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Ein neuer Typ Schule an der Reinickendorfer Straße

26. März 2019
Gra­fik: Bru­no Fio­ret­ti Mar­quez Architekten

Sehr zügig will der Senat in den kom­men­den Jah­ren den Neu­bau von elf neu­en Grund­schu­len vor­an­trei­ben – dar­un­ter auch an der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße an der Ecke zur See­stra­ße. Schon im Jahr 2022 könn­ten dort ers­te Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein­ge­schult wer­den und die über­vol­len Grund­schu­len im Wed­ding damit ent­las­ten – wenn alles glatt geht und wenn der Flä­chen­kon­flikt mit dem benach­bar­ten “Schul-Umwelt-Zen­trum Mit­te” geklärt ist. Die vier­zü­gi­ge Grund­schu­le soll mit einem völ­lig neu­en Raum­kon­zept als “Typen­bau” ent­ste­hen, das Ergeb­nis des Rea­li­sie­rungs­wett­be­werbs wur­de jetzt vor­ge­stellt. Die Sena­to­rin für Stadt­ent­wick­lung und Woh­nen Kat­rin Lomp­scher (Lin­ke) zeig­te sich auf der Pres­se­kon­fe­renz am 30. Janu­ar sehr zufrie­den mit der Qua­li­tät der vor­ge­leg­ten Ent­wür­fe. Ins­ge­samt 15 Büros waren auf­ge­for­dert wor­den, Vor­schlä­ge sowohl für einen drei- als auch für einen vier­zü­gi­gen Grund­schul­typ zu ent­wi­ckeln. Drei­zü­gi­ge Grund­schu­len sol­len zunächst an fünf Stand­or­ten in Ber­lin errich­tet wer­den, vier­zü­gi­ge an wei­te­ren sechs. Zu letz­te­ren gehö­ren auch zwei im Bezirk Mit­te: neben der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße auch an der Adal­bert­stra­ße an der Gren­ze zu Kreuz­berg. Mög­li­cher­wei­se erwei­tern sich die Auf­trä­ge um wei­te­re Schul­neu­bau­ten, für die gegen­wär­tig noch Stand­or­te gesucht werden.Da sich die Typen­bau­ten in “modu­la­rer Bau­wei­se” so weit wie mög­lich indus­tri­ell vor­ge­fer­tig­ter Tei­le bedie­nen, erhofft sich die Sena­to­rin Impul­se für die Bau­wirt­schaft in unse­rer Regi­on – zumal man durch­aus davon aus­ge­hen kann, dass auch der kom­mu­na­le und genos­sen­schaft­li­che Woh­nungs­bau in Ber­lin und Bran­den­burg immer “modu­la­rer” wird. Gleich­zei­tig erwar­tet der Senat auch preis­li­che Vor­tei­le, vor allem aber eine deut­lich schnel­le­re Umset­zung als bei kon­ven­tio­nel­ler Bau­wei­se: schon die Ge-neh­mi­gungs­pha­se ver­kürzt sich. Denn für Schul­bau­ten gel­ten kom­pli­zier­te­re Vor­schrif­ten als für den übli­chen Woh­nungs- und Gewer­be­bau, und da in den letz­ten Jahr­zehn­ten kaum irgend­wo neue Schu­len gebaut wur­den, sind die Bezir­ke auf sol­che Auf­ga­ben schlicht nicht vorbereitet.

