Meinung Es ist richtig, 75 Jahre nach ihrer Hinrichtung einen Ort nach Elise und Otto Hampel zu benennen. Die Wahl des Straßenabschnittes ist allerdings befremdlich.
Politischer Beschluss sah anders aus
Der Wedding ehrt zwei seiner mutigsten Bewohner: Die Geschichte des Ehepaars Elise und Otto Hampel, die literarisch von Hans Fallada in seinem Buch „Jeder stirbt für sich allein“ verarbeitet worden ist, war Grundlage für den parteiübergreifenden Beschluss, den Rathausvorplatz nach den beiden Widerstandskämpfern zu benennen. Diese seit vielen Jahren gestellte Forderung vieler Beteiligter, angefangen vom Bezirksparlament bis hin zur Stadtteilvertretung Müllerstraße, war allerdings ein wenig anders gemeint. Schließlich sollte die Ehrung nicht die Umbenennung eines kleinen Fußwegs, der seinen alten Namen Limburger Straße noch aus alten Zeiten führte, zwischen Genter Wochenmarkt, Job-Center und Rathausaltbau umfassen. Vielmehr war der große, namenlose Platz daneben gemeint, der mit der Bezeichnung „Müllerstraße 148“ reichlich diffus bezeichnet ist.
Hausnummern sind wichtiger
Anders als im Afrikanischen Viertel sind nicht einmal (protestierende) Privatpersonen als Anwohner von einer Straßenumbenennung betroffen; es hätte also niemanden außer dem Berliner Immobilien-Management (BIM) als Eigentümer des Rathaus-Neubaus gestört, wo man am Ende einfach nur neue Briefköpfe gebraucht hätte. Sogardiese skeptische Institution hatte am Schluss eingelenkt und war mit der Adressänderung einverstanden. Doch mit dem Straßen- und Grünflächenamt (SGA) unter Leitung von Stadträtin Sabine Weißler hatte wieder niemand gerechnet. Das SGA sah am Ende von der Benennung des gerade neu gestalteten Platzes ab, mit der Begründung, die Hausnummerierung der Müllerstraße würde durch eine solche Maßnahme “unterbrochen”. Eine absurde Logik, denn an der ebenfalls umzubenennenden Petersallee im Afrikanischen Viertel hat die gleiche Stadträtin nicht mal ein Problem damit, die Straße an beiden Enden sogar mit unterschiedlichen neuen Namen zu versehen: Anna-Mungunda-Allee und Maji-Maji-Allee, und das nur aus Gründen der Parteiräson. Immerhin ist mit der aufgestellten Gedenkstele, die eine Abbildung eines handgeschriebenen Textes des Ehepaars Hampel beinhaltet, ein gewisser Ersatz für die Platzbenennung gefunden worden.
Es bleibt dabei, im Wedding wird in Sachen Straßenumbenennung mit zweierlei Maß gemessen. Und so findet die an sich wünschenswerte Ehrung zweier in Plötzensee hingerichteter Weddinger Nazi-Widerstandskämpfer eine kleingeistige Lösung in der hintersten Ecke des namenlosen Rathausvorplatzes – und damit ein unwürdiges Ende.
Mehr Infos über das Leben von Elise und Otto Hampel
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Zu Ihrem Beitrag möchte ich als ehemaliges Mitglied und Sprecher der Stadtteilvertretung, der sich über die Jahre hinweg mit der Frage der Rathausplatzbenennung nach Elise und Otto Hampel befasst hat, einige Anmerkungen machen:
Einmal zur Rolle des Straßen- und Grünflächenamts (SGA) und von Frau Weißler: Zu dem Zeitpunkt, als das SGA den (erneuten) Antrag der landeseigenen BIM (Eigentümerin des zentralen Platzbereichs) abgelehnt hat, war Frau Weißler als Bezirksstadträtin noch nicht für das SGA zuständig. Die Ablehnung des SGA erfolgte am 25.10.2016; Frau Weißler erhielt beim Neuzuschnitt der Bezirkstadtrats-Zuständigkeiten nach den Wahlen 2016 offiziell erst zwei bzw. drei Tage später bei der Wahl durch die BVV (27.10.) bzw. der konstituierenden Sitzung des neuen Bezirksamts (28.10.) die Zuständigkeit für das SGA. Am 25.10. war noch Herr Spallek (CDU) der für das SGA zuständige Stadtrat, der dann zwei Tage später den Bereich Schule etc. übernahm.
Dass das SGA ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Ende Oktober 2016 – also bei der Neuverteilung und in der unmittelbaren Übergangsphase der Stadtratszuständigkeiten – den 7 Monate vorher eingereichten Antrag der BIM vom 14. März 2016 ablehnt, wirft allerdings einige Fragen bezüglich der Rolle des SGA auf. Diese Behörde hat sich ja auch in anderen Fällen – egal welcher Stadtrat die Zuständigkeit hatte – “besonders” hervorgetan (erinnert sei etwa an Baumscheibenpflege oder den Konflikt ums Café Leo).
Diese Ablehnung wurde dann vom SGA nicht an die Entscheidungsträger (Bezirksstädte, BVV, zuständiger Ausschuss) weitergegeben (vgl. auch die Aussage von Frau Weißler in der “Berliner Woche” vom 1.3.2017). Auch die BIM, die auf einen Widerspruch gegen diesen SGA-Beschluss verzichtete, informierte niemand weiter darüber. Erst durch eine Nachfrage der Stadtteilvertretung vom Februar 2017 nach dem Stand der Dinge in der Frage der Platzbenennung und den darauf folgenden Recherchen des Journalisten Dirk Jericho von der “Berliner Woche” wurde das Vorgehen des SGA bekannt.
