf dem Heim­weg durch den Hum­boldt­hain rutscht mir die Tasche von der Schul­ter. Die Hälf­te mei­ner Ein­käu­fe fällt auf den Boden. Eine Frau bleibt ste­hen und hilft mir beim Auf­he­ben. „Heu­te ist wirk­lich der Wurm drin“, schimp­fe ich. „Hät­te nur noch gefehlt, dass der Joghurt­be­cher aufplatzt.“

„Zum Glück ist er hei­le geblie­ben“, sagt die Frau. „Stimmt. Da kann man nicht meckern.“

„Wuss­ten Sie, dass ‚Da kann man nicht meckern’ das höchs­te Lob ist, das man in Ber­lin zu hören bekommt?“ Die Frau lacht und hebt eine Zitro­ne auf. „Dabei könn­ten Sie auch dank­bar sein, dass der Joghurt im Becher geblie­ben ist und Sie zu Hau­se bloß ein biss­chen Erde von der Zitro­ne abwa­schen müssen.“

Die Rolltreppe führt vom U-Bahnhof Gesundbrunnen zum Center. Foto. Hensel
Die Roll­trep­pe führt vom U‑Bahnhof Gesund­brun­nen zum Cen­ter – wenn sie funk­tio­niert. Foto. Hensel

Wenn das Leben dir Zitronen gibt

Da ist was dran, den­ke ich auf dem Heim­weg. Wir sind es so gewohnt, uns auf­zu­re­gen, zu meckern und über­all das Haar in der Sup­pe zu fin­den, dass wir oft blind für das Gute sind. Alles, wor­über ich mich heu­te geär­gert habe, könn­te ich auch aus einem ande­ren Blick­win­kel betrachten.

Was, wenn ich in jeder Situa­ti­on etwas Gutes fin­den wür­de? Was, wenn ich trai­nie­ren könn­te, das zu erken­nen? Was, wenn ich jeden Tag vor dem Schla­fen­ge­hen drei Din­ge auf­schrei­ben wür­de, für die ich dank­bar bin? Heu­te wür­de das dann so aussehen:

  • Die Roll­trep­pe hat nicht funk­tio­niert. Dan­ke, dass ich gesund bin und aus eige­ner Kraft Trep­pen stei­gen kann.
  • Mei­ne Lieb­lings­milch war aus­ver­kauft und ich muss­te mich noch mal in einem ande­ren Laden anstel­len. Dan­ke, dass ich in einem Land lebe, in dem es genug Lebens­mit­tel gibt. Dan­ke, dass ich aus einem viel­fäl­ti­gen Ange­bot wäh­len kann.
  • Mei­ne Ein­kaufs­ta­sche ist auf den Boden gefal­len. Dan­ke, dass der Joghurt­be­cher hei­le geblie­ben ist. Dan­ke, dass mir die freund­li­che Frau gehol­fen und sogar noch den Tipp mit der Dank­bar­keit gege­ben hat.

Allein die Vor­stel­lung, all das heu­te Abend auf­zu­schrei­ben, ver­bes­sert mei­ne Lau­ne. Nicht aus­zu­den­ken, wohin das füh­ren wür­de, wenn ich jeden Tag notie­re, wofür ich dank­bar bin. Aber glück­li­cher­wei­se muss ich mir das gar nicht aus­den­ken – ich kann es ein­fach machen. Wie sich dadurch mein Leben ändert, wer­de ich dann im Lau­fe der Zeit schon sehen.

Danke
Foto: Ste­pha­nie Esser

Stephanie Esser

Stephanie Esser lebt im Brunnenviertel, ist zertifizierte Lachyoga-Leiterin (CLYL), schreibt als Journalistin über Persönlichkeits- und Achtsamkeitsthemen und gibt Kurse im Lachyoga sowie zur hawaiianischen Konfliktlösungsmethode Ho'oponopono. Mehr darüber plus Praxistipps und Blogbeiträge gibt es auf ihren Websites www.frieden-freude-lachen.de sowie www.danke-ich-liebe-dich.de.

