In unmittelbarer Nachbarschaft des einstigen Arbeiterbezirks Wedding und offiziell als Teil von Moabit ist auf dem Gelände zwischen Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal und den Bahngleisen an der Tunnelausfahrt des Hauptbahnhofs ein neuer Stadtteil entstanden. Doch lebendig und urban ist daran nichts. Zwei Weddinger Künstlerinnen haben sich mit der vertanen Chance eines neuen Stadtteils im Rahmen eines Kunstprojekts auseinandergesetzt.
Man will sich hier lieber nicht lange aufhalten
Europacity – Großspurig mutet er an, der Name für das Großbauprojekt, das sich hinter dem Berliner Hauptbahnhof gen Norden erstreckt. Eine Berliner Unternehmung, die keine lebendige und diverse Stadtgesellschaft ermöglicht, sondern lediglich die Logik von kapitalistischer Verwertung in die Städteplanung übersetzt. Das neu erbaute Viertel in Mitte glänzt vor allem durch internationale Firmensitze, Wohnungen im höheren Preissegment und die Abwesenheit öffentlicher Einrichtungen. Gerne beschrieben als ehemaliges „Niemandsland zwischen Ost und West“, wurde das privatisierte Bahngelände am Mauerstreifen zubetoniert und klimaschädlich vollversiegelt. Der Anteil an sozialem Wohnungsbau liegt hier bei 8 Prozent; der öffentliche Raum gleicht einer Kulisse. Auf den Plätzen entsteht kein sozialer Raum, der Blick gleitet ab, man will sich hier lieber nicht lange aufhalten. Das Leben zwischen Bürotürmen und Apartmentgebäuden – es fühlt sich an wie ein Vakuum. Die Künstlerinnen Florine Schüschke und Nora Spiekermann arbeiten in diesem Vakuum. Seit dem Baubeginn 2013 dokumentiert und recherchiert Nora Spiekermann die Prozesse im Viertel, und eignet sich den Ort durch Interventionen künstlerisch an. Mit dem Offenen Kanal Europa hat sie 2020 ein Projekt geschaffen, dass durch radikales Vor-Ort-Sein und diverse Kunstaktionen eine Plattform für Kommunikation und Austausch in und über Europacity darstellt. Florine Schüschke machte mit einer Kartierung zum Ausverkauf der landeseigenen Liegenschaften die Hintergründe zu profitorientierter Stadtentwicklung sichtbar und schafft mit experimentellen Videoprojektionen alternative Imaginationsräume inerhalb dieses finanzialisierten Stadtraums.
Ist dies die Stadt der Zukunft?
Gemeinsam beschäftigen sich die Künstlerinnen mit Fragestellungen zur Stadtentwicklung, dem öffentlichem Raum und Verwertungslogik. Welche Eingriffsmöglichkeiten haben die Bürger*innen in einem privatisierten Stadtraum, in dem alles schon entschieden ist? Ist dies die Stadt der Zukunft? Können zumindest die Erdgeschosse der unwirtlichen Stadtlandschaft sozial eingebunden werden?
Mit dem zweitägigen Programm ‘Europacity Vakuum – Fest gegen die leere Straße ́ rufen die Künstlerinnen zur Eroberung des öffentlichen Raumes auf. Anwohner*innen und Menschen aus ganz Berlin sind am 27. und 28. August eingeladen, gemeinsam die Straßen des Viertels einzunehmen. Zwei stadtpolitische Diskussionsrunden mit Katalin Gennburg (Sprecherin für Bauen und Wohnen, die Linke), Harry Sachs (ZUsammenKUNFT), Marco Schmidt (Natural Building Lab TU Berlin) und den Menschen vor Ort werden live ins Radio übertragen. Mobile Stände, eine “Küche für Alle”, Projektionen auf Hauswände, ein kritischer Kiezspaziergang und interventionistische Performances vereinen Kritik am Status Quo mit poetischen Bildern und handfesten Ideen, die radikal die Gegenwart verändern wollen.
Kollaborationen: Torhaus Radio, Workshop on wheels von constructLab (Andries de Lange, Miranda Rigby,
Jan Stricker, Maria Christiansen), Les actionnaires (Anaïs Edely, Renaud Héléna, Aurélie Pertusot & Elma
Riza), Tanzkollektiv Welcome Home, Stadtteilkoordination Moabit Ost
Weitere Informationen auf: www.offener-kanal.eu, www.florineschueschke.eu,
instagram: @offener_kanal_europa, @florineschueschke facebook: Offener Kanal Europa
Sehr gute Aktion am Wochenende mit Bürgerbeteiligung. Auch wenn alles schon zu spät erscheint„ die Kunst kann uns retten mit ihren Aktionen.. Come together.….…