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Ausstellung in der Kapernaumkirche:
Eine Brücke im Dialog über Bibel und Koran

27. Oktober 2022

Wenn man den Glau­ben kennt, weiß man, wie ver­fes­tigt die Über­zeu­gun­gen sein kön­nen und wie unüber­wind­bar oft die Dis­pu­te und die Hin­ga­be an den nur eige­nen Glau­ben. In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten schrie­ben die Men­schen Geschich­te damit. Eine Aus­stel­lung in der Kaper­naum­kir­che über­win­det Grenzen. 

Der Lebens­weg von Jesus ist auch im Koran beschrie­ben, und nicht nur neben­säch­lich, son­dern an vie­len Textstellen.

Der Maler Aziz el Khi­ar, geb. 1970 in Aga­dir (Marok­ko) und seit dem Jahr 1996 im Ruhr­ge­biet lebend, hat sich zur Auf­ga­be gemacht, die Dar­stel­lung von Jesus in den Suren des Koran zu ver­bild­li­chen und die­se Gemäl­de in einer Wan­der­aus­stel­lung durch kirch­li­che Orte in Deutsch­land aus­zu­stel­len. Im Dezem­ber 2019 waren sei­ne Bil­der bereits im Xan­te­ner Dom zu sehen. Er malt seit sei­ner Kind­heit, die Moti­va­ti­on zum Dar­stel­len die­ser reli­giö­sen Bil­der kam, als er in der Gemein­de oft nach dem Koran befragt wurde.

Die­se Gemäl­de sind nun bis Ende Novem­ber 2022 in der Wed­din­ger Kaper­naum­kir­che zu beschau­en und dort neben Erklä­run­gen zu den Bibel- und Koran­stel­len und Inhal­ten dargeboten.

Ein Ange­bot zum Dia­log und bes­se­rer Kennt­nis der hei­li­gen Schriften. 

Sure 3, 5 des Koran bzw. Mat­thä­us 15, 29–31 – Jesu Wun­der – © Rena­te Straetling

Ich tref­fe Herrn Aziz el Khi­ar zur Eröff­nung sei­ner Wan­der­aus­stel­lung am Frei­tag, den 22. Okto­ber 2022 abends in der Kaper­naum­kir­che, wo er sei­ne Gemäl­de selbst rund­um im Kir­chen­schiff ange­bracht und mit erklä­ren­den Tafeln ver­se­hen hat. Wei­te­re Gäs­te sind gekom­men, um auch der Musik­vor­füh­rung von Özlem Yil­maz bei­zu­woh­nen, die Anspra­che von Pfar­rer Tscher­nig zu hören und anschlie­ßend an einem gemein­sa­men Umtrunk teilzunehmen.

Herr el Khi­ar stellt einen Groß­teil der Lebens­sta­tio­nen von Jesus dar, wie sie im Koran beschrie­ben sind. Dabei kommt man – wenn man es noch nicht weiß – ins Stau­nen, denn Jesus, oder Isa (ibn Maryam), wie er im Koran benannt wird, hat eine her­aus­ra­gen­de Stel­lung in die­ser Schrift. Er wird an die drei­ßig Mal im Koran erwähnt, der Pro­phet Moham­med, immer­hin Reli­gi­ons­stif­ter des Islam, dage­gen nament­lich nur vier­mal. Die gesam­te Lebens­ge­schich­te, von der Geburt bis zur Him­mel­fahrt, wird in 15 Suren des Koran erzählt.

Grund­sätz­lich unter­schei­det bei­de Reli­gio­nen das Bewusst­sein über das Bekennt­nis zur Gött­lich­keit von Jesus. Denn seit dem 4. Jh., als die bei­den Kon­zi­le von Nicäa und Kon­stan­ti­no­pel statt­fan­den, ste­hen alle christ­li­chen Kon­fes­sio­nen dazu, wäh­rend der Islam die Ein­zig­ar­tig­keit Got­tes und Jesus als Men­schen hervorhebt.

Nichts­des­to­trotz hat Jesus eine pro­mi­nen­te Stel­lung im Koran, denn er wird als Mensch und Pro­phet ver­ehrt und zwar nicht als gewöhn­li­cher Pro­phet („Nabi“), son­dern neben Moses und Moham­med als Rasul, als Gesandter.