3 Comments

  1. Hal­lo,
    das ist eine tol­le Sei­te, der gute, alte Wed­ding. Hier habe ich über 20 Jah­re gewohnt und hier hat es mir sehr gut gefallen.
    Damals haben schon vie­le Leu­te eher schlecht über den Wed­ding gere­det, war­um eigent­lich, hier leben ganz vie­le net­te Men­schen, ich habe hier vie­le neue Freun­de gefun­den und wir hat­ten eine sehr schö­ne gemein­sa­me Zeit. Sind Men­schen schlech­ter, nur weil sie weni­ger Geld haben, ein kla­res NEIN, aber heu­te zäh­len nur Geld, Macht und Gier und die­se Men­schen sind nun bes­ser, auch ein kla­res NEIN. Heu­te ist das Geld mehr wert als ein Men­schen­le­ben, wohin soll das füh­ren??!! Ich habe im Wed­ding nur freund­li­che, ehr­li­che und sehr hilfs­be­rei­te Men­schen ken­nen­ge­lernt, wenn man Hil­fe braucht, dann wird auch gehol­fen. Ich jeden­falls habe die Zeit im Wed­ding sehr geliebt und habe heu­te immer wie­der Sehn­sucht nach mei­nem Wed­ding. Damals muss­te ich lei­der aus­zie­hen, weil ich kei­ne Kraft mehr hat­te, um die Trep­pen bis in den drit­ten Stock zu bewäl­ti­gen. Ich habe erst spä­ter erfah­ren, dass ich an MS erkrankt war, ansons­ten wür­de ich heu­te noch dort woh­nen, heu­te habe ich wenigs­tens noch die vie­len schö­nen Erin­ne­run­gen an eine wun­der­schö­ne Zeit.
    Ich sen­de ALLEN Men­schen im Wed­ding ganz vie­le lie­be Grü­ße und bleibt gesund!!!
    Eure Marion

  2. Hal­lo und guten Morgen

    Geburt nach Geburt, wie­der und immer wieder,
    Besu­delt, beschmiert, unter­drückt und bedrängt,
    Umklam­mert und keu­chend, stöh­nend und ächzend,
    Erschöpft und gequält, zit­ternd und schluchzend,
    Blass und ver­gäng­lich, geket­tet an das Mühl­rad des Leids ist das Leben

    (Samsa­ra, Ko-gan Pyo)

    Bud­dha erkann­te das das Leben leid­voll sein kann , erkann­te aber auch das der Mensch oft selbst sein Leid erzeugt

    Yu wei .… die Kunst sich das Leben schwer zu machen
    Wu wei.… die Lebens­kunst des Tao

    Habe mich dafür ent­schie­den mit Gelas­sen­heit das Leben mit Glück zu fül­len, so kann ich mich nicht über eine nicht funk­tio­nie­ren­de Roll­trep­pe ärgern, benut­ze immer die gro­ße Trep­pe im Bahn­hof Gesundbrunnen 😉

    Am Mitt­woch ein­kau­fen gewe­sen .… zu Hau­se alles ab in den Kühl­schrank.… am Abend kurz vor dem Ein­schla­fen den Tag Revue pas­sie­ren las­sen.… Dank­bar sein das der Kühl­schrank voll ist ‚ich gesund bin und hier und dort etwas übrig habe für Andere 

    Wenn sich mehr Men­schen für Wu wei ent­schei­den könn­ten wäre das Leben schon erträg­li­cher … viel­leicht könn­ten wir dann irgend­wann sogar mal auf Ho’oponopono verzichten

    Nur noch ein Weil­chen … dann ist es so weit 😉 https://efisch.substack.com

    wie immer son­ni­gen Sonntag

  3. Dies sind Worte,die ich vie­len Lesern im All­tag wün­sche ‚ich fürch­te nur dass die vie­len hip­pen Mit­men­schen kein Ohr für sol­che fein­füh­lig­kei­ten mehr haben.
    Schö­nen Sonn­tag aus dem Norden

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