Sie können die “ganze Geschichte” auch in meiner für die Stadtteilvertretung verfassten “Chronologie eines Wortbruchs” nachlesen. (Da die Homepage der Stadtteilvertretung zurzeit nicht erreichbar ist, steht die Chronologie momentan nur auf meiner Internet-Seite http://www.wedding-buecher.de)
Dann noch zu Ihrer Bemerkung, dass hier nur eine “kleingeistige Lösung in der hintersten Ecke des namenlosen Rathausvorplatzes” und “damit ein unwürdiges Ende” gefunden worden sei. Diese Bewertung ist für mich nicht nachvollziehbar.
Zum einen ist es nun wirklich nicht die hinterste Ecke des Platzes, sondern der neu benannte Weg geht vielmehr von der Müllerstraße bis zur Genter Straße. Wäre nur an der Genter Straße ein “Elise-und-Otto-Hampel-“Straßenschild angebracht worden, würde ich Ihnen recht geben. Aber es sind ja zwei Straßenschilder, und eins davon steht deutlich sichtbar ganz vorne an der stark frequentierten Müllerstraße. Der Weg verläuft von dort entlang des Rathauses Wedding – ganz bestimmt keine “hinterste Ecke”.
Auch die Gedenkstele steht ganz vorne an der Müllerstraße und ist für alle Passanten, die dort vorbeigehen (und das sind nun wirklich im Verlaufe eines Tages nicht gerade wenige), nicht zu übersehen.
Der Vorschlag, eine Gedenkstele aufzustellen – und zwar an genau dieser Stelle: vorne an der Müllerstraße, und nicht “irgendwo” auf dem weiträumigen Platz – stammt übrigens von der Stadtteilvertretung.
Und auch der Vorschlag, den Abschnitt der Limburger Straße zwischen Müller- und Genter Straße nach den beiden Widerstandskämpfern zu benennen, stammt ebenfalls von der Stadtteilvertretung.
Denn nach der Ablehnung des Antrags der BIM durch das SGA und dem Verzicht der BIM auf einen Widerspruch gegen den SGA-Bescheid sah die Stadtteilvertretung keine Chance mehr, die Benennung des gesamten Platzes nach Elise und Otto Hampel politisch durchzusetzen. Deshalb schlugen wir im September 2017 vor, den Wegabschnitt nach dem Ehepaar zu benennen. Dieser Vorschlag wurde dann von BVV und Bezirksamt übernommen und recht zügig umgesetzt.
Das ist sicher nicht die “große” Lösung (d.h. den gesamten Platz nach Elise und Otto Hampel zu benennen) – aber sie ist weder “kleingeistig” noch “unwürdig”. Vielmehr stellt sie eine längst überfällige und an prominenter Stelle deutlich sichtbare Ehrung, Würdigung und Erinnerung der beiden Widerstandskämpfer dar.
Walter Frey
Kleine Ergänzung zum Afrikanischen Viertel.
Dort wurde die Orientierungsschwierigkeit, daß der noch-Nachtigal Platz die noch-Petersallee teilt behoben.
Der Teil zur Müllerstraße hin soll Anna-Mungunda-Allee heißen und der Teil zu den Rehbergen Maji-Maji-Allee. Damit ist die Orientierung für Ortsunkundige verbessert worden.
Und die BIM hat nicht ihren Sitz in dem ehemaligen Rathaus-Turm sondern das JobCenter Wedding.
Und:
– Die Umbenennungen an sich sind seit vielen Jahren von diversen Bürger*innen und verschiedensten Vereinigungen gefordert worden. Die Parteien haben dieses Anliegen letztlich aufgenommen und umgesetzt.
– Die einzelnen neuen Namen sind von den Bürgerinnen und Bürgern vorgeschlagen worden. Und gerade für die Benennung Maji-Maji haben sich viele Menschen und Vereinigungen intensiv eingesetzt. Das hat Nichts mit Parteiräson zu tun, das ist gelebte Bürger*innenbeteiligung.
Leider viele Recherche Fehler in dieser Artikel bzw. eher Kommentar.
Ich finde den Kommentar auch unpassend.
es ist super, daß die Ehrung der Eheleute Hampel endlich vollzogen ist. Es ist der Weg direkt am Rathaus Wedding zu dem beliebten Markt an der Genter Straße. Und jetzt wurde auch noch eine schöne und informative Stele dazu aufgestellt.
Das ist gut und auch würde voll.
Die Schwierigkeit der Benennung des gesamten Platzes und die Gründe liegen, daß die Verwaltungsvorschriften die Unterbrechung einer Straße durch einen Platz nicht mehr vorsehen.
Das ist bürokratisch, hat aber logische und Gründe und erhöhen die Orientierung im Straßenland.
Bitte nicht mehr meckern sondern freuen, daß ein wichtiger Schritt erreicht ist.
Etwas vermessen, Schilderaufstellung als “Ehrung” darzustellen. “Erinnerung” trifft es besser. Und mit der Ausgestaltung der nun gefundenen Lösung könnte man ja zur Abwechslung auch einfach mal zufrieden sein.