Was es alles gibt – rosa Pullover für Pinguine, ein Tipi-Zelt in Berlin und ganz viele Geschichten, wie dieses Tipi und seine Tausend Quadrate entstanden sind. Dies ist eine der Geschichten…
Wenn Handarbeit wieder Spaß macht
Stricken und Häkeln überall um mich herum – bei fast jeder Kiezveranstaltung ist mindestens ein solch kreativer Mensch dabei, zu 99% weiblich, mit Strick- oder Häkelzeug, Vorlagen; Büchern und bunten Wollknäueln. Sobald ein zweiter Kreativer dazukommt, geht es auch schon voll in die Fachgespräche, wo es die günstigste Wolle gibt, wie interessant die Vorlage ist,…
Bisher habe ich mich in solchen Fällen ganz gut mit Origami gerettet, ist auch eine Art von „Handarbeit“, ich bin dabei, aber muss mich nicht outen mit meinen defizitären Handarbeitskenntnissen, denn das letzte Mal, dass ich Strick- und Häkelnadeln angerührt habe, ist schreckliche 35 Jahre her und war in Bayern zwangsweise im Handarbeitsunterricht der 5. Klasse, nur für Mädchen. Die Jungs hatten „Werken“, das hätte ich viel lieber gemacht. Für meine mühsam gehäkelte, schöne bunte Tasche, die mir dann sogar etwas Spaß gemacht hat, habe ich eine Fünf bekommen, das war das Ende meiner Handarbeitskarriere…
1000 Teile für ein Tipi-Zelt
Und nun kommt Brigitte Lüdecke mit diesem irren Projekt: Ein Tipi-Zelt für Berlin! Aus 1000 Quadraten zusammengesetzt – wer macht mit? Zusagen hier und Zusagen da, bei welcher Kiezveranstaltung auch immer, mehr und mehr Leute stricken oder häkeln Quadrate, 15 cm x 15 cm. Lässt mich alles kalt, sollen sie nur machen! 300 Quadrate sind zugesagt, dann 400, dann 500 und irgendwann schlägt das Ganze um: Wer noch mit dabei sein will, muss sich jetzt ranhalten, denn mehr als 1000 Quadrate werden nicht gebraucht.
Und das Projekt schlägt weite Wellen: Die künstlerische Leiterin reist nach New York, um die Initiatoren des New Yorker Tipi zu treffen, es gibt Anfragen und Interesse aus ganz Deutschland und international. Und dann schickt jemand aus Stuttgart ein Quadrat mit dem Logo von Stuttgart. Und klar: Das Berliner Tipi mit Stuttgarter Logo, aber ohne Berliner Bär, das geht nicht!
Mein Ehrgeiz ist geweckt! Das muss doch zu machen sein. Wenn andere 60 solche Quadrate häkeln, krieg ich ja vielleicht eines hin. Ich spreche Brigitte Lüdecke an, ob sie mir vielleicht etwas Wolle in beige und braun hat und eine Häkelnadel dazu. Die Grundlage in Luftmaschen kriege ich noch hin, alles Weitere finde ich auf Youtube und über die leicht spöttischen Blicke der ganzen Profis setze ich mich hinweg, ich will ja nicht den Schönheitswettbewerb bei Burdas Strickmoden gewinnen.
Den Bären als Muster in mein Häkelwerk einzubauen, scheitert trotz der schönen Vorlage, die ich mir zusammengerechnet habe. Da hätte ich doch stricken müssen, da sind die Maschen schön übereinander. Beim Häkeln wird das eh schon grobe Muster zu sehr verzerrt. Also das halb vollendete Werk wieder aufgetrennt und Neustart.
Vier Zentimeter sind geschafft und dann ruht das Werk aus Zeitmangel. Keine Zeit für Kiezpalaver und sonstige Treffen, aber es kommt die „Internet Usergroup“ – nicht so ganz der klassische Häkeltreff! Ganz egal, die zwei Stunden intensiver Austausch rund um Suchmaschinenorientierung, Landing Pages und Responsive Webdesign reichen aus, um die Grundlage in beige zu legen, irgendwie sind es jetzt 13,5 x 16 cm geworden, aber „das zieht sich schon“.
Ein Berliner Bär im Quadrat
Kaufland hat auch Nähzubehör, eine Nadel mit ganz großer Öse lässt sich finden, das Muster des Berliner Bären gibt es im Internet – ausdrucken, ausschneiden, aufheften und es kann losgehen mit der Stickerei. Die Wolle ist doch etwas zu dick für so etwas Filigranes wie den Berliner Bären, er kriegt halt hier und da etwas dickere Muskeln und dann wird auch noch der Kopf zu groß.
Schließlich findet sich sogar noch knallrotes Stickgarn – echte Seide – für die Krallen und die Zunge und am Ende gefällt mir mein kleiner Bär so gut, dass ich ihn eigentlich gar nicht mehr hergeben will.
Und es hat mich gepackt – der Spaß an Stricken und Häkeln – oder Sträkeln – wie ich das bis vor kurzem immer noch abfällig genannt habe.
Immerhin kann ich damit in den nächsten 60 Jahren noch groß Karriere machen, denn, so kam kürzlich im Radio, in Australien lebt ein Mann, 109 Jahre alt, der quietsch-rosa Pullover für Pinguin-Babys strickt, damit sie nicht erfrieren, wenn ihr Gefieder durch Ölanteile im Meerwasser in seiner Isolierfähigkeit beeinträchtigt wird.
Autorin/Foto: Kerstin Kaie
Tipi-Projekte in anderen Städten
Das Projekt „Tipi für Berlin Mitte“ ist gefördert von der Conrad-Stiftung Bürger für Mitte.
Der Aufbau und die Einweihung der textilen, begehbaren Skulptur für den öffentlichen Raum ist am 22. Mai 2015 auf dem Leopoldplatz – auf der Grünfläche rechts der Alten Nazarethkirche.
Detaillierte Informationen zu dieser Art gemeinschaftlichem Kunstobjekt von Ute Lennartz-Lembeck und die Kontaktdaten der Projektleitung (Brigitte Lüdecke) finden sich auf der Website des Tipi-Projekts Berlin-Mitte
Nächste Termine: Am Samstag, den 14. März 2015 wird das spätere Tipi aus über 1.000 Quadraten in der Alten Nazarethirche zusammengelegt, anschließend erfolgt das Zusammenhäkeln in Reihen in Heimarbeit; Ende April werden zu einem entsprechenden Termin die Reihen zusammengenäht und am 22. Mai ist erstmaliger Aufbau und Einweihung auf dem Leopoldplatz – auch in Verbindung einer Auftaktveranstaltung der Stiftung. Das Tipi wird später auch an anderen Orten in Berlin-Mitte im öffentlichen Raum stehen.
<3 :* <3 (Y) ZUSAMMEN ARBEiT – MiTGESCHTALTEN – GEMEiNSAMM SEiN.! (Y) <3 :* <3
[…] und die Entstehungsgeschichte des Quadrates “Berliner Bär” wurden heute auf dem Blog http://www.weddingweiser.de […]