Neues Raumkonzept: die “Lernhäuser”

Brüder-Grimm-Grundschule. Foto: Dominique Hensel
Typi­sche Alt­bau­schu­le: Brüder-Grimm-Grundschule

Den­noch müs­sen die Schu­len nicht völ­lig gleich­för­mig sein. Der Sie­ger des Wett­be­werbs für vier­zü­gi­ge Schu­len schlägt vor, das Mate­ri­al und die Far­be der Brüs­tungs­ele­men­te an die jewei­li­ge Umge­bung anzu­pas­sen. Und das in zwei Vari­an­ten: ein­mal mit fünf­ge­schos­si­gem Basis­bau­kör­per für hoch­ver­dich­te­te Quar­tie­re wie Mit­te oder Wed­ding und ein­mal in einer vier­ge­schos­si­gen Vari­an­te, die aber um einen zwei­ge­schos­si­gen Anbau erwei­tert ist, für die äuße­ren Stadt­ge­bie­te. Ähn­lich ist Ber­lin übri­gens auch in der Grün­der­zeit vor­ge­gan­gen: Die meis­ten Alt­bau­schu­len vom Ende des 19. und vom Beginn des 20. Jahr­hun­derts könn­te man auch als Typen­bau­ten bezeich­nen, die im Büro des dama­li­gen Stadt­bau­ra­tes Lud­wig Hoff­mann sozu­sa­gen am Fließ­band ent­wi­ckelt wor­den waren.Von ihnen und von den Plat­ten­bau­schu­len der DDR unter­schei­den sich die im Wett­be­werb vor­ge­leg­ten Ent­wür­fe jedoch erheb­lich. Nicht nur weil varia­ble Raum­hö­hen gefor­dert waren, damit in den gro­ßen Mehr­zweck­räu­men im Erd­ge­schoss, in denen u.a. die Men­sa unter­ge­bracht ist, kei­ne Bun­ker­at­mo­sphä­re ent­steht. Son­dern vor allem, weil ihnen ein völ­lig neu­es Raum­kon­zept zugrun­de liegt. Die Auf­ga­ben­stel­lung für die Archi­tek­tur­bü­ros bezog sich auf das neue Ber­li­ner Mus­ter­raum­pro­gramm für Grund­schu­len, dass die Klas­sen- und Tei­lungs­räu­me in soge­nann­ten »Com­part­ments« zusam­men­fasst: Die Schu­len unter­tei­len sich in drei bzw. vier “Team- und Lern­häu­ser”, deren Lern­räu­me sich um jeweils zwei “Foren” her­um grup­pie­ren, die für ver­schie­dens­te Akti­vi­tä­ten nutz­bar sind. Damit erleich­tern die neu­en Schul­bau­ten posi­ti­ve grup­pen­dy­na­mi­sche Pro­zes­se in den alters­ge­misch­ten Lern­häu­sern. Wer “Har­ry Pot­ter” gele­sen hat mag sich an das Zau­be­rer-Inter­nat Hog­warts erin­nern: “Fünf Punk­te für Gryffindor!”

Radikal klares und einfaches Konstruktionsprinzip

Aber auch die klas­si­sche Anord­nung der Klas­sen­räu­me ent­lang lan­ger Flu­ren ist pas­sé, und damit stel­len sich natür­lich ganz neue Anfor­de­run­gen an die Archi­tek­tur der Schul­ge­bäu­de. Der für die Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße maß­geb­li­che Sie­ger­ent­wurf des Kreuz­ber­ger Büros “Bru­no Fio­ret­ti Mar­quez Archi­tek­ten” über­zeug­te unter ande­rem, weil bei ihm alle Räu­me ein­schließ­lich der “Foren” aus­rei­chend mit Tages­licht ver­sorgt sind. Gefal­len hat der Jury auch die Ver­bin­dung von Schu­le und Dop­pel-Sport­hal­le die räum­lich von­ein­an­der sepa­riert sind, aber gestal­te­risch auf­ein­an­der Bezug neh­men und sich um einen gemein­sa­men Vor­platz anord­nen, der die Ver­bin­dung mit dem Quar­tier her­stellt. “So viel­schich­tig die gestal­te­ri­sche und städ­te­bau­li­che Wir­kungs­wei­se des Bau­kör­pers an dem jewei­li­gen Ort ist, so radi­kal klar, ein­fach und völ­lig gleich ist das Kon-struk­ti­ons­prin­zip bei allen Schu­len. Schlan­ke, immer gleich gro­ße (aber sta­tisch opti­mier­te) Stahl/­Be­ton-Ver­bund­stüt­zen im Ras­ter von 8,25 m auf­ge­stellt, tra­gen Halb­fer­tig­teil-Flach­de­cken­ele­men­te. Durch die­se ein­fa­che und in allen Belan­gen den Erfor­der­nis­sen des Brand­schut­zes genü­gen­de Kon­struk­ti­on ist es mög­lich, einen kon­se­quen­ten, for­mal hoch­wer­ti­gen und preis­wer­ten Innen­aus­bau modu­lar mög­lich zu machen. Alle vor­ge­schla­ge­nen Mate­ria­li­en wir­ken stim­mig, beschei­den und ange­nehm”, so begrün­det die Jury ihr ein­stim­mig gefäll­tes Urteil. Ob die­se Ent­wür­fe dann tat­säch­lich auch gebaut wer­den steht jedoch erst fest, wenn die Ver­hand­lun­gen mit allen Preis­trä­gern der bei­den Wett­be­wer­be geführt wor­den sind.