In den aus­ge­stell­ten Gemäl­den wer­den die ein­schlä­gi­gen Suren ver­an­schau­licht und eine neue Per­spek­ti­ve auf sei­nen Lebens­weg und Lebens­um­feld eröffnet.

Die Bil­der von Künst­ler el Khi­ar beschrei­ben in moder­ner Mal­wei­se die Sze­nen des Lebens­we­ges von Isa, wie er im Koran genannt wird, wie die Geburt Isa unter der Dat­tel­pal­me, die lebens­spen­dend mit ihren Früch­ten nebst fri­schem Was­ser für ihn da ist. Der Koran beschreibt die Wehen Mari­as, aber nicht wie in der Bibel eine Krip­pe wie in einem Stall von Beth­le­hem und erzählt zudem erstaun­lich, dass Jesus sofort spre­chen konn­te (Sure 3: „Das Wort ist Fleisch gewor­den“). (Sie­he dazu das Titel­bild die­ses Artikels)

Oder das Bild „Das letz­te Mahl“, wie der Koran es schil­dert. Ich konn­te kei­nen Judas mit Sil­ber­schil­lin­gen auf dem Bild erken­nen. Eben­so ist die Kreu­zi­gung im Gemäl­de dar­ge­stellt. Aber dann in der Abfol­ge der Gemäl­de kommt ein wesent­li­cher Unter­schied der Dar­le­gun­gen in den Schrif­ten von Chris­ten und Mus­li­men zum Aus­druck: Jesus wird nach dem Koran nicht selbst gekreu­zigt, son­dern ein Stell­ver­tre­ter an sei­ner Stel­le. Dazu gibt es ein nacht­dunk­les Bild, das die Ver­wechs­lung bild­ne­risch dar­bie­tet. War dies Judas Iskariot?

Aziz el Khi­ar, die bei­den Gemäl­de Gra­bes­ru­he und Ver­wechs­lung – © Rena­te Straetling

Zwei Theo­rien im Islam inter­pre­tie­ren die Kreu­zi­gung. Die eine besagt, Jesus sei nur zum Schein gekreu­zigt wor­den (Doke­tis­mus­theo­rie) und die ande­re sagt, er sei vor der Kreu­zi­gung ersetzt wor­den durch einen ande­ren (Sub­sti­tu­ti­ons­theo­rie).
Pfar­rer Tscher­nig erläu­tert in sei­ner Anspra­che die­se Ver­schie­den­heit der hei­li­gen Bücher und fügt hin­zu, dass Jesus beson­ders in der Mys­t­hik des Sufis­mus hohe Ver­eh­rung als voll­kom­me­ner Mensch erfährt, der ein Pro­phet der Lie­be und der Barm­her­zig­keit sei.

Eine Innen­an­sicht der Kaper­naum­kir­che Ber­lin – Jesus (Kopie nach dem dem Ori­gi­nal des däni­schen Bild­hau­er Ber­tel Thor­vald­sen 1770 – 1844)
© Rena­te Straetling

Man ist tief erstaunt, hört man über die­se Gemein­sam­kei­ten und Unter­schie­de, und mit die­sen Gemäl­den bekommt man anschau­lich ein Gefühl und ein erwei­ter­tes Wis­sen, das Gesprä­che und Frie­den über die Ein­sicht in die Ent­ste­hung und Auf­fas­sun­gen ermög­li­chen kann.

So bie­ten die­se unver­käuf­li­chen Bil­der, die der Maler Aziz el Khi­ar wei­ter­hin durch die Kir­chen wan­dernd aus­stel­len wird, eine Brü­cke im Dia­log zwi­schen den Religionen.

Und schau­en Sie selbst, bitte!

Kon­takt­da­ten und wei­te­re Links

Ev. Kaper­na­um-Gemein­de, See­stra­ße 35 in 13353 Ber­lin, T 030 453 83 35

(U6 U‑Bhf See­stra­ße, Tram 13, Tram 50, Bus 106, Bus 120)

Kaper­na­um-Kir­che

Der Arte.tv 7‑Teiler ( je etwa 55 Minu­ten): Jesus und der Islam Teil 1

https://de.wikipedia.org/wiki/%CA%BF%C4%Aas%C4%81_ibn_Maryam

https://www.deutschlandfunk.de/jesus-im-koran-maryams-sohn-100.html

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit etwa 55 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Ich habe noch viel vor!
www.renatestraetling.wordpress.com

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