Über die Rolle der Väter ist viel gesprochen worden. Sollen sie sich mehr an der Kindererziehung beteiligen oder im Trennungsfall nur pünktlicher Alimente zahlen? „Die Väter heutzutage wollen mehr Verantwortung übernehmen“, stellt Selcuk Saydam fest, „und das auch schon in der Schwangerschaft.“ Seit Anfang des Jahres ist er Väterlotse des Bezirks Mitte und schaut auf die Papas im Bezirk. Vom Familienzentrum der Fabrik Osloer Straße aus sammelt er zunächst, welche Angebote es für Väter gibt und bringt die zusammen, die auf dem Gebiet aktiv sind.
Nach seiner bisherigen Einschätzung gibt es in einigen Bereichen des Lebens schon Angebote für Papas, auf anderen eher weniger. „Wenn du Samstag und Sonntag als Vater etwas mit deinem Kind unternehmen möchtest, dann gibt es viele Angebote. Wenn du aber Probleme hast und Beratung brauchst, dann gibt es eigentlich nur das Väterzentrum im Prenzlauer Berg“, sagt der Väterlotse. Das findet Selcuk Saydam zu wenig.
„Starke Väter in Mitte“ steht auf dem Flyer des Väterlotsen. Zur Stärkung der Männer möchte er beitragen. Selcuk Saydam meint, dass das sich ändernde Rollenverständnis der Papas manchmal auch eine Herausforderung für die Frauen ist. „Ich möchte gesellschaftliche Aufklärungsarbeit leisten und die Rolle des Vaters zur Diskussion stellen. Und ich möchte fragen, ob die Mamis denn auch loslassen können“, fragt er freundlich und ein wenig schelmisch lächelnd. Dies sei eine wichtige Frage, die mit in diesen Zusammenhang gehöre, denn durch stärkere Väter müssten auch die Frauen ihre gewohnten Rollen ein Stück weit verlassen.
Neben der Vernetzungsarbeit ist Selcuk Saydam auch Ansprechpartner für die Väter. Montags ist der Sozialarbeiter, der selbst Vater von drei Kindern ist und auch türkisch spricht, zwischen 13 und 16 Uhr in der Osloer Straße 12 als Ratgeber, Wegweiser und Zuhörer für die Themen der Väter da (Angebot im Familienzentrum Fabrik Osloer Straße). Dabei geht es um ihre Rolle in der Schwangerschaft oder die in Trennungssituationen. „Hier geht es darum, viel Beziehungsarbeit zu leisten, um das Vertrauen zu gewinnen. Männer sprechen nicht so gern über ihre Probleme“, sagt Selcuk Saydam. Dass zu ihm doch Männer kommen und sich anvertrauen, liegt auch an seinem türkischen Hintergrund und daran, dass er aus der Haci Bayram Moschee in der Koloniestraße, wo er früher aktiv war, vielen bekannt ist.
Insgesamt sechs Stunden Zeit hat er für seine Arbeit pro Woche, wobei drei für die Arbeit mit den Männern reserviert sind. Aktuell berät er sechs Papas, die sich gerade getrennt haben. Bezahlt wird seine Stelle vom Jugendamt. Eine weitere Finanzierung und eine Aufstockung der Stunden sei für das kommende Jahr derzeit wahrscheinlich, berichtet er. Dann sei auch mehr direkte Arbeit mit den Papas möglich. „Und ich hoffe, dass ich nächstes Jahr zu zweit sein werde“, sagt Selcuk Saydam.
Für das kommende Jahr hat der Väterlotse auch bereits inhaltliche Pläne. So will er sich in Kirchen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, in Kitas und bei Vereinen vorstellen. Außerdem möchte er zum Internationalen Vatertag 2021 am 20. Juni etwas organisieren. Dieser Aktionstag findet im kommenden Jahr in Deutschland zum zehnten Mal statt.
Weil die Bestandsaufnahme zu seinen ersten Aufgaben gehört, bittet der Väterlotse, ihm Angebote für Papas zu melden. Er ist telefonisch unter (0152) 27 60 83 25 oder per E‑Mail unter [email protected] erreichbar.