Flächenkonflikt mit Schul-Umwelt-Zentrum

Ob der Neu­bau an der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße tat­säch­lich schon im Jahr 2022 fer­tig wird, ist frei­lich nicht sicher. Noch ste­hen ja auf dem Grund­stück die Gebäu­de des ehe­ma­li­gen “Haus der Gesund­heit”, das im ver­gan­ge­nen Som­mer wegen Schim­mel­be­fall und Bau­fäl­lig­keit end­gül­tig geschlos­sen wur­de. Und noch ist nicht geklärt, wie die Zu-sam­men­ar­beit mit dem direkt benach­bar­ten “Schul-Umwelt-Zen­trum Mit­te” (SUZ) aus­se­hen soll. Denn eigent­lich ist die Flä­che des Hau­ses der Gesund­heit zu klein für eine vier­zü­gi­ge Grund­schu­le und ihre Außen­an­la­gen, wes­halb ein Strei­fen der Flä­che des SUZ in den Unter­la­gen des Wett­be­werbs der Schul­flä­che zuge­schla­gen wur­de. Zudem wur­de auf Schul­gar­ten und Gym­nas­tik­wie­se ver­zich­tet, da die­se auf dem Bereich des SUZ Platz fin­den könn­ten. Dage­gen regt sich Pro­test von den Wed­din­ger Grund­schu­len und Kitas, die die Gär­ten des Schul-Umwelt-Zen­trums in Erman­ge­lung eige­ner Schul­gär­ten päd­ago­gisch nut­zen und die jetzt Ein­schrän­kun­gen befürch­ten. In der Plan­skiz­ze von Bru­no Fio­ret­ti Mar­quez ist zwar ein klei­ner Teil des nörd­li­chen Bereichs des SUZ bau­lich über­formt – hier ragt der Sport­platz mit sei­ner 50-Meter-Lauf­bahn auf das Gelän­de. Aber für einen ordent­li­chen Schul­hof reicht der übri­ge Platz eigent­lich nicht. Man darf gespannt sein, wie sich die­ser Kon­flikt noch ent­wi­ckelt und wel­che Lösun­gen schließ­lich gefun­den wer­den. Und man denkt im Wed­ding dabei auch an »him­mel­beet« und des­sen ursprüng­li­che Idee eines Gemein­schafts­gar­tens auf dem Dach des “Schil­ler Park Cen­ter”. Könn­te nicht auf der Sporthalle…?

Autor: Chris­tof Schaffelder

Die­ser Bei­trag erschien zuerst in der Sanie­rungs­zeit­schrift “Ecke Mül­lerstra­ße”

In die­sem Bei­trag haben wir ein­mal alle Grund­schu­len im Wed­ding aufgelistet. 

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